Es hat sich ein raunziger Ton eingeschlichen in die Kritik an Angela Merkel und ihrer Regierung, der etwas Anmaßendes hat. Altmodisch formuliert könnte man sagen, es fehlt der Respekt für eine Kanzlerin, die Tag und Nacht ohne Schonung der eigenen Physis versucht, mit der Währung die Fundamente unseres Wohlstands zu retten.
In ihrer Regierungserklärung wählte Merkel einmal mehr den unpathetischen und sachlichen Ton. Er steht in scharfem Kontrast zu der Aufgeregtheit vieler selbsterklärter Experten und populistischer Kriegsgewinnler der Krise.
Kommentar: Poschardts Artikel ist nicht lang. Ich empfehle Ihnen, ihn zu lesen. Er weist auf Selbstverständlichkeiten hin, die aber in der Diskussion dieser Tage oft übersehen werden: Die Kanzlerin tut mit Kompetenz und Standfestigkeit das, was sie tun kann, um ihrem Amtseid gerecht zu werden. Sie hat dafür Anerkennung verdient.
Der Euro und damit Europa befinden sich in einer außerordentlich schwierigen Lage. Nein, das ist ein Euphemismus: In der größten Krise seit dem Beginn der europäischen Einigung. Es ist eine komplexe Krise, die viele Ursachen hat. Eine Krise, die auf zahlreiche Fehlentscheidungen zurückgeht - von der deutschen Schuldenpolitik unter Schröder und seinem Finanzminister Eichel über die unverantwortliche Entscheidung, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen, bis hin zu der Weltfinanzkrise 2008/2009; diese letztere eine von den USA zu verantwortende Krise, deren Folgen noch keineswegs weggeräumt waren, als jetzt die Griechenland-Krise hinzukam.
Es ist eine Krise, in der es nicht nur um "die Finanzmärkte" oder "die Banken" geht, sondern auch um die politische Zukunft Europas, um die Sicherheit unserer Ersparnisse und nicht zuletzt um gesellschaftliche Stabilität. Die Kommunisten, die wieder einmal einen Zusammenbruch des Kapitalismus erwarten, scharren ja schon vernehmlich mit den Hufen (siehe "Das ist ein sehr klares linkes Programm". Sahra Wagenknecht vor dem Erfurter Parteitag. Massenlinie, Kaderlinie; ZR vom 20. 10. 2011).
Niemand hat ein Patentrezept für den Ausweg aus dieser prekären Situation. Eine schnelle Bewältigung kann es nicht geben; ob es überhaupt eine einigermaßen erträgliche Lösung gibt, weiß niemand.
In einer solchen Lage kann man von den Verantwortlichen in den Regierungen erwarten, daß sie die Gegebenheiten nüchtern analysieren und alles daransetzen, auf der Grundlage ihrer Analysen zu dem bestmöglichen - also dem am wenigsten schlechten - Ergebnis zu kommen. Daß sie (die Kanzlerin hat gestern darauf aufmerksam gemacht) vor allem die Risiken jeder der alternativen Optionen analysieren und dann im Bewußtsein des damit einzugehenden Risikos ihre Entscheidung treffen.
Das tut die deutsche Bundesregierung, das tut die Kanzlerin in vorbildlicher Weise. Wer die internationale Presse verfolgt, der weiß, daß das überall anerkannt, oft bewundert wird. Nur oft nicht in Deutschland selbst.
Man kann selbstverständlich zu anderen Beurteilungen der Lage kommen. In dem Zielkonflikt, den es in einer derart komplexen Krise immer gibt, kann man zu Haltungen gelangen, wie sie der CDU-Abgeordnete Bosbach und der FDP-Abgeordnete Schäffler vertreten. Gerade weil die Situation so komplex ist, wäre es vermessen, die Entscheidungen der Regierung für die einzig vertretbaren zu halten.
Positionen, die von der Beurteilung durch die Bundesregierung abweichen, verdienen ohne jeden Zweifel Respekt. Die Initiative Frank Schäfflers, in der FDP einen Mitgliederentscheid herbeizuführen, sehe ich schon deswegen positiv, weil derart wichtige Fragen an der Basis diskutiert und mitentschieden werden müssen (siehe Der "Rettungsschirm" ESM und der bemerkenswerte (bisher aber bei uns kaum beachtete) Rutte-Plan. Entscheiden die Mitglieder der FDP?; ZR vom 10. 9. 2011). Die Parteien dürfen ihre Funktion, als Scharnier zwischen den Bürgern und ihrer Regierung zu fungieren, nicht aufgeben.
Aber zu welcher Beurteilung man auch immer kommt - mehr, als daß sie aufgrund sorgfältiger Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet, kann man von einer Regierung nicht erwarten. Auch diejenigen, die sie jetzt kritisieren, würden möglicherweise ähnlich handeln, stünden sie selbst in der Verantwortung.
In einer Demokratie ist es nun freilich die Aufgabe der Opposition, auch dann die negativen Seiten, die Schwachpunkte von Regierungsentscheidungen zu kritisieren, wenn sie selbst, wäre sie an der Regierung, nicht anders handeln würde. So funktioniert nun einmal das parlamentarische System.
Gestern war das in der Rede Frank Steinmeiers zu spüren. Anders als die Demagogen Gysi und Trittin war Steinmeier in der Sache nüchtern und kooperativ. Wie aber sollte er seiner Rolle als Oppositionsführer gerecht werden? Er versuchte es, indem er vor allem rügte, daß die Regierung ihre Positionen wiederholt revidiert, daß sie über ihre Pläne nicht ausreichend vorab informiert habe und dergleichen. Mit anderen Worten, er beanstandete den Stil, ohne in der Substanz zu attackieren.
Während seiner Rede wurden einige Male kurze Aufnahmen der Kanzlerin dazwischengeschnitten. Sie wirkte vergnügt, fast amüsiert. Man ahnt, was sie gedacht haben dürfte: Lieber Frank Steinmeier, Sie und ich, wir kennen das politische Geschäft. Ich hatte keine Wahl, als die deutsche Haltung mehrfach zu ändern; als Antwort darauf, wie sich die Krise entwickelte. Sie haben jetzt keine andere Wahl, als mir das vorzuwerfen. Wenn alles vorerst ausgestanden ist, dann gehen wir gemeinsam ein Bier trinken.
In ihrer Regierungserklärung wählte Merkel einmal mehr den unpathetischen und sachlichen Ton. Er steht in scharfem Kontrast zu der Aufgeregtheit vieler selbsterklärter Experten und populistischer Kriegsgewinnler der Krise.
Ulf Poschardt gestern in einem Kommentar in "Welt-Online" zur Regierungserklärung der Kanzlerin.
Kommentar: Poschardts Artikel ist nicht lang. Ich empfehle Ihnen, ihn zu lesen. Er weist auf Selbstverständlichkeiten hin, die aber in der Diskussion dieser Tage oft übersehen werden: Die Kanzlerin tut mit Kompetenz und Standfestigkeit das, was sie tun kann, um ihrem Amtseid gerecht zu werden. Sie hat dafür Anerkennung verdient.
Der Euro und damit Europa befinden sich in einer außerordentlich schwierigen Lage. Nein, das ist ein Euphemismus: In der größten Krise seit dem Beginn der europäischen Einigung. Es ist eine komplexe Krise, die viele Ursachen hat. Eine Krise, die auf zahlreiche Fehlentscheidungen zurückgeht - von der deutschen Schuldenpolitik unter Schröder und seinem Finanzminister Eichel über die unverantwortliche Entscheidung, Griechenland in die Eurozone aufzunehmen, bis hin zu der Weltfinanzkrise 2008/2009; diese letztere eine von den USA zu verantwortende Krise, deren Folgen noch keineswegs weggeräumt waren, als jetzt die Griechenland-Krise hinzukam.
Es ist eine Krise, in der es nicht nur um "die Finanzmärkte" oder "die Banken" geht, sondern auch um die politische Zukunft Europas, um die Sicherheit unserer Ersparnisse und nicht zuletzt um gesellschaftliche Stabilität. Die Kommunisten, die wieder einmal einen Zusammenbruch des Kapitalismus erwarten, scharren ja schon vernehmlich mit den Hufen (siehe "Das ist ein sehr klares linkes Programm". Sahra Wagenknecht vor dem Erfurter Parteitag. Massenlinie, Kaderlinie; ZR vom 20. 10. 2011).
Niemand hat ein Patentrezept für den Ausweg aus dieser prekären Situation. Eine schnelle Bewältigung kann es nicht geben; ob es überhaupt eine einigermaßen erträgliche Lösung gibt, weiß niemand.
In einer solchen Lage kann man von den Verantwortlichen in den Regierungen erwarten, daß sie die Gegebenheiten nüchtern analysieren und alles daransetzen, auf der Grundlage ihrer Analysen zu dem bestmöglichen - also dem am wenigsten schlechten - Ergebnis zu kommen. Daß sie (die Kanzlerin hat gestern darauf aufmerksam gemacht) vor allem die Risiken jeder der alternativen Optionen analysieren und dann im Bewußtsein des damit einzugehenden Risikos ihre Entscheidung treffen.
Das tut die deutsche Bundesregierung, das tut die Kanzlerin in vorbildlicher Weise. Wer die internationale Presse verfolgt, der weiß, daß das überall anerkannt, oft bewundert wird. Nur oft nicht in Deutschland selbst.
Man kann selbstverständlich zu anderen Beurteilungen der Lage kommen. In dem Zielkonflikt, den es in einer derart komplexen Krise immer gibt, kann man zu Haltungen gelangen, wie sie der CDU-Abgeordnete Bosbach und der FDP-Abgeordnete Schäffler vertreten. Gerade weil die Situation so komplex ist, wäre es vermessen, die Entscheidungen der Regierung für die einzig vertretbaren zu halten.
Positionen, die von der Beurteilung durch die Bundesregierung abweichen, verdienen ohne jeden Zweifel Respekt. Die Initiative Frank Schäfflers, in der FDP einen Mitgliederentscheid herbeizuführen, sehe ich schon deswegen positiv, weil derart wichtige Fragen an der Basis diskutiert und mitentschieden werden müssen (siehe Der "Rettungsschirm" ESM und der bemerkenswerte (bisher aber bei uns kaum beachtete) Rutte-Plan. Entscheiden die Mitglieder der FDP?; ZR vom 10. 9. 2011). Die Parteien dürfen ihre Funktion, als Scharnier zwischen den Bürgern und ihrer Regierung zu fungieren, nicht aufgeben.
Aber zu welcher Beurteilung man auch immer kommt - mehr, als daß sie aufgrund sorgfältiger Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet, kann man von einer Regierung nicht erwarten. Auch diejenigen, die sie jetzt kritisieren, würden möglicherweise ähnlich handeln, stünden sie selbst in der Verantwortung.
In einer Demokratie ist es nun freilich die Aufgabe der Opposition, auch dann die negativen Seiten, die Schwachpunkte von Regierungsentscheidungen zu kritisieren, wenn sie selbst, wäre sie an der Regierung, nicht anders handeln würde. So funktioniert nun einmal das parlamentarische System.
Gestern war das in der Rede Frank Steinmeiers zu spüren. Anders als die Demagogen Gysi und Trittin war Steinmeier in der Sache nüchtern und kooperativ. Wie aber sollte er seiner Rolle als Oppositionsführer gerecht werden? Er versuchte es, indem er vor allem rügte, daß die Regierung ihre Positionen wiederholt revidiert, daß sie über ihre Pläne nicht ausreichend vorab informiert habe und dergleichen. Mit anderen Worten, er beanstandete den Stil, ohne in der Substanz zu attackieren.
Während seiner Rede wurden einige Male kurze Aufnahmen der Kanzlerin dazwischengeschnitten. Sie wirkte vergnügt, fast amüsiert. Man ahnt, was sie gedacht haben dürfte: Lieber Frank Steinmeier, Sie und ich, wir kennen das politische Geschäft. Ich hatte keine Wahl, als die deutsche Haltung mehrfach zu ändern; als Antwort darauf, wie sich die Krise entwickelte. Sie haben jetzt keine andere Wahl, als mir das vorzuwerfen. Wenn alles vorerst ausgestanden ist, dann gehen wir gemeinsam ein Bier trinken.
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