Die Zahl der Jugendlichen mit einer voll ausgeprägten Depression ist in den vergangenen Jahren in Europa um 400 Prozent gestiegen.
Kommentar: Als Kinder sangen wir den Spottvers:
Der Glaser hat die Scheiben eingeschmissen. Jetzt muß er aber auch dafür sorgen, daß neue rein kommen. Die "Welt":
Natürlich gibt es Menschen, die an einer Psychose leiden. Die Häufigkeit einer schizophrenen Erkrankung beispielsweise liegt konstant bei etwas mehr als einem Prozent der Bevölkerung; seit einem Jahrhundert unverändert, weitgehend unabhängig vom gesellschaftlichen Umfeld. Es gibt des weiteren Menschen, die an einer nicht psychotischen seelischen Störung leiden - an einer Phobie wie Flugangst zum Beispiel, an Waschzwang, an einer Sucht; dergleichen. Sie sind meist - nicht immer - behandlungsbedürftig.
Und dann gibt es eine riesige Grauzone, bei der alles von der Diagnose abhängt. Vor hundert Jahren wimmelte es von Menschen - vor allem Frauen -, die unter einer "Hysterie" litten. Sigmund Freud hat, nachdem er in Frankreich bei dem großen Psychiater Charcot mit der Hysterie bekannt geworden war, seine Theorie wesentlich auf dieser Erkrankung aufgebaut; seine ersten Fallstudien hat er zusammen mit Josef Breuer 1895 unter dem Titel "Studien über Hysterie" publiziert. Heute wird Hysterie kaum noch diagnostiziert.
Menschen geht es oft seelisch schlecht. Das gehört nun einmal zum Leben. Man trauert, man ist deprimiert, man hat sich nicht so unter Kontrolle, wie man das gern hätte. Früher besprach man das mit Freunden und Verwandten, vielleicht mit dem Pfarrer. Meist berappelte man sich wieder; wie auch heute.
Aber heute gerät jemand, dem es einmal nicht so gut geht, schnell in die Fänge der Gesundheitsindustrie. Er wird "diagnostiziert"; seinem Problem wird ein Etikett aufgepappt (labeling). Und flugs landet er als ein Fall in den Statistiken. Zur Freude der Helfer, die gern an ihm verdienen möchten.
Beginn eines Artikels in der heutigen "Welt", der sich mit "erschreckenden Zahlen" bei den psychischen Erkrankungen in Europa befaßt.
Kommentar: Als Kinder sangen wir den Spottvers:
Was ham wir doch für'n GlaserDer Glaser wollte Bedarf schaffen, damit er seine Dienstleistung verkaufen konnte. So ist es heute in dem wuchernden Bereich der Therapie psychischer Leiden. Weiter in dem Artikel in der "Welt":
in unsrer alten Stadt.
Der Glaser schmeißt die Scheiben ein
und sagt: "Da müssen neue rein".
Was ham wir doch für'n Glaser
in unsrer alten Stadt.
Gut 38 Prozent aller Europäer leiden pro Jahr an einer klinisch bedeutsamen psychischen Störung. Das sind rund 165 Millionen Menschen. Diese erschreckenden Zahlen nennt Professor Hans-Ulrich Wittchen vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden, der die bislang größte europaweite Studie zu psychischen und neurologischen Erkrankungen koordiniert hat.Erschreckende Zahlen? Wunderbare Zahlen für diejenigen, die diesen kranken Europäern helfen wollen; gegen gutes Geld, versteht sich.
Der Glaser hat die Scheiben eingeschmissen. Jetzt muß er aber auch dafür sorgen, daß neue rein kommen. Die "Welt":
Besonders heikel ist angesichts der Studienergebnisse, dass die Behandlungsraten psychischer Erkrankungen äußerst niedrig sind. In Deutschland sind nur rund vier Prozent der Betroffenen in psychotherapeutischer Behandlung - und das ist schon doppelt so viel wie in vielen anderen europäischen Ländern. (...)Noch sind nur 38 Prozent der Europäer als psychisch krank diagnostiziert. Daran muß gearbeitet werden. Erst wenn alle Scheiben eingeschmissen sind; erst wenn die Erkenntnis sich breit macht, daß jeder von uns irgendeine behandlungsbedürftige Macke hat - erst dann ist das Ziel wirklich erreicht.
Im Oktober wird Wittchen im Europaparlament eine genaue Kostenaufstellung psychischer Erkrankungen vorlegen. "Unser Gesundheitssystem ist mit seinen Kosten zu mehr als 70 Prozent von chronischen Erkrankungen gekennzeichnet", so Wittchen, "da ist es oft günstiger, frühzeitig ein bisschen mehr Geld zu investieren."
Natürlich gibt es Menschen, die an einer Psychose leiden. Die Häufigkeit einer schizophrenen Erkrankung beispielsweise liegt konstant bei etwas mehr als einem Prozent der Bevölkerung; seit einem Jahrhundert unverändert, weitgehend unabhängig vom gesellschaftlichen Umfeld. Es gibt des weiteren Menschen, die an einer nicht psychotischen seelischen Störung leiden - an einer Phobie wie Flugangst zum Beispiel, an Waschzwang, an einer Sucht; dergleichen. Sie sind meist - nicht immer - behandlungsbedürftig.
Und dann gibt es eine riesige Grauzone, bei der alles von der Diagnose abhängt. Vor hundert Jahren wimmelte es von Menschen - vor allem Frauen -, die unter einer "Hysterie" litten. Sigmund Freud hat, nachdem er in Frankreich bei dem großen Psychiater Charcot mit der Hysterie bekannt geworden war, seine Theorie wesentlich auf dieser Erkrankung aufgebaut; seine ersten Fallstudien hat er zusammen mit Josef Breuer 1895 unter dem Titel "Studien über Hysterie" publiziert. Heute wird Hysterie kaum noch diagnostiziert.
Menschen geht es oft seelisch schlecht. Das gehört nun einmal zum Leben. Man trauert, man ist deprimiert, man hat sich nicht so unter Kontrolle, wie man das gern hätte. Früher besprach man das mit Freunden und Verwandten, vielleicht mit dem Pfarrer. Meist berappelte man sich wieder; wie auch heute.
Aber heute gerät jemand, dem es einmal nicht so gut geht, schnell in die Fänge der Gesundheitsindustrie. Er wird "diagnostiziert"; seinem Problem wird ein Etikett aufgepappt (labeling). Und flugs landet er als ein Fall in den Statistiken. Zur Freude der Helfer, die gern an ihm verdienen möchten.
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