6. März 2010

Zitat des Tages: "Die irakische Demokratie wird gelingen" (George W. Bush). Morgen finden im Irak Wahlen statt. "Endlich der Sieg" titelt Newsweek

Iraqi democracy will succeed, and that success will send forth the news from Damascus to Tehran that freedom can be the future of every nation. The establishment of a free Iraq at the heart of the Middle East will be a watershed event in the global democratic revolution."

(Die irakische Demokratie wird gelingen, und dieser Erfolg wird von Damaskus bis Teheran die Botschaft verbreiten, daß Freiheit die Zukunft jeder Nation sein kann. Die Errichtung eines freien Irak im Herzen des Nahen Ostens wird ein Wendepunkt in der globalen demokratischen Revolution sein).

Präsident George W. Bush im November 2003, zitiert von Newsweek in der Titelgeschichte der kommenden Woche.


Kommentar: Der Anlaß für diese Titelgeschichte - das Titelbild mit der Schlagzeile "Victory at last" (Endlich der Sieg) können Sie hier sehen - sind die morgigen Wahlen im Irak. Es werden, sieht man von Israel und mit Einschränkungen dem Libanon ab, die freiesten Wahlen sein, die irgendwo im Nahen Osten stattfinden.

Die Autoren des Newsweek-Artikels - Babak Dehghanpisheh, John Barry, Christopher Dickey und Maziar Bahari in den USA, Hussam Ali und Salih Mehdi in Baghdad - zeichnen ein überwiegend positives Bild von der Situation im Irak:
  • Das Leben hat sich weitgehend normalisiert. Städte wie Bagdad und Basra gewinnen wieder ihren alten kosmopolitischen Flair. Vor den Läden, die Alkohol verkaufen dürfen, stapeln sich Bierdosen und Whisykflaschen. Vorbei ist die Zeit, in der religiöse Fanatiker das Leben bestimmen wollten. Die Autoren zitieren eine Studentin, die früher gezwungen war, ein Kopftuch anzulegen, und die jetzt einen Minirock trägt.

  • Das Militär ist zu einem Ordnungsfaktor geworden. Es ist jetzt eine der angesehendsten staatlichen Institutionen. Auch wenn die Kaida weiter bombt, sieht kaum jemand sie noch als eine wirkliche Gefahr an.

    Sorgen gibt es eher, daß Politiker das Militär für ihre eigenen konfessionellen Zwecke einsetzen könnten. Newsweek zitiert dazu einen Experten, den Generalleutnant i.R. James Dubik, der 2007 und 2008 für die Ausbildung irakischer Soldaten zuständig gewesen war. Aus seiner Sicht wird sich das Militär zu einer Vereinnahmung durch solche Interessen nicht hergeben.

  • Die Demokratie ist inzwischen im Land verankert. Es gibt im Irak die freieste und mutigste Presse der Region; mit mehr als 800 Zeitungen und Radiostationen, die Politiker und Geschäftsleute offen und oft scharf kritisieren. Das Land hat inzwischen 1200 rechtsstaatlich ausgebildete Richter, die zunehmend auch gegen die Korruption im Land vorgehen. Ein Vorstoß, Jungen und Mädchen in den Schulen getrennt zu unterrichten, wurde kürzlich nach der Intervention von Frauenverbänden aufgegeben.

    Zu den morgigen Wahlen werden 6.100 Kandidaten von den verschiedensten Parteien antreten. Die konfessionellen Fronten beginnen dabei zu bröckeln. Einst mächtige fundamentalistische Parteien wie der vom Iran abhängige Islamic Supreme Council of Iraq haben drastisch an Zustimmung verloren. Wahllisten sind jetzt oft konfessionell gemischt; beispielsweise tritt der mächtige sunnitische Scheich Ali Hatem al-Suleiman auf der Liste des schiitischen Premiers al-Maliki an.

  • Mit der Wirtschaft geht es aufwärts. Bereits im vergangenen Jahr hat das Land aus Ölexporten 39 Milliarden Dollar eingenommen; bei einer Fördermenge von 2,5 Millionen Barrel. Bis Ende des Jahrzehnts könnte sie nach der Meinung von Experten auf 10 Millionen Barrel im Jahr gesteigert werden.


  • "Mission accomplished" - Auftrag erfüllt - stand auf einem Transparent hinter ihm, als Präsident Bush auf dem Flugzeugträger "Abraham Lincoln" im Mai 2003 voreilig den Sieg im Irak verkündet. Es sollte noch sieben Jahre dauern, bis das Wirklichkeit wurde.

    Gewiß ist, schreiben die Newsweek-Autoren, die irakische Demokratie noch fragil; aber sie sei auf einem guten Weg:
    ... hardball political debate has supplanted civil war and legislation is hammered out, however slowly and painfully, through compromises—not dictatorial decrees or, for that matter, the executive fiats of U.S. occupiers. Although protected, encouraged, and sometimes tutored by Washington, Iraq's political class is now shaping its own system—what Gen. David Petraeus calls "Iraqracy." With luck, the politics will bolster the institutions through which true democracy thrives.

    ... an die Stelle des Bürgerkriegs ist die handfeste politische Debatte getreten, und Gesetze werde, wie langsam und mühsam auch immer, durch Kompromisse gezimmert - nicht durch diktatorische Verordnungen oder gar Befehle der amerikanischen Besatzer. Zwar von Washington geschützt, ermuntert und manchmal angeleitet, formt die politische Klasse des Irak jetzt ihr eigenes System - das, was General Petraeus "Irakokratie" nennt. Wenn alles gut geht, wird die Politik die Institutionen mit Inhalt erfüllen, wodurch eine Demokratie erst wirklich gedeiht.


    Das ist das Ergebnis des Kriegs, den Präsident George W. Bush, Premier Tony Blair und ihre Verbündeten geführt und verantwortet haben. Sie sind dafür gescholten und beschimpft worden. Zumal in Europa und ganz besonders in Deutschland war die Diskussion über den Irakkrieg von einer Einseitigkeit und Meinungsmache geprägt, die der Reife unserer Demokratie kein gutes Zeugnis ausgestellt hat.

    Am Tag der Amtsübernahme von Präsident Obama habe ich versucht, die Amtszeit von Präsident Bush zu würdigen (Der unzeitgemäße Präsident; ZR vom 20. 1. 2009). Daß er den Irakkrieg durchgestanden, daß er dem ungeheuren innen- wie auch außenpolitischen Druck nicht nachgegeben hat, auf dem Höhepunkt des Kriegs das Land im Stich zu lassen, wird wohl als seine größte Leistung in die Geschichte eingehen.

    Was seinen Nachfolger angeht, so werden es spätere Historiker vielleicht als das erste Anzeichen für Barack Obamas außenpolitisches Unvermögen werten, daß er sich in dieser Situation genau umgekehrt wie Bush verhielt.

    Ende Januar 2007, als der Krieg verloren zu gehen drohte, als der Irak im Chaos zu versinken schien, brachte der damalige Senator Obama einen Gesetzentwurf ein, der den vollständigen und bedingungslosen Abzug aller Kampfbrigaden der USA aus dem Irak vorsah; beginnend spätestens am 1. Mai 2007 und vollständig beendet am 31. März 2008.

    Es war ein Glück für die USA und für den Irak, daß Barack Obama damals noch nicht die Möglichkeiten hatte, seine politischen Vorstellungen durchzusetzen, die ihm inzwischen leider zur Verfügung stehen.

    Die Rede übrigens von Präsident Bush, aus der ich am Anfang zitiert habe, ist unbedingt lesenswert. Ein Dokument freiheitlichen Denkens, des Glaubens an die Kraft der Demokratie. Eine Rede, die mehr Substanz hat als alles zusammengenommen, was Barack Obama seit seinem Amtsantritt an Rhetorik vortrug.



    Wenn Sie Zeit haben und sich noch einmal den mühsamen, opferreichen Weg vor Augen führen wollen, der aus einer der barbarischsten Diktaturen der Welt dieses jetzt aufblühende Land gemacht hat, dann möchte ich Ihnen vorschlagen, das eine oder andere aus der Serie "Ketzereien zum Irak" nachzulesen. In ihr habe ich vom Dezember 2006 bis zum März 2009 das zu schildern versucht, was in der einseitigen Berichterstattung der großen Medien zu kurz kam, verschwiegen wurde oder Gegenstand hämischer Schadenfreude war.

    Wer damals diese Serie mitgelesen hat, für den ist die jetzige Entwicklung zum Guten keine Überraschung. Ob allerdings alle Diejenigen, die damals den Irak als Strafe für Präsident Bushs Politik rettungslos in Krieg und Chaos untergehen sahen, sich über das heutige Ergebnis dieser Politik freuen, über die "Wiedergeburt einer Nation" (Newsweek), das sei dahingestellt.



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.