29. März 2010

Deutschlandfonds in Nöten

Voriges Jahr im März wurde von der Bun­des­regierung zur Über­windung der Kredit­klemme, in der sich die Real­wirt­schaft be­funden habe, ein "Wirt­schafts­fonds Deutsch­land" ein­ge­richtet, der 40 Mrd. Euro für Kredite und 75 Mrd. Euro für Bürg­schaften umfaßt. Firmen, die vor Sommer 2008 noch nicht in Finanz­not waren, danach aber hinein­gerieten, können bis Ende 2010 Kredite oder Bürg­schaften bean­tragen, sofern sie über ein "trag­fähiges Kon­zept" verfügen.

Dieser Fonds wurde kürzlich "evaluiert", und zwar vom Bundes­ministerium für Wirt­schaft und Tech­no­logie "in Form einer On­line-Um­frage bei Kredit­instituten, Hand­werks­kammern und In­dustrie- und Handels­kammern".

Heraus kam dabei nach den Worten des Ministers Brüder­le fol­gendes:
Bürg­schaften der Bürg­schafts­banken sind für viele kleine und mittel­ständische Unter­nehmen in der Krise oft das ein­zige Instru­ment, um über­haupt einen Kredit zu er­halten. Nicht um­sonst halten 90 Pro­zent der be­fragten Kammern und Kredit­institute das ak­tuelle An­gebot der Bürg­schafts­banken für 'wichtig' bis 'sehr wichtig'. Ein Jahr nach Ein­richtung des Wirt­schafts­fonds Deutsch­land zeigt unsere Eva­luierung bei den Bürg­schafts­banken, dass die Instru­mente genau auf die Finan­zierungs­nöte des Mittel­stands aus­gerichtet sind.
Ja, und zwar derart präzise, daß ledig­lich 48% des be­willigten Volumens an Groß­betriebe ge­gangen sind! (BWMi.)

Gefördert wurden bis Ende Feb­ruar knapp 12000 Firmen, also etwa jedes drei­hundert­ste der drei­ein­halb Millionen Unter­nehmen in Deutsch­land.

Ins­gesamt wurden 10,9 Mrd. Euro bewilligt, davon 6,4 Mrd. Kredite und 4,5 Mrd. Bürg­schaften: das sind erst 16% des Kredit- und 6% des Bürg­schafts­volumens. (BMWi.) Wenn es so weiter­geht, wird der Topf bis Ende des Jahres nicht leer.

Um so besser, könnte man meinen. An­gesichts einer be­ginnenden Wirt­schafts­erholung for­derte schon im No­vember Thomas Straub­haar vom Ham­burgi­schen Welt-Wirt­schafts­institut:
Je früher man den Deutsch­land­fonds einstellt, desto besser. Man sollte noch die Zu­sagen ab­arbeiten, die man ge­macht hat, und das Unter­fangen dann ein­stellen.
Das sieht das Ministerium aber ganz anders:
Auch hat die Eva­luierung ge­zeigt, dass das Po­tenzial des Bürg­schafts­instru­ments bei weitem noch nicht aus­geschöpft ist. Des­halb soll zum einen die Be­kannt­heit des Instru­ments ge­steigert werden. Zum an­deren sollen die Pro­zesse bei der Be­antragung und Ver­gabe von Bürg­schaften auf den Prüf­stand kommen.
Anscheinend gibt es einen Investions­streik des Mittel­standes, der zu einer Nach­frage­klemme bei den Deutsch­land­fonds-Bürg­schaften ge­führt hat, die jetzt auf­gelöst werden muß. Viel­leicht sollte man einen deut­lichen Auf­ruf an die Unter­nehmen richten.
Liebe mittel­ständische Unter­nehmen!

Begebt Euch bitte dieses Jahr noch in eine finan­zielle Schief­lage, es stehen un­genutzte Kredite und Bürg­schaften im Um­fang von 100 Milliar­den Euro zur Ver­fügung.
Vielleicht er­barmen sie sich ja dann des Staats­geldes und nehmen es.

In der heutigen Bild­zeitung steht indessen ein Interview mit Brüder­le, in welchem er noch eine ganz andere Per­spektive entwickelt:
BILD: Die Mittel aus dem Deutsch­land­fonds für Unter­nehmen, die durch die Finanz­krise in Not gerieten, werden kaum ab­gerufen. Was machen Sie mit den über­schüssigen Milliar­den?

Brüderle: Wir haben zur Über­windung der Krise 115 Milliar­den für Bürg­schaften und Kre­dite zur Ver­fügung gestellt. Da­von sind im Mo­ment etwas über 11 Milliar­den ge­nutzt wor­den. Wir sollten über­legen, nach der Wirt­schafts­krise stärker Mittel zur För­derung von jungen, inno­vati­ven Unter­nehmen zu nutzen. Da brauchen wir noch Spiel­raum, auch wenn es in der Wirt­schaft wieder et­was besser läuft.
Brüderle sieht offen­bar voraus, daß die Werbe­trommel nicht viel bringen wird und ein Haufen Geld übrig­bleibt, das man nächstes Jahr irgend­wie durch­bringen muß. Und Inno­vationen zu för­dern liegt doch ganz auf der Linie li­beralen Wirt­schafts­denkens, denn Libe­rale mögen ja Neuer­ungen, nicht wahr?



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