Über den Ausgang der gestrigen Regionalwahlen erfahren wir gegenwärtig zum Beispiel dies: "Schlappe für Sarkozy" (so titelt "süddeutsche.de"); "Der Präsident wird abgestraft" ("Spiegel-Online"); "Debakel für Nicolas Sarkozy bei Regionalwahlen" ("Welt-Online") oder "Denkzettel für die Regierung von Sarkozy" ("tagesschau.de").
Daran ist richtig, daß nach den ersten Hochrechnungen und den Endergebnissen aus einigen Regionen die konservative Regierungspartei UMP deutlich schlechter abgeschnitten hat als bei den letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Jahr 2007.
Damals erhielt sie im ersten Wahlgang 39,5 Prozent. Jetzt werden ihr für den gestrigen ersten Wahlgang 27 Prozent vorhergesagt. Die Sozialisten hatten bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2007 24,7 Prozent erreicht und dürften nach den Hochrechnungen jetzt bei ungefähr 29 bis 30 Prozent liegen.
Insofern hat die UMP in der Tat schlecht abgeschnitten. Aber dieses Ergebnis relativiert sich, wenn man man einige Tatsachen berücksichtigt:
Noch einige Bemerkungen zu den französischen Regionen:
Das europäische Frankreich (France métropolitaine) ist in 22 Regionen aufgeteilt, die zum Teil historischen Provinzen wie Bretagne, Auvergne und Aquitaine entsprechen. In ihnen ist jeweils eine Reihe von Départements zusammengefaßt, die aber von Paris aus verwaltet werden (an ihrer Spitze steht jeweils der von Paris ernannte Präfekt).
Die Regionen sind im Zentralstaat Frankreich eigentlich ein systemfremdes Element.
Die jetzigen Regionen sind aus Wirtschafts- und Verwaltungsräumen hervorgegangen, ähnlich dem deutschen Regionalverband Ruhr. Als politische Einheiten wurden sie erst in den achtziger Jahren eingerichtet; die ersten Regionalwahlen fanden 1986 statt.
Die Kompetenzen der Regionen sind aber auch nach dieser Reform (der "Regionalisierung") nicht mit denen unserer Bundesländer vergleichbar. Sie liegen hauptsächlich im Bereich des Schulwesens (nur dort unterstehen Beamte der Regionalbehörde), der Infrastruktur und der Förderung der Wirtschaft. Die Regionen haben keine eigene Gesetzgebungs-Kompetenz und sind finanziell weitgehend von Paris abhängig.
Sie sind also einerseits in ihrem Handlungsspielraum durch die nationalen Gesetze und die Mittelzuweisungen aus Paris eingeschränkt, andererseits dadurch, daß die nächstuntere Verwaltungseinheit, die Départements, nicht von ihnen kontrolliert wird, sondern von Paris aus.
Auch vor diesem Hintergrund muß das Ergebnis der Regionalwahlen relativiert werden. Es ist wichtig als Indikator der Stimmung in Frankreich; an den Machtverhältnissen ändert es faktisch nichts, wie immer es aussehen wird.
Daran ist richtig, daß nach den ersten Hochrechnungen und den Endergebnissen aus einigen Regionen die konservative Regierungspartei UMP deutlich schlechter abgeschnitten hat als bei den letzten Wahlen zur Nationalversammlung im Jahr 2007.
Damals erhielt sie im ersten Wahlgang 39,5 Prozent. Jetzt werden ihr für den gestrigen ersten Wahlgang 27 Prozent vorhergesagt. Die Sozialisten hatten bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2007 24,7 Prozent erreicht und dürften nach den Hochrechnungen jetzt bei ungefähr 29 bis 30 Prozent liegen.
Insofern hat die UMP in der Tat schlecht abgeschnitten. Aber dieses Ergebnis relativiert sich, wenn man man einige Tatsachen berücksichtigt:
Die Wahlen zur Nationalversammlung 2007 fanden kurz nach dem Wahlsieg Sarkozys bei den Präsidentschaftswahlen statt. Traditionell gewähren die Franzosen dem erstmals siegreichen Präsidenten seine Mehrheit. Bei den vorausgehenden Wahlen 2002 hatte die UMP nur 33,3 Prozent erreicht. Wie in Deutschland üblich, sollte man eine Wahl mit der vorausgehenden Wahl zum selben Gremium bzw. denselben Gremien vergleichen; die jetzigen Wahlen also mit dem Ergebnis der Regionalwahlen von 2004. Damals waren die Sozialisten und ihre Verbündeten im ersten Wahlgang auf 39,1 Prozent gekommen, die UMP und ihre Verbündeten auf 33,7 Prozent.
Der Abstand zugunsten der Linken war damals also deutlich größer als jetzt, wo er nur zwei bis drei Prozentpunkte beträgt. Allerdings waren die Grünen damals mit den Sozialisten verbündet, während sie jetzt mit eigenen Listen antraten, und auf der Rechten gab es ebenfalls ein Wahlbündnis.
Im zweiten Wahlgang erreichten damals die Sozialisten und ihre Verbündeten 59,9 Prozent aller Sitze und die UMP mit ihren Verbündeten nur 27,8 Prozent. Mit Ausnahme des Elsaß und von Korsika wurden seither, also bis zu den jetzigen Wahlen, alle Regionen Frankreichs rot regiert.
Es spricht viel dafür, daß dieses Debakel für die Rechte sich nicht wiederholen wird. Im Augenblick liegt in 8 der 22 Regionen des europäischen Frankreich (also ohne die Übersee-Départements) Sarkozys UMP vor den Sozialisten (Île-de-France, Rhône-Alpes, Korsika, Auvergne, Franche-Comté, Champagne-Ardennes, Centre und Elsaß). Das gilt allerdings nur für den jetzigen ersten Wahlgang.Was uns zu dem dritten Punkt bringt: Es wird in zwei Wahlgängen gewählt. Das Wahlverfahren ist kompliziert, läuft aber darauf hinaus, daß erst der zweite Wahlgang der entscheidende ist:
Erhält im ersten Wahlgang eine Liste die absolute Mehrheit der Stimmen, dann wird ihr ein Bonus von einem Viertel der Sitze gewährt (prime majoritaire); der Rest wird proportional auf alle Listen verteilt, die mindestens 5 Prozent erreichen. Das kommt faktisch selten vor. In der Regel ist ein zweiter Wahlgang erforderlich, in dem Listenverbindungen erlaubt sind und in den nur diejenigen Listen einziehen, die im ersten Wahlgang mindestens 10 Prozent erreicht haben. Auch hier erhält die siegreiche Liste oder Listenverbindung (jetzt diejenige mit der relativen Mehrheit) einen Bonus von einem Viertel der Sitze, und der Rest wird proportional aufgeteilt.
Gestern wurde somit noch gar nichts entschieden. Ausgesprochen stark schnitten die Grünen mit rund 13 Prozent und die Rechtsextremen (der Front National von Le Pen) mit rund 12 Prozent ab. Wie sie und die kleineren Parteien (die Linksextremen und das liberale MoDem von Bayrou) sich verhalten, wird also für den endgültigen Wahlausgang eine wesentliche Rolle spielen.
Die Grünen sind in Frankreich keineswegs durchweg links. Ihre Entscheidung in Bezug auf etwaige Listenverbindungen dürfte in vielen Regionen für den Ausgang kritisch sein. Die Rechtsextremen werden sehr wahrscheinlich, wie bisher stets, keine Verbindungen mit anderen Listen eingehen (diese würden ihnen auch von niemandem angeboten werden); wie sich das MoDem, das schlecht abgeschnitten hat, und wie sich die Linksextremen entscheiden, ist offen.
Im für die Linke günstigsten Fall kann sie im zweiten Wahlgang einen so großen Sieg erringen wie 2004. Aber noch ist das keineswegs sicher.
Noch einige Bemerkungen zu den französischen Regionen:
Das europäische Frankreich (France métropolitaine) ist in 22 Regionen aufgeteilt, die zum Teil historischen Provinzen wie Bretagne, Auvergne und Aquitaine entsprechen. In ihnen ist jeweils eine Reihe von Départements zusammengefaßt, die aber von Paris aus verwaltet werden (an ihrer Spitze steht jeweils der von Paris ernannte Präfekt).
Die Regionen sind im Zentralstaat Frankreich eigentlich ein systemfremdes Element.
Die jetzigen Regionen sind aus Wirtschafts- und Verwaltungsräumen hervorgegangen, ähnlich dem deutschen Regionalverband Ruhr. Als politische Einheiten wurden sie erst in den achtziger Jahren eingerichtet; die ersten Regionalwahlen fanden 1986 statt.
Die Kompetenzen der Regionen sind aber auch nach dieser Reform (der "Regionalisierung") nicht mit denen unserer Bundesländer vergleichbar. Sie liegen hauptsächlich im Bereich des Schulwesens (nur dort unterstehen Beamte der Regionalbehörde), der Infrastruktur und der Förderung der Wirtschaft. Die Regionen haben keine eigene Gesetzgebungs-Kompetenz und sind finanziell weitgehend von Paris abhängig.
Sie sind also einerseits in ihrem Handlungsspielraum durch die nationalen Gesetze und die Mittelzuweisungen aus Paris eingeschränkt, andererseits dadurch, daß die nächstuntere Verwaltungseinheit, die Départements, nicht von ihnen kontrolliert wird, sondern von Paris aus.
Auch vor diesem Hintergrund muß das Ergebnis der Regionalwahlen relativiert werden. Es ist wichtig als Indikator der Stimmung in Frankreich; an den Machtverhältnissen ändert es faktisch nichts, wie immer es aussehen wird.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie findet man hier. Titelvignette: Eugène Delacroix, La Liberté guidant le peuple (1830); Ausschnitt.