4. September 2011

Zettels Meckerecke: Die 2,8-Prozent-Partei. Es gibt keine Bestandsgarantie für die FDP. Kann sie jetzt noch etwas retten?

Es liegt ja nicht an Mecklenburg-Vorpommern, daß die FDP dort jetzt eine Splitterpartei ist, noch halb so stark wie die Neonazis.

Wie auch in anderen Neuen Bundesländern spiegelt das Wahlverhalten der dortigen Bevölkerung, die in der kommunistischen Diktatur logischerweise keine Bindung an eine Partei erwerben konnte, die Tagesform der Parteien wider. Vor vier Jahren hatte die FDP mit 9,6 Prozent hervorragend abgeschnitten; aber vier Jahre zuvor war sie unter 5 Prozent geblieben, und acht Jahre zuvor hatte sie gerade einmal 1,6 Prozent erreicht.

Die Tagesform der FDP ist miserabel; aber es ist mehr als die Tagesform. Diese Partei ist in akuter Gefahr zu verschwinden.

Kann eine Partei, die für eine der großen politischen Strömungen steht, denn verschwinden? Ja, sie kann es.

Die konservative politische Strömung hatte in den ersten Jahren der Bundesrepublik ihre politische Heimat in der DP, zu der damals so prominente Politiker wie der Verkehrsminister Seebohm und Heinrich Hellwege gehörten, der knorrige Niedersachse. 1961 fusionierte diese Partei mit dem ebenfalls konservativen Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) und verschwand dann von der politischen Bühne.

Es gibt keine Bestandsgarantie für die FDP. Im Dezember 2010 dachte ich noch, daß das Totenglöcklein für die FDP nicht bimmeln würde. Jetzt bimmelt es nicht nur, jetzt dröhnt es. In Berlin wird sie in zwei Wochen so von den der Piratenpartei überholt werden, wie sie in Mecklenburg-Vorpommern von der NPD überholt wurde. Keine ernstzunehmende Partei mehr.



Den Niedergang der FDP seit den Wahlen vom 27. September 2009 habe ich immer wieder kommentiert.

Man hatte alles auf eine Karte gesetzt, nämlich diejenige der Steuersenkungen. Westerwelle hat dann aber diese Karte gar nicht gespielt, sondern sich, statt für die FDP konsequenterweise das Finanzministerium zu fordern, in das schöne Amt des Chefs des Auswärtigen Amts begeben.

Die FDP hatte laut getönt und dann nicht liefern können. Damit begann ihr Niedergang. Jeder sah, daß die Sache mit den Steuersenkungen nur Getöse gewesen war. Marke Guidomobil. Heiße Luft. Dann häufte sich Dummheit auf Dummheit.

Der Chefdiplomat, zu dessen Rollenfach es gehört, daß er sich aus dem Parteiengezänk heraushält, begab sich in die Bütt und krakeelte herum, als sei er der Billige Jakob auf dem Hamburger Fischmarkt ("Spätrömische Dekadenz"; siehe Westerwelles riskante Taktik. Steckt der Liberalismus in einer "geistig-moralischen Krise"?; ZR vom 16. 2. 2010). Damit begann der demoskopische Absturz Guido Westerwelles, der heute der unbeliebteste Außenminister ist, den die Bundesrepublik jemals hatte.

Und was machte die FDP, als sie dessen gewahr wurde? Sie beließ ihn im Amt des Außenministers und feuerte ihn aus jenem Amt, in dem er vergleichsweise gut gewesen war; dem des Parteivorsitzenden. Eine absurde Entscheidung.

Jetzt führen drei junge, smarte Männer die FDP. So smart, daß sie sich den Vatermord nicht zutrauen, Westerwelle zu feuern. Stattdessen hobeln und sägen sie an seinem Stuhl in der Hoffnung, daß dieser irgendwann wankt und kippt. Ein jämmerliches Schauspiel. Ritzeratze voller Tücke in die Brücke eine Lücke. Max Rösler und Moritz Lindner haben gesägt und lauern nun an der Brücke, daneben der Daniel. Versuchen täten sie es ja gern, aber trauen tun sie sich nicht.

Westerwelle, der das nicht verdient hat, wird nicht mehr gescholten, nicht mehr verachtet, sondern nur noch bemitleidet (siehe Guido Westerwelle sollte seinen Hut nehmen. Aber nicht wegen Libyen; ZR vom 29. 8. 2011). Es ist entwürdigend; und der Mann hat nicht das Format, sich mit Anstand zu verabschieden.

Interessiert das noch irgendwen? Es interessiert kaum noch jemanden. Die Linksliberalen, die Yuppies (wie es Stefan Aust gestern im NDR sagte) sind längst bei den Grünen. Die Liberalkonservativen haben in dieser Partei ohnehin keine Heimat mehr; spätestens, seit der supersmarte Christian Lindner sich vom christlichen Abendland verabschiedet hat (siehe Islam und christlich-jüdische Tradition. Einwanderung und Republikanismus. Fünf FDP-Politiker stoßen eine überfällige Debatte an (Teil 1); ZR vom 14. 12. 2010; sowie Teil 2).

Und die "Klientelpartei"? Die FDP als die Partei der Freiberufler, des Mittelstands, des freien Markts? Tot, mausetot. Diese Partei hat nicht nur die Steuersenkung nicht hinbekommen, die sie so vollmundig angekündigt hatte; sondern schlimmer: Sie hat das gar nicht erst versucht.

Sie hat den immerhin ausgewiesenen Marktwirtschaftler Brüderle durch einen Arzt als Wirtschaftsminister ersetzt. Er dürfte mit der Therapie seiner eigenen Partei mehr befaßt sein als mit der Ökonomie, deren Grundlagen er jetzt hoffentlich paukt. Franz-Josef Strauß hat, als er Finanzminister wurde, Privatunterricht in Ökonomie genommen.

Fragen Sie einmal Ihre Bekannten, wer der deutsche Wirtschaftsminister ist. Ich habe noch keine richtige Antwort bekommen, sondern nur Staunen.



Gibt es noch irgendeine Chance für diese verkorkste Partei, die sich in eigener, freier Entscheidung herunter-gewirtschaftet hat? Ja, es gibt sie. Aber die FDP wird sie sehr wahrscheinlich nicht nutzen.

Nicht alle Deutsche sind ja besoffen und freuen sich über den "Ausstieg aus der Atomenergie". Nicht alle halten die Analysen von Thilo Sarrazin für abwegig. Nicht alle sind der Meinung, daß die Vereinigten Staaten von Europa "alternativlos" sind (siehe Eine ernüchternde Umfrage zu "Vereinigten Staaten von Europa"; ZR vom 3. 9. 2011).

Eine liberale Partei, die diesen Namen verdient - die für Freiheit gegen jeden Totalitarismus eintritt, auch den des Islam; die unsere Freiheit gegen die Brüsseler Bürokratie verteidigt; die konsequent gegen alle Versuche ist, den freien Bürger zu gängeln und ideologisch auf Linie zu bringen; die gegen die kollektive Besoffenheit des "Ausstiegs" ist - eine solche Partei hätte ein exzellentes Wählerpotential.

Aber es wäre nicht die Partei der smarten jungen Männer Rösler, Lindner und Bahr. Jörg-Uwe Hahn, der für eine solche wirklich liberale FDP vielleicht stehen könnte, ist in Wiesbaden kaltgestellt. Frank Schäffler ist - noch - ein Rufer in der Wüste.
Zettel



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