27. September 2011

Zettels Meckerecke: Internetsperre bei Verstoß gegen das Urheberrecht? Die Rotweinidee des Siegfried Kauder

"Internetsperren - CDU-Politiker will Filesharern das Netz wegnehmen" ist ein Artikel überschrieben, den man seit gestern Abend bei "Zeit-Online" lesen kann.

Der CDU-Politiker ist Siegfried Kauder, Bruder des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags. Sein Vorschlag: Verletzung des Urheberrechts im Internet soll mit einer Sperre des Zugangs zum Internet bestraft werden. Zunächst wird zweimal gewarnt; beim dritten Mal wird gesperrt. Gesperrt für eine bestimmte Frist, auf deren Dauer sich Kauder noch nicht festlegen will.



Wer ZR regelmäßig liest und die Diskussionen in Zettels kleinem Zimmer verfolgt, der weiß, daß ich für die strikte Einhaltung des Urheberrechts bin. Wer einen Text schreibt, Musik komponiert oder Urheber eines Fotos ist, der hat ebenso ein Recht darauf, für sein Produkt bezahlt zu werden, wie der Bäcker, der seine Brötchen verkauft; siehe die kürzliche Diskussion in diesem Thread in Zettels kleinem Zimmer.

Aber man kann doch das richtige Ziel, das Urheberrecht zu schützen, nicht mit absurden Mitteln verfolgen. Wie soll denn solch eine Internetsperre funktionieren?

Erstens haben heute die meisten Menschen über einen DSL-Anschluß mit einem häuslichen WLAN-Netz Zugang zum Internet. Diesen Anschluß zu sperren würde nicht nur den Missetäter in der Familie bestrafen, sondern die ganze Familie; jeden, der diesen gemeinsamen Anschluß nutzt. Es wäre so, als würde man jedem Mitglied der Familie den Führerschein entziehen, weil der Papa mit Alkohol am Steuer erwischt wurde.

Man würde alle diese Personen von einer wichtigen Informationsquelle abschneiden; allein das wäre - zweitens - verfassungsrechtlich bedenklich. Hinzu kommt, daß das Internet ja oft nicht nur zum persönlichen Vergnügen genutzt wird. Wenn der Sohnemann Filesharing betrieben hat, dann würde beispielsweise dem Vater, der Lehrer ist, verwehrt werden, für die Vorbereitung seines Unterrichts Informationen aus dem Internet zu benutzen. Sippenhaft also, bis in den Beruf hinein.

Und drittens würde eine solche Maßnahme nur diejenigen treffen, die nicht clever und zahlungskräftig genug sind, sie zu umgehen. Daß man zu einem anderen DSL-Anbieter wechselt, könnte mit entsprechender Bürokratie verhindert werden. Aber wie will man alle die Zugänge sperren, die eine Familie heute über das Smartphone, über den Surfstick des Notebook usw. hat? Soll eine Haussuchung vorgenommen werden, um alle diese Geräte aufzuspüren und ebenfalls zu sperren?



Diese Idee des Juristen Kauder ist eine Schnapsidee. Oder, sagen wir, eine Rotweinidee. Das Vorbild nämlich ist Frankreich, das Mutterland absurder Gesetze, die in die Freiheit des Bürgers eingreifen. Dort hat man Anfang 2010, um Verletzungen des Urheberrechts im Internet entgegenzutreten, zunächst einmal - was sonst in Frankreich? - eine neue Behörde geschaffen, die Haute Autorité pour la diffusion des œuvres et la protection des droits sur internet (Hadopi), die "Hohe Behörde für den Vertrieb von Werken und den Schutz von Rechten im Internet".

Diese nicht nur hohe, sondern sozusagen auch breite Behörde hat umfassende Vollmachten, um das Internet ständig zu überwachen und technische Vorkehrungen gegen Verletzungen des Urheberrechts zu treffen. Entdeckt sie einen Verstoß, dann beginnt ein kompliziertes, abgestuftes Verfahren, an dessen Anfang Verwarnungen via Email stehen und an dessen Ende eine richterliche Anordnung auf Sperrung des Anschlusses erfolgen kann; für maximal einen Monat.

Ein bürokratisches Monstrum à la Française. In Deutschland wird Kauder vermutlich mit seinem Versuch, es nachzuahmen, nicht durchkommen. Aber er könnte es dann ja, über die Bande spielend, mittels der Herbeiführung einer EU-Direktive versuchen. Zu diesem beliebten Spiel über die Bande siehe Anti-Subsidiarität: Eine Bedrohung unserer Freiheit; ZR vom 23. 3. 2007.
Zettel



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