Auch in der Wissenschaft gibt es so etwas wie Spekulationsblasen. Bestimmte Theorien, auch manchmal bestimmte methodische Verfahren, können lange vor sich hinkümmern wie unterbewertete Aktien - und dann haben sie plötzlich Konjunktur.
Hat ein solcher Ansatz Konjunktur, dann setzt ein Mechanismus ein, wie wir ihn von Spekulationsblasen an der Börse kennen: Es gibt eine positive Rückkopplung. Je mehr der Ansatz gilt, umso mehr Forscher übernehmen ihn. Umso mehr Drittmittel fließen in die betreffende Forschung. Umso mehr wird dort publiziert. Umso mehr wächst die Reputation des betreffendes Ansatzes. Noch mehr Forscher übernehmen ihn; und so weiter und so weiter.
Wenn es ein guter, ein wissenschaftlich sehr fruchtbarer Ansatz ist, dann kann das einen großen Erkenntnisschub bringen; ein Beispiel ist die gegenwärtige Hochkonjunktur der Hirnforschung mit bildgebenden Verfahren (siehe den Artikel über die Fortschritte der Hirnforschung; ZR vom 10. 7. 2009).
Aber eine Konjunktur kann sich überhitzen. Wenn eine Theorie dominierend wird, dann wird es immer schwieriger, sie noch zu kritisieren. Je mehr Forscher in ein durch einen bestimmten Ansatz geprägtes Forschungsgebiet einsteigen, umso mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, daß sich auch schlecht qualifizierte unter ihnen finden; Menschen, die aus Gründen ihrer Karriere auf einen fahrenden Zug aufspringen.
Im Extremfall kann dadurch aus einem Forschungsgebiet so etwas wie eine Religionsgemeinschaft werden. Man hat gemeinsame Überzeugungen. Statt ergebnisoffen zu forschen, sucht man nach Bestätigungen für diese Überzeugungen. Kritik wird nicht, wie es in der Wissenschaft üblich ist, als hilfreiche Anregung aufgenommen, sondern man sieht sie als Ketzerei; als Angriff auf den Glauben.
Am Ende gibt es eine Spekulationsblase nicht nur im Sinn der Analogie zur Börse, sondern Spekulation - also die kühne wissenschaftliche Vermutung - wird, wenn sie nur zum Glauben paßt, schon für belegtes Wissen gehalten. Das ist, so wird allmählich deutlich, der Weg, den die Klimaforschung in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Bedingt nicht nur durch diese innerwissenschaftlichen Mechanismen, sondern auch dadurch, daß sie von Ideologen, Apokalyptikern und Demagogen vereinnahmt, von ihnen freilich auch großzügig alimentiert wurde.
Jetzt sieht es aus, als könne die Spekulationsblase platzen. In einem bemerkenswerten Artikel befassen sich im gedruckten "Spiegel" dieser Woche (Heft 13/2010 vom 29. 3. 2010; S. 140 - 149; auch in "Spiegel-Online" zu lesen) die Redakteure des Ressorts "Wissenschaft und Technik" Marco Evers, Olaf Stampf und Gerald Traufetter mit dem aktuellen Stand der Klimaforschung. Kernsätze:
Daß die Forscher, die zu den Berichten des IPCC beitragen, überwiegend seriöse Wissenschaftler und weder Stümper noch Scharlatane sind, zeigt ein Blick auf diese WebSite der Universität Harvard. Dort findet man nicht nur die Beiträge zum aktuellen Bericht IPCC Fourth Assessment Report, sondern auch die verschiedenen Fassungen und die Kommentare der jeweiligen Gutachter. Man kann also - selten in jeder Wissenschaft - den Redaktionsprozeß direkt verfolgen.
Es gibt in dem Bericht die Fehler und Schlampereien, die der "Spiegel" jetzt auflistet und die auch den Lesern von ZR schon vertraut sind ("Spiegel" 13/2010; S. 141 und Ein SUV mit 502 km/h und die Qualität der Klimaforschung; ZR vom 24. 1. 2010). Es gibt eben alles das, was die Folge einer überhitzten Forschungs-Konjunktur ist. Aber es gibt auch solide Wissenschaft.
Solide Wissenschaft ist sich ihrer Grenzen bewußt. Solide Wissenschaftler sind sich immer im Klaren darüber, daß sie Unrecht haben können, und respektieren schon deshalb Kritiker, statt sie abzukanzlen wie das Umwelt-Bundesamt (Umwelt-Bundesamt: Propaganda statt Wissenschaft; ZR vom 24. 3. 2007) oder wie der Ozeanograph Stefan Rahmstorf (Diskussionen über das Klima und das Klima von Diskussionen; ZR vom 4. 9. 2007). Wer sich so benimmt wie Rahmstorf, der hat den Prozeß wissenschaftlicher Forschung nicht verstanden.
Aber es gibt ja auch andere Klimatologen, die ihn verstanden haben. In Deutschland zum Beispiel Hans von Storch, den der "Spiegel" am Ende des Artikels zitiert: "Wir Klimaforscher können nur mögliche Zukünfte beschreiben. Es kann also auch ganz anders kommen".
Nur - ist es das, was die Ideologen, die Apokalyptiker, die Weltretter und Weltverbesserer hören wollen, damit sie es predigen können? Wohl kaum. Sie wollen die Heils- oder vielmehr die Unheilsgewißheit.
Indem sie sich mit solchen Strömungen gemein, ja von ihnen zum Teil abhängig machte, hat sich die seriöse Klimaforschung in schlechte Gesellschaft begeben. Wir haben es heute nicht einfach mit Forschung zu tun, sondern mit einem Gemenge aus Wissenschaft, Glauben und Politik. Auf die einzelnen Komponenten dieses Gemenges werde ich in einem späteren Artikel eingehen.
Hat ein solcher Ansatz Konjunktur, dann setzt ein Mechanismus ein, wie wir ihn von Spekulationsblasen an der Börse kennen: Es gibt eine positive Rückkopplung. Je mehr der Ansatz gilt, umso mehr Forscher übernehmen ihn. Umso mehr Drittmittel fließen in die betreffende Forschung. Umso mehr wird dort publiziert. Umso mehr wächst die Reputation des betreffendes Ansatzes. Noch mehr Forscher übernehmen ihn; und so weiter und so weiter.
Wenn es ein guter, ein wissenschaftlich sehr fruchtbarer Ansatz ist, dann kann das einen großen Erkenntnisschub bringen; ein Beispiel ist die gegenwärtige Hochkonjunktur der Hirnforschung mit bildgebenden Verfahren (siehe den Artikel über die Fortschritte der Hirnforschung; ZR vom 10. 7. 2009).
Aber eine Konjunktur kann sich überhitzen. Wenn eine Theorie dominierend wird, dann wird es immer schwieriger, sie noch zu kritisieren. Je mehr Forscher in ein durch einen bestimmten Ansatz geprägtes Forschungsgebiet einsteigen, umso mehr wächst die Wahrscheinlichkeit, daß sich auch schlecht qualifizierte unter ihnen finden; Menschen, die aus Gründen ihrer Karriere auf einen fahrenden Zug aufspringen.
Im Extremfall kann dadurch aus einem Forschungsgebiet so etwas wie eine Religionsgemeinschaft werden. Man hat gemeinsame Überzeugungen. Statt ergebnisoffen zu forschen, sucht man nach Bestätigungen für diese Überzeugungen. Kritik wird nicht, wie es in der Wissenschaft üblich ist, als hilfreiche Anregung aufgenommen, sondern man sieht sie als Ketzerei; als Angriff auf den Glauben.
Am Ende gibt es eine Spekulationsblase nicht nur im Sinn der Analogie zur Börse, sondern Spekulation - also die kühne wissenschaftliche Vermutung - wird, wenn sie nur zum Glauben paßt, schon für belegtes Wissen gehalten. Das ist, so wird allmählich deutlich, der Weg, den die Klimaforschung in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Bedingt nicht nur durch diese innerwissenschaftlichen Mechanismen, sondern auch dadurch, daß sie von Ideologen, Apokalyptikern und Demagogen vereinnahmt, von ihnen freilich auch großzügig alimentiert wurde.
Jetzt sieht es aus, als könne die Spekulationsblase platzen. In einem bemerkenswerten Artikel befassen sich im gedruckten "Spiegel" dieser Woche (Heft 13/2010 vom 29. 3. 2010; S. 140 - 149; auch in "Spiegel-Online" zu lesen) die Redakteure des Ressorts "Wissenschaft und Technik" Marco Evers, Olaf Stampf und Gerald Traufetter mit dem aktuellen Stand der Klimaforschung. Kernsätze:
Kein anderer Wissenschaftszweig ist politisch derart aufgeladen. Zwischen Alarmisten und Skeptikern herrscht ein Glaubenskrieg. Besonnene Klimaforscher drohen dazwischen zerrieben zu werden. Aber es geht ja auch ums Ganze: den Billionen Euro teuren Totalumbau der Industriegesellschaft. Mächtige Wirtschaftsinteressen kommen ins Spiel und unerschütterliche Grundüberzeugungen. (...)Das Millionenpublikum der "Spiegel"-Leser erfährt jetzt das, was bisher überwiegend nur den Lesern von Blogs bekannt war; auch denen von ZR. Beispielsweise, daß
Wer dieser Tage mit führenden Klimatologen spricht, erfährt, wie viel in Wahrheit noch ungeklärt ist. Medien, Politiker, aber auch die Wissenschaftler selbst haben bisweilen eine Sicherheit über die Veränderungen von Sonne, Wind und Regen vorgegaukelt, die so nicht existiert.
Leser dieses Blogs wissen, daß ich mir nicht zutraue, zu entscheiden, wieweit die Modelle des Weltklimarats IPCC stimmen und in welchem Umfang andererseits die Argumente der sogenannten Klimaskeptiker zutreffend sind.es keine Belege für eine Zunahme von Hurricans und für einen Zusammenhang zwischen Hurricans und globaler Erwärmung gibt ("Spiegel" 13/2010, S. 145 und Hurricans und globale Erwärmung - ein modernes Märchen?; ZR vom 27. 7. 2007) keine sicheren Aussagen über ein Steigen des Meeresspiegels zu machen sind ("Spiegel" 13/2010, S. 145 und Wird der Meeresspiegel wirklich steigen?; ZR vom 15. 2. 2010) eine globale Erwärmung für viele Weltgegenden, auch für Deutschland, überwiegend positive Folgen hätte ("Spiegel" 13/2010, S. 147 - 148 und Klimagnostiker; "Zettels kleines Zimmer" vom 29. 12. 2009)
Daß die Forscher, die zu den Berichten des IPCC beitragen, überwiegend seriöse Wissenschaftler und weder Stümper noch Scharlatane sind, zeigt ein Blick auf diese WebSite der Universität Harvard. Dort findet man nicht nur die Beiträge zum aktuellen Bericht IPCC Fourth Assessment Report, sondern auch die verschiedenen Fassungen und die Kommentare der jeweiligen Gutachter. Man kann also - selten in jeder Wissenschaft - den Redaktionsprozeß direkt verfolgen.
Es gibt in dem Bericht die Fehler und Schlampereien, die der "Spiegel" jetzt auflistet und die auch den Lesern von ZR schon vertraut sind ("Spiegel" 13/2010; S. 141 und Ein SUV mit 502 km/h und die Qualität der Klimaforschung; ZR vom 24. 1. 2010). Es gibt eben alles das, was die Folge einer überhitzten Forschungs-Konjunktur ist. Aber es gibt auch solide Wissenschaft.
Solide Wissenschaft ist sich ihrer Grenzen bewußt. Solide Wissenschaftler sind sich immer im Klaren darüber, daß sie Unrecht haben können, und respektieren schon deshalb Kritiker, statt sie abzukanzlen wie das Umwelt-Bundesamt (Umwelt-Bundesamt: Propaganda statt Wissenschaft; ZR vom 24. 3. 2007) oder wie der Ozeanograph Stefan Rahmstorf (Diskussionen über das Klima und das Klima von Diskussionen; ZR vom 4. 9. 2007). Wer sich so benimmt wie Rahmstorf, der hat den Prozeß wissenschaftlicher Forschung nicht verstanden.
Aber es gibt ja auch andere Klimatologen, die ihn verstanden haben. In Deutschland zum Beispiel Hans von Storch, den der "Spiegel" am Ende des Artikels zitiert: "Wir Klimaforscher können nur mögliche Zukünfte beschreiben. Es kann also auch ganz anders kommen".
Nur - ist es das, was die Ideologen, die Apokalyptiker, die Weltretter und Weltverbesserer hören wollen, damit sie es predigen können? Wohl kaum. Sie wollen die Heils- oder vielmehr die Unheilsgewißheit.
Indem sie sich mit solchen Strömungen gemein, ja von ihnen zum Teil abhängig machte, hat sich die seriöse Klimaforschung in schlechte Gesellschaft begeben. Wir haben es heute nicht einfach mit Forschung zu tun, sondern mit einem Gemenge aus Wissenschaft, Glauben und Politik. Auf die einzelnen Komponenten dieses Gemenges werde ich in einem späteren Artikel eingehen.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc.