30. September 2011

Zettels Meckerecke: Der Tod des Anwar Al-Awlaki. Wie Barack Obama sich dessen rühmt, was George W. Bush vorgeworfen wurde. Ein Lehrstück in Heuchelei

Als Barack Obama zum Präsidenten gewählt worden war, versprach er eine Welle strikter und unbedingter Rechtsstaatlichkeit in den USA.

Beispielsweise kündigte er an, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen (Von Bush zu Obama (3): Guantánamo schließen. Prima! Und dann?; ZR vom 21. 11. 2008). Es ist bis heute unverändert im Betrieb; und es gibt keinen Hinweis darauf, daß Obama es bis zum Ende seiner Amtszeit schließen will.

Beispielsweise sollten verbotene Aktionen der US-Spezialkräfte beendet werden. Am 13. Juli 2009 schrieb die FAZ:
Im Streit über die Rolle der CIA im Anti-Terror-Kampf ist kein Ende in Sicht. Gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Cheney werden Vorwürfe erhoben. Präsident Obama lässt die Todesumstände gefangener Taliban-Kämpfer untersuchen. (...)

Wie amerikanische Medien am Montag berichteten, soll die CIA nach Maßgabe einer Verfügung von Präsident George W. Bush kurz nach den Anschlägen mit den Vorbereitungen für ein Programm begonnen haben, das die Festnahme oder gezielte Tötung von mutmaßlichen Führungsfiguren des Terrornetzes Al Qaida zum Ziel hatte. Vizepräsident Dick Cheney soll angeordnet haben, den Kongress nicht über das Unterfangen zu unterrichten, das nach Angaben früherer Geheimdienstmitarbeiter "aus einem Agentenfilm entlehnt" schien. (...)

Die demokratischen Senatoren Dianne Feinstein, Dick Durbin und Patrick Leahy sprachen von einem "sehr ernsten Vorgang" und einem möglichen Gesetzesbruch durch Cheney. (...) Nach geltender Gesetzeslage ist die gezielte Tötung von Verdächtigen durch die CIA zwar verboten, wird aber - zumal in Pakistan, aber auch im Jemen - seit Jahren praktiziert, vor allem durch den Einsatz von Drohnen, die Raketen abfeuern.
Die Empörung war groß; denn es ging ja um die Regierung des bösen George W. Bush. Leser von ZR konnten freilich damals erfahren, daß diese Praxis der gezielten Tötungen von Anführern des Terrorismus schon von Präsident Clinton 1998 begonnen worden war (Noch einmal "Ermordung von Kaida-Kämpfern durch die CIA". Stratfor über die Vorgeschichte und die Hintergründe; ZR vom 16. 7. 2009).

Inzwischen wurde Osama Bin Laden gezielt getötet; und Barack Obama hat das nicht etwa verurteilt, sondern es sich im Gegenteil als Sieg an die Brust geheftet.

Jetzt wurde im Jemen der Haßprediger Anwar Al-Awlaki gezielt getötet. Ich habe mehrfach über ihn berichtet (z.B. "Nidal Hassan ist ein Mann mit Gewissen". Ein Imam äußert sich zu einem Massenmord; ZR vom 10. 11. 2009, und El Kaida im Jemen; ZR vom 31. 12. 2009). Er war ein übler Demagoge; in der militärischen Organisation der Kaida spielte er keine Rolle. Soweit bekannt, hat er nie einen Menschen getötet.

Aber nun hat man ihn getötet. Unter der Verantwortung von Präsident Obama wurde und wird genau das gemacht, was die deutsche Linke, was die Prominenz der Demokratischen Partei in den USA mit Abscheu verurteilt hatten, als es unter der Verantwortung von George W. Bush gemacht worden war.

Aber nun findet man, wie man im Englischen sagt, conspicuous silence; frei übersetzt: Dröhnendes Schweigen.



"Spiegel-Online" titelt heute: "Schlag gegen al-Qaida - Obama preist Awlakis Tod als Meilenstein". Der Terrorismus-Experte Yassin Musharbash beschreibt detailliert die Hintergründe der gezielten Tötung Awlakis. Sachlich, ohne die Spur einer moralischen Verurteilung. Lediglich im letzten Absatz erwähnt er die "Debatte (...), ob der US-Präsident, die CIA und das Militär eigentlich eine ausreichende Rechtsgrundlage für solch gezielten Tötungen haben". Tja.

Ja, wo bleibt denn die moralische Entrüstung der gesamten Linken, die auf solche Aktionen folgte, wenn sie Präsident Bush zu verantworten gehabt hatte (oder Israel)?

Sie ist wie vom Erdboden verschluckt, diese moralische Empörtheit. Alle diese guten Menschen, die sich über Bush und seinen Vize Cheney nicht genug entrüsten und sich über sie erheben konnten, sehen das offenbar auf einmal alles ganz anders, wenn es Barack Obama zu verantworten hat.

Sie sind Heuchler. Ihnen ging es nie um Recht und Gesetz, sondern immer nur darum, einen liberalkonservativen Präsidenten und seine Mannschaft zu erledigen. Zu sagen, daß sie mit zweierlei Maß messen, wäre eine Untertreibung. Sie messen überhaupt nicht, sondern sie passen ihr moralisches Urteil den jeweiligen taktischen Erfordernissen linker Politik an.



Ich lese übrigens im Augenblick auf dem Kindle das Buch von Dick Cheney In My Time. Das ausgezeichnete Buch eines ehrlichen und erfolgreichen Politikers.

Lesen Sie es, und überzeugen Sie sich selbst davon, wie wenig das, was in unseren Medien jahrelang über George W. Bush, über Dick Cheney oder beispielsweise auch über Donald Rumsfeld berichtet wurde, mit der Wahrheit zu tun hatte.
Zettel



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