Als Anfang der Woche der Bundeswirtschaftsminister in einem Beitrag für die "Welt" schrieb:
Ich hatte mir nicht vorstellen können, daß der deutsche Wirtschaftsminister Rösler eine so schwerwiegende Aussage machen würde (die er danach im TV bekräftigte), ohne daß dies mit der Kanzlerin und dem Finanzminister abgestimmt gewesen war. Aber ich hatte mich geirrt.
Inzwischen haben sich sowohl Schäuble als auch Merkel von Röslers Äußerung, ohne ihn natürlich beim Namen zu nennen, distanziert. Merkel gestern im RBB:
Was soll dieser Alleingang des verantwortlichen Ministers in einer so heiklen, auch einer für die Finanzmärkte, für die Börsen so sensiblen Frage?
Hat er erwartet, durch eine öffentliche Äußerung die Kanzlerin und seinen Kollegen Schäuble auf seinen Kurs zwingen zu können? Das wäre ein sträfliche Naivität gewesen, die ich diesem klugen Mann, so jung er noch ist, nicht zutraue.
Ein Minister aber, der öffentlich etwas vorschlägt, das er im Kabinett dann nicht durchsetzen kann, blamiert sich. Er büßt nicht nur an standing im Kabinett ein. Auch im Ausland verliert sein Wort an Gewicht. Wer kann noch auf das bauen, was Rösler sagt, wenn er gar nicht für die Regierung spricht?
Solch ein Vorstoß, wie ihn Rösler unternommen hat, erweckt logischerweise den Eindruck, daß er nicht in seiner Verantwortung als Minister handelte, sondern aufgrund parteitaktischer Überlegungen. Es gibt kaum etwas, mit dem ein Minister schneller und nachhaltiger Vertrauen verspielen kann.
Es wird gerätselt, welche taktischen Überlegungen Rösler vielleicht motiviert haben könnten. In der FAZ schreiben Günter Bannas und Majid Sattar:
Rösler dürfte schon ein klares taktisches Ziel gehabt und dies auch innerhalb der FDP abgestimmt haben, bevor er den Vorstoß wagte; denn sowohl Generalsekretär Lindner als auch Fraktionschef Brüderle unterstützen ihn.
Versucht wird, so scheint mir, ein Befreiungsschlag. Die FDP steht bei Umfragen und in Wahlen so schlecht da wie kaum je in ihrer Geschichte. Die Ablösung Westerwelles im Parteivorsitz hat nichts gebracht; Rösler konnte bisher nicht, wie er vollmundig angekündigt hatte, "liefern".
Es geht für die FDP darum, endlich ein Thema zu finden, mit dem sie in der Öffentlichkeit punkten kann. Ein Thema, mit dem sie sich gegenüber der Union profilieren kann und bei dem zu vermuten ist, daß die Position der FDP die Stimmung des Wahlvolks trifft. Das soll offenbar der Vorschlag sein, Griechenland gegebenenfalls pleite gehen zu lassen.
Ein weiteres taktisches Motiv Röslers dürfte in dem Versuch bestehen, der Gruppe um den Abgeordneten Frank Schäffler entgegenzutreten, die einen Mitgliederentscheid in der FDP gegen den geplanten europäischen Sicherheitsmechanismus ESM herbeiführen will (siehe Der "Rettungsschirm" ESM und der bemerkenswerte (bisher aber bei uns kaum beachtete) Rutte-Plan. Entscheiden die Mitglieder der FDP?; ZR vom 10. 9. 2011). Es sieht so aus, als wollten sich Rösler und Lindner ein wenig an die Spitze der Bewegung setzen, um dieser den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Ja, die FDP braucht ihre eigenen Themen. Es sollten Themen sein, bei denen viele Wähler sich von den anderen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Die Europapolitik gehört dazu. Und ja, gewiß, die FDP muß sich bei diesen Themen auch gegen die Union profilieren.
Aber sie sollte das schon geschickt anstellen. Die jetzige Aktion Röslers war das nicht. Er hat ohne Not sein Ansehen als einer der für die Europapolitik verantwortlichen Ressortchefs beschädigt, indem er einen Vorstoß ohne die Rückendeckung des Kabinetts unternommen hat. Er wurde dafür von der Kanzlerin und seinem Kollegen Schäuble zur Ordnung gerufen; und seine einzige Reaktion besteht bisher darin, seine Aussage trotzig zu wiederholen.
So gewinnt man keinen Blumentopf. Mich erinnert das an den mißglückten Versuch Guido Westerwelles im Februar 2010, mittels eines furiosen Artikels zur Sozialpolitik der FDP wieder Schwung zu geben ("Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein").
Das Hauptergebnis war, daß Westerwelle damit in seiner Rolle als ein besonnener Chef der deutschen Diplomatie unglaubwürdig geworden war; er ist seither nicht in diese Rolle hineingewachsen. Ich habe meinen Kommentar damals ähnlich betitelt wie den jetzigen: Westerwelles riskante Taktik. Steckt der Liberalismus in einer "geistig-moralischen Krise"?; ZR vom 16. 2. 2010.
Der Initiator der Mitgliederbefragung in der FDP, Frank Schäffler, trat am Montag bei Phoenix in der Sendung "Unter den Linden" auf; Thema: "Die Euro-Rettung - Schrecken ohne Ende?". Man hatte ihm den ultralinken Bremer Wirtschaftswissenschaftler und Kolumnisten des "Neuen Deutschland" Rudolf Hickel gegenübergesetzt.
Der Moderator Michael Hirz bevorzugte eindeutig Hickel, den er endlos reden ließ, während er Schäffler immer wieder ins Wort fiel. Hickel benahm sich schnöselig-professoral und behandelte Schäffler ungefähr wie einen seiner Studenten, den er wohlwollend belobigte, wenn er einmal etwas Richtiges gesagt hatte, und dessen Darlegungen er ansonsten mit gequältem Lächeln verfolgte.
Schäffler aber schlug sich bestens. Ich habe ihn zum ersten Mal bei einem längeren Auftritt erlebt und jetzt verstanden, worin die Qualitäten dieses Westfalen liegen: Er hat klare Überzeugungen, ist sich seiner Sache sicher und läßt sich durch rhetorische Mätzchen nicht aus der Ruhe bringen. Er wirkt in sich ruhend, verläßlich und ehrlich.
Gewiß ist er das Gegenteils eines Meisters der Selbstdarstellung, und es fehlt ihm an der Eloquenz, die Hickel umso üppiger zur Schau trug. Aber gerade in einer Zeit, in der es in der Politik von glatten, effizienten Selbstdarstellern wimmelt, dürfte so jemand beim Wähler gut ankommen.
Ein ähnlich ruhiger, geradeliniger FDP-Politiker, Jörg-Uwe Hahn, hatte im Januar 2009 in Hessen das herausragende Wahlergebnis von 16,2 Prozent für die FDP eingefahren und damit den Grundstein für den Höhenflug der FDP gelegt, der in ihren Wahlsieg im September 2009 mündete (siehe Aufstieg und Fall der FDP. Wie kam es eigentlich zu dem glänzenden Wahlergebnis von 2009?; ZR vom 4. 1. 2011).
Um den Euro zu stabilisieren, darf es auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben. Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen,da war ich überzeugt, daß die Bundesregierung einen Schwenk in ihrer Griechenland-Politik vorbereitete. Die Börsen sahen es offenbar ähnlich.
Ich hatte mir nicht vorstellen können, daß der deutsche Wirtschaftsminister Rösler eine so schwerwiegende Aussage machen würde (die er danach im TV bekräftigte), ohne daß dies mit der Kanzlerin und dem Finanzminister abgestimmt gewesen war. Aber ich hatte mich geirrt.
Inzwischen haben sich sowohl Schäuble als auch Merkel von Röslers Äußerung, ohne ihn natürlich beim Namen zu nennen, distanziert. Merkel gestern im RBB:
Deshalb sollte jeder auch seine Worte sehr vorsichtig wägen. Was wir nicht brauchen können, ist Unruhe auf den Finanzmärkten. Die Unsicherheiten sind schon groß genug. (...) Ich glaube, wir tun Griechenland den größten Gefallen, indem wir wenig spekulieren, sondern Griechenland ermutigen, die Verpflichtungen auch umzusetzen, die es eingegangen ist.Schäuble im ZDF:
Zwischen Denkverboten und Reden, um Märkte zu beunruhigen, ist ein kleiner Unterschied. (...) Wissen Sie, Denkverbot ist das eine, und alles zu jedem Zeitpunkt zu reden, ist das andere. Ich rate, dass man dazwischen noch einen Unterschied erkennt.Man kann daraus nur den Schluß ziehen, daß Röslers Aussage über eine mögliche Insolvenz Griechenlands ein Alleingang des Ministers war; nicht abgestimmt mit der Kanzlerin, nicht in Übereinstimmung mit dem Finanzministerium.
Was soll dieser Alleingang des verantwortlichen Ministers in einer so heiklen, auch einer für die Finanzmärkte, für die Börsen so sensiblen Frage?
Hat er erwartet, durch eine öffentliche Äußerung die Kanzlerin und seinen Kollegen Schäuble auf seinen Kurs zwingen zu können? Das wäre ein sträfliche Naivität gewesen, die ich diesem klugen Mann, so jung er noch ist, nicht zutraue.
Ein Minister aber, der öffentlich etwas vorschlägt, das er im Kabinett dann nicht durchsetzen kann, blamiert sich. Er büßt nicht nur an standing im Kabinett ein. Auch im Ausland verliert sein Wort an Gewicht. Wer kann noch auf das bauen, was Rösler sagt, wenn er gar nicht für die Regierung spricht?
Solch ein Vorstoß, wie ihn Rösler unternommen hat, erweckt logischerweise den Eindruck, daß er nicht in seiner Verantwortung als Minister handelte, sondern aufgrund parteitaktischer Überlegungen. Es gibt kaum etwas, mit dem ein Minister schneller und nachhaltiger Vertrauen verspielen kann.
Es wird gerätselt, welche taktischen Überlegungen Rösler vielleicht motiviert haben könnten. In der FAZ schreiben Günter Bannas und Majid Sattar:
Als mögliches Motiv Röslers komme allenfalls in Betracht, dieser sei über die Stimmenverluste der FDP bei den Kommunalwahlen in seinem Heimatland Niedersachsen erschrocken gewesen. Dort sank die FDP am Sonntag von 6,7 auf 3,4 Prozent.Also soll Röslers Vorstoß gar keine Taktik sein, sondern hilfloser Ausdruck einen spontanen Erschreckens? Nein, auch das traue ich Rösler nicht zu, der nicht nur ein intelligenter Mann ist, sondern auch jemand, der sich selbst bestens unter Kontrolle hat.
Rösler dürfte schon ein klares taktisches Ziel gehabt und dies auch innerhalb der FDP abgestimmt haben, bevor er den Vorstoß wagte; denn sowohl Generalsekretär Lindner als auch Fraktionschef Brüderle unterstützen ihn.
Versucht wird, so scheint mir, ein Befreiungsschlag. Die FDP steht bei Umfragen und in Wahlen so schlecht da wie kaum je in ihrer Geschichte. Die Ablösung Westerwelles im Parteivorsitz hat nichts gebracht; Rösler konnte bisher nicht, wie er vollmundig angekündigt hatte, "liefern".
Es geht für die FDP darum, endlich ein Thema zu finden, mit dem sie in der Öffentlichkeit punkten kann. Ein Thema, mit dem sie sich gegenüber der Union profilieren kann und bei dem zu vermuten ist, daß die Position der FDP die Stimmung des Wahlvolks trifft. Das soll offenbar der Vorschlag sein, Griechenland gegebenenfalls pleite gehen zu lassen.
Ein weiteres taktisches Motiv Röslers dürfte in dem Versuch bestehen, der Gruppe um den Abgeordneten Frank Schäffler entgegenzutreten, die einen Mitgliederentscheid in der FDP gegen den geplanten europäischen Sicherheitsmechanismus ESM herbeiführen will (siehe Der "Rettungsschirm" ESM und der bemerkenswerte (bisher aber bei uns kaum beachtete) Rutte-Plan. Entscheiden die Mitglieder der FDP?; ZR vom 10. 9. 2011). Es sieht so aus, als wollten sich Rösler und Lindner ein wenig an die Spitze der Bewegung setzen, um dieser den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Ja, die FDP braucht ihre eigenen Themen. Es sollten Themen sein, bei denen viele Wähler sich von den anderen Parteien nicht mehr repräsentiert fühlen. Die Europapolitik gehört dazu. Und ja, gewiß, die FDP muß sich bei diesen Themen auch gegen die Union profilieren.
Aber sie sollte das schon geschickt anstellen. Die jetzige Aktion Röslers war das nicht. Er hat ohne Not sein Ansehen als einer der für die Europapolitik verantwortlichen Ressortchefs beschädigt, indem er einen Vorstoß ohne die Rückendeckung des Kabinetts unternommen hat. Er wurde dafür von der Kanzlerin und seinem Kollegen Schäuble zur Ordnung gerufen; und seine einzige Reaktion besteht bisher darin, seine Aussage trotzig zu wiederholen.
So gewinnt man keinen Blumentopf. Mich erinnert das an den mißglückten Versuch Guido Westerwelles im Februar 2010, mittels eines furiosen Artikels zur Sozialpolitik der FDP wieder Schwung zu geben ("Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein").
Das Hauptergebnis war, daß Westerwelle damit in seiner Rolle als ein besonnener Chef der deutschen Diplomatie unglaubwürdig geworden war; er ist seither nicht in diese Rolle hineingewachsen. Ich habe meinen Kommentar damals ähnlich betitelt wie den jetzigen: Westerwelles riskante Taktik. Steckt der Liberalismus in einer "geistig-moralischen Krise"?; ZR vom 16. 2. 2010.
Der Initiator der Mitgliederbefragung in der FDP, Frank Schäffler, trat am Montag bei Phoenix in der Sendung "Unter den Linden" auf; Thema: "Die Euro-Rettung - Schrecken ohne Ende?". Man hatte ihm den ultralinken Bremer Wirtschaftswissenschaftler und Kolumnisten des "Neuen Deutschland" Rudolf Hickel gegenübergesetzt.
Der Moderator Michael Hirz bevorzugte eindeutig Hickel, den er endlos reden ließ, während er Schäffler immer wieder ins Wort fiel. Hickel benahm sich schnöselig-professoral und behandelte Schäffler ungefähr wie einen seiner Studenten, den er wohlwollend belobigte, wenn er einmal etwas Richtiges gesagt hatte, und dessen Darlegungen er ansonsten mit gequältem Lächeln verfolgte.
Schäffler aber schlug sich bestens. Ich habe ihn zum ersten Mal bei einem längeren Auftritt erlebt und jetzt verstanden, worin die Qualitäten dieses Westfalen liegen: Er hat klare Überzeugungen, ist sich seiner Sache sicher und läßt sich durch rhetorische Mätzchen nicht aus der Ruhe bringen. Er wirkt in sich ruhend, verläßlich und ehrlich.
Gewiß ist er das Gegenteils eines Meisters der Selbstdarstellung, und es fehlt ihm an der Eloquenz, die Hickel umso üppiger zur Schau trug. Aber gerade in einer Zeit, in der es in der Politik von glatten, effizienten Selbstdarstellern wimmelt, dürfte so jemand beim Wähler gut ankommen.
Ein ähnlich ruhiger, geradeliniger FDP-Politiker, Jörg-Uwe Hahn, hatte im Januar 2009 in Hessen das herausragende Wahlergebnis von 16,2 Prozent für die FDP eingefahren und damit den Grundstein für den Höhenflug der FDP gelegt, der in ihren Wahlsieg im September 2009 mündete (siehe Aufstieg und Fall der FDP. Wie kam es eigentlich zu dem glänzenden Wahlergebnis von 2009?; ZR vom 4. 1. 2011).
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