Nach Einführung der Deutschen Mark 1948 hat es über 10 Jahre gedauert, bis die neue Währung frei konvertierbar war. Man konnte in dieser Zeit nicht einfach so wie heute beliebig die Inlandswährung in eine andere tauschen, sondern sie wurde vom Staat bewirtschaftet, der sich dazu der Notenbank und spezieller Außenhandelsbanken (AHB) bediente. Die Devisenzwangswirtschaft war nicht neu, sondern die Erfindung des damaligen Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht war ab 1931 auch schon für die Reichsmark gültig. Damit wurden zwei Formen der Mark eingeführt: freie Mark und Sperrmark.
Letztere waren Erträge aus Geschäften in Deutschland oder Zinszahlungen deutscher Wertpapiere, die jeweils Devisenausländern zuflossen. Über dieses Geld konnte nur beschränkt verfügt werden. Im wesentlichen konnte man es nur zur inländischen Verwendung einsetzen, etwa für Investitionen in Deutschland oder den Kauf von Konsumgütern. Die illegale Verbringung ins Ausland war damals ähnlich strafbar und geächtet wie heute etwa Steuerhinterziehung, und der Erfindungsreichtum der Bürger, das Verbot zu umgehen, war ebenso hoch.
Beschränkt konnte man Sperrmark auch in freie Deutsche Mark umtauschen, aber nur mit Abschlag. So bekam man 1952 für eine Sperrmark 60 Pfennig freie Mark. Eine erste Liberalisierung brachte 1954 die Beko-Mark (beschränkt konvertible Mark), womit Zahlungsverkehr mit dem Ausland an ein nachzuweisendes Grundgeschäft geknüpft wurde, wie eine Dienstleistung oder eine Warenlieferung. Dazu wurden spezielle Konten für Ausländer bei den AHBs geführt. Erst 1958 sah man die Bundesrepublik als leistungsfähig genug an, um die Währung frei konvertierbar zu machen.
Man hat nach der Einführung der Deutschen Mark die Devisenbewirtschaftung beibehalten, weil man unkontrollierten Kapitalabfluß verhindern wollte. Mag die Deutsche Mark heute auch als Erfolgsgeschichte gelten, so hatte man damals unter anderem die Sorge, daß die Menschen nicht genügend Vertrauen in sie hätten und bei schon geringer Unsicherheit ihre Guthaben etwa in Dollar tauschen würden.
Und mit dieser Unsicherheit kann man jetzt auch die Brücke zu den aktuellen Verwerfungen im Euro-Raum schlagen. Bis 2007 war nicht nur technisch, sondern auch in den Köpfen der Menschen ein Euro ein Euro, egal in welchem der (heute) 17 Länder der Eurozone er sich aufhielt. Mit der Finanzkrise begann das Vertrauen zu bröckeln, und spätestens seit der Diskussion über einen möglichen Austritt eines oder mehrerer Länder aus der Eurozone ist der kleine Bach zu einem großen Kapitalabfluß aus den betroffenen Ländern geworden.
Ein Austritt eines Landes aus der Eurozone wird gegenläufig zur Einführung des Euro durchgeführt werden müssen, d.h. nicht nur laufende Verträge werden etwa von Euro in Lira umgeändert, sondern auch Sparguthaben werden umgestellt. Wenn die Menschen eines Landes Sorge haben, daß ihre Sparguthaben entwertet werden, dann werden sie versuchen, ihr Geld in einer aus ihrer Sicht stabileren Währung anzulegen. So haben etwa die Russen in den 1990ern große Mengen Rubel im Westen angelegt. Oder aus dem Euro hat man sich in Richtung des Schweizer Franken geflüchtet. Das ist aber alles mit Spesen verbunden. Und eine Unsicherheit gäbe es überdies, denn theoretisch könnte die Zielwährung ja auch fallen.
Im Euro-Raum gibt es aber eine kostenlose Möglichkeit der Sicherheitsarbitrage: man überweist sein Guthaben von einer Bank in Griechenland, Italien oder Irland auf das eigene Konto bei einer Bank in Deutschland. Das ist dank der SEPA-Richtlinie sogar völlig spesenfrei. Man weiß nicht genau, wie ein eventueller Ausstieg eines Landes aus der Eurozone durchgeführt wird, aber man ist jedenfalls auf einer sichereren Seite, wenn man sein Geld in Deutschland angelegt hat. Das sieht in der Praxis so aus:
© Johann Grabner. Für Kommentare bitte hier klicken.
Beschränkt konnte man Sperrmark auch in freie Deutsche Mark umtauschen, aber nur mit Abschlag. So bekam man 1952 für eine Sperrmark 60 Pfennig freie Mark. Eine erste Liberalisierung brachte 1954 die Beko-Mark (beschränkt konvertible Mark), womit Zahlungsverkehr mit dem Ausland an ein nachzuweisendes Grundgeschäft geknüpft wurde, wie eine Dienstleistung oder eine Warenlieferung. Dazu wurden spezielle Konten für Ausländer bei den AHBs geführt. Erst 1958 sah man die Bundesrepublik als leistungsfähig genug an, um die Währung frei konvertierbar zu machen.
Man hat nach der Einführung der Deutschen Mark die Devisenbewirtschaftung beibehalten, weil man unkontrollierten Kapitalabfluß verhindern wollte. Mag die Deutsche Mark heute auch als Erfolgsgeschichte gelten, so hatte man damals unter anderem die Sorge, daß die Menschen nicht genügend Vertrauen in sie hätten und bei schon geringer Unsicherheit ihre Guthaben etwa in Dollar tauschen würden.
Und mit dieser Unsicherheit kann man jetzt auch die Brücke zu den aktuellen Verwerfungen im Euro-Raum schlagen. Bis 2007 war nicht nur technisch, sondern auch in den Köpfen der Menschen ein Euro ein Euro, egal in welchem der (heute) 17 Länder der Eurozone er sich aufhielt. Mit der Finanzkrise begann das Vertrauen zu bröckeln, und spätestens seit der Diskussion über einen möglichen Austritt eines oder mehrerer Länder aus der Eurozone ist der kleine Bach zu einem großen Kapitalabfluß aus den betroffenen Ländern geworden.
Ein Austritt eines Landes aus der Eurozone wird gegenläufig zur Einführung des Euro durchgeführt werden müssen, d.h. nicht nur laufende Verträge werden etwa von Euro in Lira umgeändert, sondern auch Sparguthaben werden umgestellt. Wenn die Menschen eines Landes Sorge haben, daß ihre Sparguthaben entwertet werden, dann werden sie versuchen, ihr Geld in einer aus ihrer Sicht stabileren Währung anzulegen. So haben etwa die Russen in den 1990ern große Mengen Rubel im Westen angelegt. Oder aus dem Euro hat man sich in Richtung des Schweizer Franken geflüchtet. Das ist aber alles mit Spesen verbunden. Und eine Unsicherheit gäbe es überdies, denn theoretisch könnte die Zielwährung ja auch fallen.
Im Euro-Raum gibt es aber eine kostenlose Möglichkeit der Sicherheitsarbitrage: man überweist sein Guthaben von einer Bank in Griechenland, Italien oder Irland auf das eigene Konto bei einer Bank in Deutschland. Das ist dank der SEPA-Richtlinie sogar völlig spesenfrei. Man weiß nicht genau, wie ein eventueller Ausstieg eines Landes aus der Eurozone durchgeführt wird, aber man ist jedenfalls auf einer sichereren Seite, wenn man sein Geld in Deutschland angelegt hat. Das sieht in der Praxis so aus:
"Every time the markets move, I get phone calls," says an Athens-based fund manager. "They're from investors asking: 'How can I get my money out of the country?' "
„Jedes Mal, wenn die Märkte erschüttert werden, bekomme ich Anrufe“, erklärt ein Fondsmanager in Athen. „Sie kommen von Investoren, die mich fragen: ‚wie kann ich mein Geld außer Landes bringen?‘“
Auch das Alternativszenario eines Austritts Deutschlands hat den Kapitalzustrom nicht gerade verhindert. Denn wenn man als Grieche seine Chance wahren will, daß die eigenen Ersparnisse von Euro in eine fiktive Deutschmark II konvertiert werden, dann auf jeden Fall nur dann, wenn man das Geld schon auf einem Konto in Deutschland liegen hat.
Und die Summe dieser Sicherheitsarbitrage ist von 310 Mrd. Euro auf mittlerweile 390 Mrd. Euro angestiegen, wir Prof. Sinn aktuell berichtet. Und die Unwucht wird so lange weiter anschwellen, so lange eine Chance besteht, daß ein Land aus der Eurozone austritt. Solange eben ein "deutscher Euro" als sicherer angesehen wird als ein "griechischer Euro".
Dieses Ungleichgewicht hätte schon viel früher auftreten können, denn es war zB schon 2004 bekannt, daß Griechenland seine Budgetziffern gefälscht hatte, um die Aufnahmekriterien für den Euro zu schaffen. Nur damals wurde noch von niemandem angezweifelt, daß Art. 140 AEUV gilt, der besagt, daß die Umstellung auf Euro "unwiderruflich" ist.
Im Gegensatz zu Professor Sinn bin ich allerdings nicht der Meinung, daß die Target-Salden aktuell ein Problem darstellen. Die Europäische Zentralbank steuert die Geldmenge für den gesamten Euro-Raum. Die nationalen Notenbanken können dagegen nicht selbstständig die Geldmenge verändern, sondern sich nur am Eurosystem bedienen. Für jeden Euro, den eine nationale Notenbank einer Geschäftsbank zusätzlich kreditiert, muß in einem anderen Land einer weniger abgegeben werden, wenn die EZB darauf besteht. Das erledigt sich im Fall des Kapitalabflusses Richtung Deutschland von allein, denn wegen der überschüssigen Liquidität der Geschäftsbanken hier fragen sie um genau das weniger Zentralbankgeld nach, als es die Geschäftsbanken in den Peripherieländern tun (die teilweise überhaupt keine andere Möglichkeit der Refinanzierung haben).
Verhindern oder auch nur begrenzen kann man die Entscheidung der Guthabeneigner nicht. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist einerseits eine der Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes. Und anderseits muß dem stillen Bank Run entgegengewirkt werden, denn sonst wären zahlreiche Banken in den vom Kapitalabfluß betroffenen Ländern schon längst zahlungsunfähig. Der stabile Zustand von vor-2008 läßt sich nur wieder herstellen, wenn jegliche Sorge, daß auch nur ein Land jemals aus der Währungsunion austreten könnte, zerstreut wird. Oder natürlich, indem Devisenbewirtschaftung wie eingangs beschrieben angewendet wird. Ein wohl unrealistisches Szenario.
Was Professor Sinn dagegen nur am Rande anspricht, das ist das Thema der nicht marktfähigen Sicherheiten der öffentlichen Hand, die zur Refinanzierung in einigen Ländern eingesetzt werden. Während die Deutsche Bundesbank solche "Kategorie 2"– Sicherheiten nicht akzeptiert, tun das die nationalen Notenbanken unter anderem von Griechenland oder Italien sehr wohl. Ich weiß in diesem Zusammenhang nicht, warum etwa Griechenland Probleme bei der Finanzierung des eigenen Haushalts hat, die bis zur Zahlungsunfähigkeit reichen. Als letzten Ausweg kann das Finanzministerium ja bei jeder Geschäftsbank vor Ort oder bei einem neu zu gründenden, in öffentlichem Eigentum stehenden Institut Wechsel in beliebiger Höhe einreichen. Diese nicht marktfähige Sicherheit läßt sich dann bei der Zentralbank Griechenlands gegen Euro tauschen. Das wäre eine zwar nur zur vorübergehenden Finanzierung sinnvolle, aber nach Art. 123 EUV legale Form der Staatsfinanzierung. Je nach Reaktion der EZB zwar möglicherweise auf Kosten der Geldmenge in den anderen Euro-Ländern, aber grundsätzlich nicht zu verhindern. Es mag sein, daß das Wissen über diesen Ausweg ausgereicht hat, um die Verhandlungen zum Rettungsschirm zu beschleunigen und man daher zu diesem Mittel erst gar nicht greifen muß.
Das, was die Bürger in den Euro-Ländern jedenfalls durch ihre Abstimmung mit den Füßen erreicht haben, ist, daß ein Auseinanderbrechen der Eurozone immer unwahrscheinlicher wird. Es wäre einfach zu teuer.
Und die Summe dieser Sicherheitsarbitrage ist von 310 Mrd. Euro auf mittlerweile 390 Mrd. Euro angestiegen, wir Prof. Sinn aktuell berichtet. Und die Unwucht wird so lange weiter anschwellen, so lange eine Chance besteht, daß ein Land aus der Eurozone austritt. Solange eben ein "deutscher Euro" als sicherer angesehen wird als ein "griechischer Euro".
Dieses Ungleichgewicht hätte schon viel früher auftreten können, denn es war zB schon 2004 bekannt, daß Griechenland seine Budgetziffern gefälscht hatte, um die Aufnahmekriterien für den Euro zu schaffen. Nur damals wurde noch von niemandem angezweifelt, daß Art. 140 AEUV gilt, der besagt, daß die Umstellung auf Euro "unwiderruflich" ist.
Im Gegensatz zu Professor Sinn bin ich allerdings nicht der Meinung, daß die Target-Salden aktuell ein Problem darstellen. Die Europäische Zentralbank steuert die Geldmenge für den gesamten Euro-Raum. Die nationalen Notenbanken können dagegen nicht selbstständig die Geldmenge verändern, sondern sich nur am Eurosystem bedienen. Für jeden Euro, den eine nationale Notenbank einer Geschäftsbank zusätzlich kreditiert, muß in einem anderen Land einer weniger abgegeben werden, wenn die EZB darauf besteht. Das erledigt sich im Fall des Kapitalabflusses Richtung Deutschland von allein, denn wegen der überschüssigen Liquidität der Geschäftsbanken hier fragen sie um genau das weniger Zentralbankgeld nach, als es die Geschäftsbanken in den Peripherieländern tun (die teilweise überhaupt keine andere Möglichkeit der Refinanzierung haben).
Verhindern oder auch nur begrenzen kann man die Entscheidung der Guthabeneigner nicht. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist einerseits eine der Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes. Und anderseits muß dem stillen Bank Run entgegengewirkt werden, denn sonst wären zahlreiche Banken in den vom Kapitalabfluß betroffenen Ländern schon längst zahlungsunfähig. Der stabile Zustand von vor-2008 läßt sich nur wieder herstellen, wenn jegliche Sorge, daß auch nur ein Land jemals aus der Währungsunion austreten könnte, zerstreut wird. Oder natürlich, indem Devisenbewirtschaftung wie eingangs beschrieben angewendet wird. Ein wohl unrealistisches Szenario.
Was Professor Sinn dagegen nur am Rande anspricht, das ist das Thema der nicht marktfähigen Sicherheiten der öffentlichen Hand, die zur Refinanzierung in einigen Ländern eingesetzt werden. Während die Deutsche Bundesbank solche "Kategorie 2"– Sicherheiten nicht akzeptiert, tun das die nationalen Notenbanken unter anderem von Griechenland oder Italien sehr wohl. Ich weiß in diesem Zusammenhang nicht, warum etwa Griechenland Probleme bei der Finanzierung des eigenen Haushalts hat, die bis zur Zahlungsunfähigkeit reichen. Als letzten Ausweg kann das Finanzministerium ja bei jeder Geschäftsbank vor Ort oder bei einem neu zu gründenden, in öffentlichem Eigentum stehenden Institut Wechsel in beliebiger Höhe einreichen. Diese nicht marktfähige Sicherheit läßt sich dann bei der Zentralbank Griechenlands gegen Euro tauschen. Das wäre eine zwar nur zur vorübergehenden Finanzierung sinnvolle, aber nach Art. 123 EUV legale Form der Staatsfinanzierung. Je nach Reaktion der EZB zwar möglicherweise auf Kosten der Geldmenge in den anderen Euro-Ländern, aber grundsätzlich nicht zu verhindern. Es mag sein, daß das Wissen über diesen Ausweg ausgereicht hat, um die Verhandlungen zum Rettungsschirm zu beschleunigen und man daher zu diesem Mittel erst gar nicht greifen muß.
Das, was die Bürger in den Euro-Ländern jedenfalls durch ihre Abstimmung mit den Füßen erreicht haben, ist, daß ein Auseinanderbrechen der Eurozone immer unwahrscheinlicher wird. Es wäre einfach zu teuer.
Johann Grabner
© Johann Grabner. Für Kommentare bitte hier klicken.