29. September 2011

Zitat des Tages: "Wir sind wirklich ziemlich blöd. Das ist ein Vermögenspoker". Hans-Werner Sinn über den Euro-Rettungsschirm. Nebst einem Nachtrag

Sinn: Die französischen Banken (...) haben sich konzentriert auf die spanischen Anlagen, auf die portugiesischen und sehr stark auf die griechischen Anlagen. Und wenn nun diese Länder in Schwierigkeiten kommen, dann kommen die französischen Banken auch in Schwierigkeiten. Es geht also darum, sie zu retten.

Die Franzosen könnten sie auch alleine retten, aber billiger wird die Sache, wenn Deutschland mitrettet. Das ist genau das Thema. Das heißt, Herr Sarkozy drängelt Frau Merkel, sie müsse das machen. Die City of London drängelt auch, denn dort gibt es viele reiche Leute, die ihr Vermögen in diesen Ländern investiert haben und die das Problem sehen, dass sie nicht wissen, an wen sie die Staatspapiere, die sie in Händen halten, nun verkaufen sollen.

Und dann wird eben gesagt, Deutschland müsse das übernehmen, weil Deutschland als potent genug angesehen wird. Wenn man also die Wertpapiere dieser südlichen Länder über diese neuen Gemeinschaftseinrichtungen sozusagen sukzessive an Deutschland übertragen kann, dann ist man aus dem Schneider und kann sich retten.

Wolf: Das wäre ja ganz schön blöd für uns.

Sinn: Wir sind in gewisser Weise wirklich ziemlich blöd. Das ist einfach ein Vermögenspoker.
Der Leiter des Ifo-Instituts, Prof. Hans-Werner Sinn, am Montag in BR Alpha im Gespräch mit der Redakteurin Sabina Wolf. Informationsmaterial zu dieser Sendung finden Sie hier; den Wortlaut bietet der BR als PDF-Datei an.

Kommentar: Als ich das Gespräch in BR Alpha gesehen habe, erschienen mir die Ausführungen Sinns sehr verständlich und leicht nachvollziehbar. In der Druckfassung sind sie etwas mühsam zu lesen; was auch am Layout der Datei mit den fehlenden Absätzen liegen mag (die Absätze im obigen Zitat sind von mir für bessere Lesbarkeit eingefügt).

Das Gespräch ist es jedenfalls wert, daß man sich die kleine Mühe des Lesens macht. Sinn geht wie immer ins ökonomische Detail und arbeitet hier vor allem auch die politischen Hintergründe heraus.

Seine Kernbotschaft, so wie ich sie verstehe, ist im Grunde einfach: Die Regierung Merkel steht international derart unter Druck, daß sie kaum anders handeln kann, als sie es jetzt tut. Es sei denn, sie würde in Deutschland hinreichend unter Druck gesetzt werden, es nicht zu tun.



Das Gespräch befaßt sich übrigens nicht nur mit der gegenwärtigen Finanzkrise. Im zweiten Teil geht es unter anderem um die demographische Entwicklung in Deutschland. Auch da sagt Sinn Bedenkenswertes. Kostprobe:
Wenn eine Gesellschaft keine Kinder hat, dann muss sie im Alter von ihren Ersparnissen leben. Wenn sie aber auch wenig Ersparnisse hat, dann wird es schwierig. Die Ersparnisse sind aber auch nichts mehr wert, wenn es keine Menschen mehr gibt, die mit den entsprechenden Kapitalgütern, die dahinterstehen, irgendwie werkeln können, um ein Sozialprodukt zu schaffen. Alles hängt also daran, dass wir Kinder haben.

Ohne Kinder kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Aber das ist durch die Rentenversicherung systematisch ausgeblendet worden aus dem Blickfeld des Einzelnen: Bei der Entscheidung des Einzelnen spielt das heute keine Rolle mehr.




Nachtrag um 23.00: Ein Leser hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß inzwischen das Gespräch mit Hans-Werner Sinn vom BR auch als Video zur Verfügung gestellt wird. Unbedingt ansehen!
Zettel



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