28. März 2010

Zitat des Tages: "Der Entwurf enthält verfassungsrechtlichen Sprengstoff ohnegleichen". Die Partei "Die Linke" bedroht das Grundgesetz

Das Zitat des Tages fällt heute, mit Erlaubnis des zu zitierenden Autors, länger aus als üblich. Ich zitiere ausführlich, weil es auf die Einzelheiten ankommt; und jede davon sollte man zur Kenntnis nehmen:

Der Entwurf des Programms der Partei "Die Linke" hat erstaunlich wenig Resonanz in der Öffentlichkeit gefunden. (...) Dabei enthält der Entwurf verfassungsrechtlichen Sprengstoff ohnegleichen, denn insgesamt würde die Umsetzung auf eine DDR-Verfassung hinauslaufen – eine Verfassung ohne Wert. An vier zentralen Punkten könnte der Entwurf nur durch eine Änderung unseres Grundgesetzes durchgesetzt werden und auch dies nur durch Eingriffe in den Wesensgehalt der Normen, der durch Art. 19 Abs. 2 GG gesichert ist:
  • Räterepublik (S. 13: "Ergänzung der Parlamente durch runde Tische oder Wirtschafts- und Sozialräte auf allen Ebenen"): Verstoß gegen Gewaltentrennung Art. 20 Abs. 2 GG sowie gegen Verbot des imperativen Mandats nach Art. 38 Abs 2. S. 2

  • Politische Streiks (S. 15: "mit zivilem Ungehorsam, aber auch mit Mitteln politischer Streiks und des Generalstreiks"): Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG, der Streiks nur zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erlaubt, und Art. 20 Abs. 1, 2 GG (Demokratieprinzip)

  • Kontrolle der Massenmedien (S. 18: "demokratische Kontrolle und Mitbestimmung in […] den Massenmedien"): Verstoß gegen die institutionelle Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, soweit es Printmedien anbelangt und gegen das Gebot der Staatsferne des Rundfunks aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG

  • Enteignung von Großbetrieben (S. 12: "Strukturbestimmende Großbetriebe der Wirtschaft wollen wir in demokratische gesellschaftliche Eigentumsformen überführen und kapitalistisches Eigentum überwinden"): Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wegen Missachtung des Verhältnismäßigkeits-gebots
  • Kein Zweifel: Die Pläne der Partei "Die Linke" verwenden das Wort "demokratisch" geradezu inflationär. Gemeint damit ist jedoch "volksdemokratisch".


    Boris Eichler in "Denken für die Freiheit" über den Programmentwurf der Partei "Die Linke". "Denken für die Freiheit" ist der Blog des Liberalen Instituts, einer Einrichtung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.


    Kommentar: Den Entwurf, dessen Kerngedanken ich aufgrund eines Vorab-Berichts in der "Süddeutschen Zeitung" bereits am vorvergangenen Freitag kommentiert hatte, kann man inzwischen im Wortlaut nachlesen. Ich empfehle Ihnen, das zu tun; es kritisch im Hinblick auf das zu tun, was Boris Eichler zur Konformität mit dem Grundgesetz geschrieben hat.

    Eichler weist darauf hin, daß das Programm in der Öffentlichkeit nur eine geringe Resonanz gefunden hat. In der Tat: Berichtet wurde, daß die Partei es vorgelegt hat; auch darüber, daß sich darin Positionen Oskar Lafontaines und von Sahra Wagenknecht durchgesetzt hätten. Aber was die Partei, deren Programmkommission diesen Entwurf zu Papier gebracht hat, damit eigentlich politisch will, wurde kaum thematisiert.

    Dabei ist die Antwort so, daß sie doch eigentlich eine heftige Debatte hätte auslösen müssen: Diese Partei will eingestandenermaßen eine andere Gesellschaft und eine andere politische und wirtschaftliche Ordnung. Sie bedroht offen unsere Freiheit und die rechtsstaatlichen Grundsätze des GG.

    Ich hatte nicht erwartet, daß "Die Linke" schon jetzt ihre kommunistischen Ziele so unverhohlen darlegen würde. Daß sie es tut, zeigt, daß sie sich - jedenfalls aus Sicht ihrer Programmkommission - stark genug gefühlt, die Tarnung, die sie nach 1989 als erforderlich angesehen hatte, weitgehend fallen zu lassen.

    Die Partei, die noch bei den Bundestagswahlen 2002 mit 4,0 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde deutlich verfehlt hatte und die damals auf dem Weg zur Splitterpartei zu sein schien, hat sich inzwischen bei mehr als 10 Prozent etabliert. Sie ist damit in einer strategischen Position, die es der SPD zunehmend schwer macht, noch ohne ihre Unterstützung zu regieren.

    Man hat sich mit einem Grundsatzprogramm zwanzig Jahre Zeit gelassen. Jetzt hatte man die - offenbar richtige - Einschätzung, daß das Entsetzen über den real existierenden Sozialismus inzwischen so weit abgeklungen ist und daß das "Kräfteverhältnis" sich so günstig entwickelt hat, daß man den nächsten Anlauf ankündigen kann.

    Die innerparteilichen Reaktionen zeigen, daß viele Genossen die strategische Situation anders einschätzen als die Kommission; daß sie lieber nur die Schnurrhaare der Katze aus dem Sack hätten gucken lassen, statt gleich die ganze Katze. Gut möglich, daß sie - um die Metapher zu wechseln - ein wenig Wasser in das etwas scharf ausgefallene Gebräu gießen werden, bis aus dem Entwurf ein gültiges Programm wird.

    Aber kein einziger dieser Kritiker hat bisher öffentlich gesagt, daß er das Ziel des Programmentwurfs nicht teilt; das Ziel, das (S. 11) so beschrieben wird:
    Demokratischer Sozialismus (...) zielt auf grundlegende Veränderungen der herrschenden Eigentums-, Verfügungs- und Machtverhältnisse. Er verbindet Protest und Widerstand, den Einsatz für soziale Verbesserungen und linke Reformprojekte unter den gegebenen Verhältnissen und die Überschreitung der Grenzen des Kapitalismus zu einem großen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung, der das 21. Jahrhundert bestimmen wird.

    DIE LINKE kämpft in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein.



    Wenn die personelle Zusammensetzung von Delegationen kritisiert wird, die einen Minister begleitet haben, dann beschäftigt das in dieser heutigen Bundesrepublik wochenlang die Öffentlichkeit. Wenn eine Partei - immerhin gegenwärtig Regierungspartei in zwei Bundesländern, bald vielleicht in einem dritten - offen ankündigt, daß sie die Axt an das Grundgesetz zu legen gedenkt, sobald sie die Macht dazu hat, dann wird das mit einem Achselzucken quittiert.

    Wir sind manchmal schon drollig, wir Deutschen.



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