31. Oktober 2011

Zitat des Tages: "Mindestlöhne erreichen nicht das angestrebte Ziel"

Based on their comprehensive reading of the evidence, Neumark and Wascher argue that minimum wages do not achieve the main goals set forth by their supporters. They reduce employment opportunities for less-skilled workers and tend to reduce their earnings; they are not an effective means of reducing poverty; and they appear to have adverse longer-term effects on wages and earnings, in part by reducing the acquisition of human capital.

The authors argue that policymakers should instead look for other tools to raise the wages of low-skill workers and to provide poor families with an acceptable standard of living.


(Auf der Grundlage einer umfassenden Auswertung der Daten argumentieren Neumark und Wascher, daß Mindestlöhne im wesentlichen nicht die Ziele erreichen, die von ihren Befürwortern angestrebt werden. Sie vermindern die Beschäftigungschancen für weniger qualifizierte Arbeiter und tendieren dazu, deren Einkommen zu senken; sie sind kein effektives Mittel, Armut zu verringern; und es sieht danach aus, daß sie langfristig nachteilige Auswirkungen auf Löhne und Einkommen haben, zum Teil deshalb, weil sie die Einstellung von Mitarbeitern behindern.

Die Autoren argumentieren, daß die Politik stattdessen nach anderen Mitteln suchen sollte, die Löhne von schlecht qualifizierten Arbeitern zu erhöhen und armen Familien einen aktzeptablen Lebensstandard zu ermöglichen).
Die MIT Press in ihrer Ankündigung des Buchs "Minimum Wages" von David Neumark und William L. Wascher; erschienen im Dezember 2008.

Kommentar: Diese Folgerung aus einer Untersuchung, die als eine der besten zu diesem Thema gilt, deckt sich mit den Ergebnissen anderer Analysen. Die Wikipedia:
According to a 1978 article in the American Economic Review, 90 percent of the economists surveyed agreed that the minimum wage increases unemployment among low-skilled workers.

A 2000 survey by Dan Fuller and Doris Geide-Stevenson reports that of a sample of 308 American Economic Association economists, 45.6% fully agreed with the statement, "a minimum wage increases unemployment among young and unskilled workers", 27.9% agreed with provisos, and 26.5% disagreed. (...)

A similar survey in 2006 by Robert Whaples polled PhD members of the American Economic Association. Whaples found that 37.7% of respondents supported an increase in the minimum wage, 14.3% wanted it kept at the current level, 1.3% wanted it decreased, and 46.8% wanted it completely eliminated.

Laut einem Artikel von 1978 im American Economic Review teilten 90 Prozent der befragten Ökonomen die Meinung, daß der Mindestlohn die Arbeitslosigkeit bei den ungelernten Arbeitern erhöht.

Im Jahr 2000 berichteten Dan Fuller and Doris Geide-Stevenson in einem Überblicksartikel, daß von einer Stichprobe von 308 Ökonomen, die der American Economic Association angehörten, 45,6 Prozent der Aussage "Ein Mindestlohn erhöht die Arbeitslosigkeit von jungen und ungelernten Arbeitern" vollständig zustimmten. 27,9 Prozent stimmten eingeschränkt zu, und 26,5 Prozent stimmten nicht zu. (...)

In einer ähnlichen Untersuchung von Robert Whaples aus dem Jahr 2006 wurden die promovierten Mitglieder der American Economic Association befragt. Whaples fand, daß 37,7 Prozent derer, die antworteten, eine Erhöhung des Mindeslohns befürworteten, 14,3 ihn unverändert lassen wollten, 1,3 Prozent ihn senken und 46,8 Prozent ihn völlig abschaffen wollten.



Auch wenn man - wie ich - kein Ökonom ist, kann man die Logik hinter diesen Urteilen der Fachleute verstehen: Wenn etwas künstlich verteuert wird, also ein höherer Preis als der Marktpreis erzwungen wird, dann sinkt die Nachfrage. Weniger Arbeitgeber wollen Mitarbeiter zu einem Lohn einstellen, der sich für sie nicht mehr rechnet.

Mindestlöhne führen damit schlicht dazu, daß die unteren, künstlich durch Eingriff des Staats verteuerten Lohngruppen wegrationalisiert werden.

Hinzu kommt ein Verdrängungswettbewerb: Wenn der Arbeitgeber gezwungen wird, dem schlecht Qualifizierten annähernd so viel zu bezahlen wie dem besser Qualifzierten, dann wird er diesen Letzteren vorziehen. Was als Hilfe für die schlecht Qualifizierten gedacht ist, schadet diesen in Wahrheit.

Es ist so, als würde der Staat vorschreiben, daß jeder Laptop mindestens 599 Euro kosten muß. Bisher konnte man die billigsten für vielleicht 299 Euro kaufen. Wenn die bisher billigen Laptops jetzt künstlich verteuert werden, dann kauft man natürlich nicht mehr sie, sondern die besseren, die auch zuvor schon 599 Euro gekostet hatten.



Ich habe aus einer Standard-Untersuchung aus den USA zitiert. Vielleicht glauben Sie ihr nicht, weil sie eben aus den USA kommt. Vielleicht haben Sie von der "Prognos"-Untersuchung gelesen, die derzeit gern zitiert wird. Nur hat sie die Frage der Beschäftigungswirkung eines Mindestlohns überhaupt nicht untersucht.

Vielleicht habe Sie aber mehr Vertrauen zum deutschen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirt-schaftlichen Entwicklung, gern die "Fünf Weisen" genannt? Er befaßte sich in seinem Jahresgutachten 2006/2007 ausführlich mit dem Thema Mindestlöhne. Das Fazit:
Zu den empirisch beobachteten Beschäftigungs-wirkungen eines Mindestlohns existiert ... eine umfängliche Literatur. Angestoßen durch einige einflussreiche Untersuchungen für Teilarbeitsmärkte in den Vereinigten Staaten entstand eine sich über mehrere Jahre hinziehende, intensiv geführte Auseinandersetzung, als deren Ergebnis sich ein differenzierteres Bild der Beschäftigungswirkungen von Mindestlöhnen herausschält.

In internationalen Querschnittstudien weisen Mindestlöhne in der Regel negative Beschäftigungs-effekte auf, wenn auch bisweilen erst bei Berücksichtigung der Wechselwirkung mit anderen Faktoren wie der Abgabenbelastung. In Fallstudien für die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich lassen sich für die jüngere Vergangenheit unzweifelhaft negative Beschäftigungseffekte von Mindestlöhnen nicht mehr nachweisen. Für Frankreich ermitteln verschiedene Studien übereinstimmend Arbeitsplatz-verluste aufgrund des dortigen Mindestlohns und seiner Erhöhungen, vor allem für Frauen und gering qualifizierte jugendliche Arbeitnehmer.

Die häufig angeführten uneinheitlichen Befunde in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich sind angesichts der dort vorliegenden größeren Flexibilität des Arbeitsmarkts und der geringeren Abgaben-belastung im Niedriglohnbereich für den deutschen Arbeitsmarkt deutlich weniger aussagekräftig als die empirisch ebenso robusten in Frankreich beobachteten Beschäftigungsverluste, ein Land, das hinsichtlich seiner institutionellen Regelungen wesentlich besser als die beiden angelsächsischen Volkswirtschaften mit Deutschland vergleichbar ist. (S. 406).



Die Union und die FDP, in denen es ja durchaus ökonomischen Sachverstand gibt, haben aus diesen Gründen einen flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland bisher strikt abgelehnt. Jetzt scheint jedenfalls die Union ihre Position revidieren zu wollen.

Die Daten haben sich nicht geändert. Die ökonimische Logik hat sich nicht geändert. Der Mindestlohn ist heute so sehr die pure Unvernunft, wie er das vor fünf Jahren war, als der Sachverständigenrat sein Gutachten anfertigte.

Nach der Entscheidung über den "Ausstieg" aus der Atomenergie ist die Bundesregierung, wie es scheint, im Begriff, erneut aus einer populistischen Taktik heraus eine unvernünftige Entscheidung zu treffen. Wider besseres Wissen.

Daß ihr dieser erneute Schwenk - sollte dies denn die Absicht sein - einen Zuwachs an Stimmen bringt, erscheint unwahrscheinlich. Wenn es um Eingriffe in den freien Markt geht, dann sind die Sozialdemokraten noch allemal die besseren Etatisten; und der Wähler weiß das.
Zettel



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