9. September 2011

Zitat des Tages: "Amerikas Demoralisierung liegt nicht am Krieg gegen den Terror". Charles Krauthammer zur Befindlichkeit der USA

Our current difficulties and gloom are almost entirely economic in origin, the bitter fruit of misguided fiscal, regulatory and monetary policies that had nothing to do with 9/11. America’s current demoralization is not a result of the war on terror. On the contrary. The denigration of the war on terror is the result of our current demoralization, of retroactively reading today’s malaise into the real — and successful — history of our 9/11 response.

(Unsere momentanen Schwierigkeiten und Beklemmungen liegen fast alle in der Wirtschaft begründet, die bittere Frucht fehlgeleiteter Fiskal-, Regulierungs- und Geldpolitik, die nichts mit 9/11 zu tun hatte. Die gegenwärtige Demoralisierung Amerikas ist nicht Folge des Kriegs gegen den Terror. Im Gegenteil. Die Abwertung des Kriegs gegen den Terror ist Folge unserer gegenwärtigen Demoralisierung; davon, daß wir im Rückblick die heutige Malaise in die tatsächliche - und erfolgreiche - Geschichte unserer Reaktion auf 9/11 hineinlesen).
Charles Krauthammer in seiner heutigen Kolumne in der Washington Post unter der Überschrift "The 9/11 'overreaction'? Nonsense" (Die "Überreaktion" auf 9/11? Unsinn).

Kommentar: Die USA waren und sind mit ihrer Reaktion auf 9/11 erfolgreich - auf eine Attacke, die eine ähnliche Kriegserklärung gewesen war wie der Angriff Japans auf die US-Flotte in Pearl Harbor im Dezember 1941.

Aber dieser Erfolg weckt heute kaum Genugtuung oder gar Stolz. Denn seit der Endphase der Regierungzeit George W. Bushs befindet sich das Land in einer ganz unamerikanischen Stimmung des Selbstzweifels, der Ratlosigkeit. Sie hatte sich herausgebildet, als der Irakkrieg verlorenzugehen schien. George W. Bushs mutige und erfolgreiche Entscheidung für den Surge brachte zwar Ende 2007 die Wende in diesem Krieg, aber fast zeitgleich begann die Weltfinanzkrise.

Barack Obamas Yes-we-can-Rhetorik und seine Wahl ins Weiße Haus im November 2008 entfachten ein kurzes Strohfeuer des Optimismus; aber Obama blieb in der Außenpolitik ebenso erfolglos wie in der Wirtschafts- und in seiner sozialdemokratischen Gesellschaftspolitik. Die Stimmung in den USA ist heute nicht besser als im letzten Jahr der Regierung Bush. Umfragen zeigen übereinstimmend, daß aus der Sicht von mehr als 70 Prozent der Amerikaner ihr Land auf dem falschen Weg ist.

Warum? Es wird die narrative, das Erklärungsschema, angeboten, daß Amerikas Niedergang eine Folge des Kampfs gegen den Terrorismus sei; also letztlich ein Sieg der Täter von 9/11. Er habe zu einer "Überdehnung" (overstretch) geführt; seine Kosten seien die Ursache für den heutigen Schuldenberg der USA. In Deutschland hat kürzlich Ulrich Schäfer im
"Spiegel" diese These ausgebreitet:
Durch die Attacken von New York und Washington haben die Terroristen einen Prozess mit in Gang gesetzt, an dessen Ende die heutige Krise steht. Sie haben die Industriestaaten dazu gebracht, ihre Wirtschaft durch eine Flut von Sicherheitsauflagen und Kontrollen zu lähmen. Sie haben die USA, aber auch den Rest der westlichen Welt zu einer waghalsigen Politik genötigt, die den Keim für die Wirtschafts- und Finanzkrise barg.
Charles Krauthammer bezeichnet diese These als Unsinn; und mit guten Gründen. Er weist darauf hin, daß die Gesamtkosten des Irak- und des Afghanistankriegs mit zusammen 1,3 Billionen Dollar niedriger waren als die Kosten des deficit spending eines einzigen Jahrs unter Obama; daß die Ausgaben für das Militär in den goldenen Fünfzigern bei 11 Prozent des Brutto-Sozialprodukts lagen, heute bei 5 Prozent. Damals machten sie 60 Prozent des Staatshaushalts aus, heute 20 Prozent. Die Finanzkrise, schreibt Krauthammer, hatte ganz andere Ursache als die beiden Kriege.



Nichts ist erfolgloser als eine erfolgreiche Sicherheitspolitik, könnte man sagen.

Kommentatoren wie Ulrich Schäfer sehen dann, wenn diese Politik funktioniert hat, vor allem ihre Kosten. Das, was man für diese Kosten bekommen hat, bleibt hingegen unspektakulär. Es besteht ja nur darin, daß nichts Schlimmes passiert ist. Hier also, daß sich 9/11 in den USA nicht wiederholt hat; daß es mit dem von der Kaida geplanten weltweiten Krieg gegen die USA nichts geworden ist. Hätte man sich da nicht die Kosten sparen können? War denn da der ganze Aufwand nötig gewesen?

Wer so argumentiert, der denkt wie jemand, der sich über die Kosten seiner Feuerversicherung schwarz ärgert, weil sein Haus immer noch nicht abgebrannt ist.
Zettel



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