5. März 2010

Zitat des Tages: Der angebliche "Tiefpunkt für Schwarz-Gelb" und die tatsächlichen Umfragedaten

ARD-Deutschlandtrend - Drei Viertel der Deutschen sind unzufrieden mit Merkels Team - Neuer Umfrage-Tiefpunkt für Schwarz-Gelb

Überschrift und erster Satz eines Artikels, in dem "Spiegel-Online" derzeit über die aktuelle Umfrage von Infratest dimap für die ARD ("Deutschlandtrend") berichtet.


Kommentar: Wie der vorgebliche "Umfrage-Tiefpunkt" aussieht, das können Sie dieser Grafik entnehmen: Die Union liegt unverändert bei 36 Prozent; die FDP hat gegenüber dem Februar um zwei Prozentpunkte auf 10 Prozent zugenommen. Die SPD und die Grünen haben je einen Prozentpunkt verloren.

Wie man sieht, ein Tiefpunkt für die Regierungsparteien.

Wie bringt "Spiegel-Online" es fertig, einen Zugewinn als Tiefpunkt zu verkaufen? Statt wie üblich die Entwicklung der Antworten auf die "Sonntagsfrage" als das wichtigste Ergebnis zu melden, schiebt man einfach eine andere Frage nach vorn, nämlich die nach der Zufriedenheit mit der Regierung.

Die ARD selbst ist freilich nicht viel objektiver. Auch sie meldet in der Überschrift zu dem betreffenden Artikel nicht das Wiedererstarken der FDP, sondern sie titelt "Rüttgers und Westerwelle im Sinkflug". Immerhin findet man dann im vierten Satz des Beitrags - verfaßt von Jörg Schönbohm - eine halbwegs zutreffende Zusammenfassung:
Westerwelle hat den Sinkflug der FDP erfolgreich gestoppt und die Partei in der Sonntagsfrage bei zehn Prozent stabilisiert. Der Preis dafür ist allerdings nicht nur ein erheblicher Image-Schaden für den Außenminister, dessen persönliche Werte erneut sinken. Auch in ihren Bemühungen, der Partei den Anstrich der "sozialen Kälte" zu nehmen und sie für die schwächer gestellten Menschen zu öffnen, ist die FDP zurückgeworfen worden.
Tendenziös ist daran das Wort "stabilisiert"; denn es suggeriert, daß auf niedrigem Niveau ein dauerhafter Wert erreicht worden sei. Tatsächlich aber hat sich die FDP eben nicht stabilisiert, sondern sie hat zugenommen. Ob damit ein Plateau erreicht ist, oder ob das der Beginn eines Aufwärtstrends ist, kann man den Daten nicht ansehen.

Ansonsten hat Schönbohm (leider) Recht: Das Kamikaze-Unternehmen von Guido Westerwelle hat zu dem Ergebnis geführt, das absehbar gewesen war; siehe Westerwelles riskante Taktik; ZR vom 16. 2. 2010:

Es hat ein Strohfeuer entfacht; die FDP liegt statt bei 8 jetzt wieder bei 10 Prozent. Insofern mag das taktische Ziel erreicht sein, wenn denn das Feuer nicht bis zu den Landtagswahlen in NRW am 8. Mai wieder verglommen sein wird. Strategisch aber hat diese Aktion die FDP zurückgeworfen. Eine Verbreiterung ihrer Wählerbasis wird sie so nicht erreichen.



Interessant sind zwei Einzelergebnisse der Umfrage:

Der Zuwachs der FDP gegenüber den Februarwerten kommt ausschließlich aus dem Westen, wo er 3 Prozentpunkte beträgt (von 8 auf 11 Prozent); im Osten dagegen stagniert die FDP bei 7 Prozent. Ob das am Stil von Westerwelles momentaner Aktion liegt, der vielen im Osten zu westlich-grell erscheinen mag, oder ob seine inhaltliche Botschaft im Osten nicht ankommt, ist schwer zu sagen. Es ist auch zu bedenken, daß sich solche Unterschiede in einer Größenordnung bewegen, in der auch Zufallseffekte nicht unwahrscheinlich sind.

Zweiter bemerkenswerter Befund: Was den "Ausstieg aus der Atomenergie" angeht, der jahrelang eine breite Mehrheit in der Bevölkerung gehabt hatte, wird er jetzt nur noch von den Anhängern der Oppositionsparteien eindeutig bejaht (Grüne 91 Prozent, SPD 72 Prozent und Linke 71 Prozent).

Bei den Anhängern der Regierungsparteien halten sich hingegen Zustimmung und Ablehnung mittlerweile ungefähr die Waage. Von den Anhängern der FDP sind 51 Prozent für einen Ausstieg bis 2021 und 47 Prozent dagegen. Bei den Anhängern der Union kehrt sich das Bild sogar um: Nur noch 47 Prozent sind für, aber 52 Prozent gegen einen Ausstieg bis zu diesem Zeitpunkt.

Auch das sollte der FDP zu denken geben. Eine moderne Industriepolitik müßte eines der Felder sein, auf denen sie sich (weiter) profiliert; auch und gerade gegenüber der Union. Die jetzige Konzentration der FDP auf Soziales mag vorübergehend die Zustimmung erhöhen und Anhänger mobilisieren; in der langfristigen Strategie aber ist das zu wenig, um sich dauerhaft in der Höhe des Ergebnisses zu etablieren, das bei den Bundestagswahlen erreicht worden war - oder dieses vielleicht eines Tages sogar zu übertreffen.



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