Denn die Fiskalkrise bedeutet für Staaten, die sich über den Lebensstandard ihrer Bevölkerung definieren, den Ausnahmefall, der ihre politische Struktur bloßlegt. Die älteren politischen Konzepte von Volkssouveränität, parlamentarischer Demokratie, Subsidiarität und Partizipation, die dagegenstehen, sind, wenn es Ernst wird, Folklore aus vergangenen Zeiten.
Kommentar: Die Zwischenüberschriften des Artikels lauten "Die Diktatur des Kommissariats", "Wir sind zu klein für die Welt" und "Der Preis des Wachstums". Damit ist Kaubes These zusammengefaßt: Die jetzige Krise legt in der EU diejenigen Strukturen bloß, die faktisch in den vergangenen Jahrzehnten schon entstanden sind, die aber in Zeiten wachsenden Wohlstands nicht als solche wahrgenommen wurden:
Kaube ist als Ressortleiter der FAZ einer der führenden deutschen Journalisten. Ein Mann mit einem interessanten Hintergrund: Ein Diplom-Volkswirt, der aber auch Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte studiert hat. Bei der FAZ leitete er zunächst das Ressort "Forschung und Lehre" und jetzt das Ressort "Geisteswissenschaften".
Mir gefällt seine nüchtern-analytische Haltung. Er ist weder ein Verteidiger der Entscheidungen, die in diesen Tagen in Europa fallen; noch ist er ein romantischer Euroskeptiker, der meint, man könne das, was in Jahrzehnten an wirtschaftlicher Verflechtung und an Machtstrukturen gewachsen ist, rückgängig machen. Das ist auch meine Sicht.
Wie konnte Griechenland eigentlich diesen gigantischen Schuldenberg aufbauen? Wie konnte ein Land, das kaum exportierende Industrie besitzt, sich einen prächtigen Sozialstaat leisten, wie konnte es der größte Rüstungsimporteur Europas werden? Weil sich niemand um die Risiken gekümmert hat, solange es in Europa aufwärts ging.
Ebenso war es mit den wirtschaftlichen Verflechtungen, vor allem seit der Einführung des Euro, und mit den sich entwickelnden Macht- und Abhängigkeitsstrukturen. Man ließ das sich entwickeln; es ging doch alles gut.
Man ließ es wuchern. Grundfragen wie diejenige, auf was für ein Europa das eigentlich hinauslaufen sollte, wurden kaum thematisiert (siehe Das im Irrgarten der Einigung herumtaumelnde Europa; ZR vom 15. 1. 2007). Der schleichende Souveränitätsverlust der Staaten wurde hinter einem deklarierten Prinzip der Subsidiarität versteckt, das immer mehr ausgehöhlt wurde (siehe Anti-Subsidiarität: Eine Bedrohung unserer Freiheit; ZR vom 23. 3. 2007).
Aber man kann nicht endlos über seine Verhältnisse leben, wie man das Griechenland jahrzehntelang hat durchgehen lassen. Und Strukturen, die durch ein heiteres Gefühl von Friede, Freude, Eierkuchen überdeckt werden, zeigen sich irgendwann doch. Entwicklungen finden statt, auch wenn niemand das ausdrücklich so gebilligt hat.
Jetzt wird das sichtbar, was - als in Deutschland diese Diskussion noch überhaupt nicht stattfand - Stratfor bereits im Juli thematisiert hat: In der jetzigen Krise ist Europa auf Deutschland angewiesen, und als Folge wird Europa künftig von Deutschland dominiert werden (siehe "Deutschland braucht eine nationale Debatte über seine Rolle in der Welt"; ZR vom 28. 7. 2011).
Ein "Durchgriffsrecht" nennt das die Kanzlerin. Die Souveränität von Staaten wie Griechenland ist, wie es Kaube sagt, dann nur noch Folklore. Die Souveränität Deutschlands wird ebenso betroffen sein; denn auch der Geber geht Abhängigkeiten ein.
Jürgen Kaube heute in der FAZ über die Zukunft Europas; Überschrift: "Die absolutistische Demokratie".
Kommentar: Die Zwischenüberschriften des Artikels lauten "Die Diktatur des Kommissariats", "Wir sind zu klein für die Welt" und "Der Preis des Wachstums". Damit ist Kaubes These zusammengefaßt: Die jetzige Krise legt in der EU diejenigen Strukturen bloß, die faktisch in den vergangenen Jahrzehnten schon entstanden sind, die aber in Zeiten wachsenden Wohlstands nicht als solche wahrgenommen wurden:
Solange alles wuchs, wurde auch nicht gefragt, wohin es politisch wuchs und woraus es politisch wuchs. Was nicht weiter auffiel, weil die Wachstumsfragen, denen zunehmend Lebensbereiche zugeordnet wurden - Bildung, Wissenschaft, Verkehr, Gesundheit -, sich stets als Freiheitsfragen darstellen ließen: Konsumentensouveränität, Reisefreiheit, Handels-freiheit, Niederlassungsfreiheit und so weiter.Damit sei es in der jetzigen Krise vorbei, meint Jürgen Kaube.
Kaube ist als Ressortleiter der FAZ einer der führenden deutschen Journalisten. Ein Mann mit einem interessanten Hintergrund: Ein Diplom-Volkswirt, der aber auch Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte studiert hat. Bei der FAZ leitete er zunächst das Ressort "Forschung und Lehre" und jetzt das Ressort "Geisteswissenschaften".
Mir gefällt seine nüchtern-analytische Haltung. Er ist weder ein Verteidiger der Entscheidungen, die in diesen Tagen in Europa fallen; noch ist er ein romantischer Euroskeptiker, der meint, man könne das, was in Jahrzehnten an wirtschaftlicher Verflechtung und an Machtstrukturen gewachsen ist, rückgängig machen. Das ist auch meine Sicht.
Wie konnte Griechenland eigentlich diesen gigantischen Schuldenberg aufbauen? Wie konnte ein Land, das kaum exportierende Industrie besitzt, sich einen prächtigen Sozialstaat leisten, wie konnte es der größte Rüstungsimporteur Europas werden? Weil sich niemand um die Risiken gekümmert hat, solange es in Europa aufwärts ging.
Ebenso war es mit den wirtschaftlichen Verflechtungen, vor allem seit der Einführung des Euro, und mit den sich entwickelnden Macht- und Abhängigkeitsstrukturen. Man ließ das sich entwickeln; es ging doch alles gut.
Man ließ es wuchern. Grundfragen wie diejenige, auf was für ein Europa das eigentlich hinauslaufen sollte, wurden kaum thematisiert (siehe Das im Irrgarten der Einigung herumtaumelnde Europa; ZR vom 15. 1. 2007). Der schleichende Souveränitätsverlust der Staaten wurde hinter einem deklarierten Prinzip der Subsidiarität versteckt, das immer mehr ausgehöhlt wurde (siehe Anti-Subsidiarität: Eine Bedrohung unserer Freiheit; ZR vom 23. 3. 2007).
Aber man kann nicht endlos über seine Verhältnisse leben, wie man das Griechenland jahrzehntelang hat durchgehen lassen. Und Strukturen, die durch ein heiteres Gefühl von Friede, Freude, Eierkuchen überdeckt werden, zeigen sich irgendwann doch. Entwicklungen finden statt, auch wenn niemand das ausdrücklich so gebilligt hat.
Jetzt wird das sichtbar, was - als in Deutschland diese Diskussion noch überhaupt nicht stattfand - Stratfor bereits im Juli thematisiert hat: In der jetzigen Krise ist Europa auf Deutschland angewiesen, und als Folge wird Europa künftig von Deutschland dominiert werden (siehe "Deutschland braucht eine nationale Debatte über seine Rolle in der Welt"; ZR vom 28. 7. 2011).
Ein "Durchgriffsrecht" nennt das die Kanzlerin. Die Souveränität von Staaten wie Griechenland ist, wie es Kaube sagt, dann nur noch Folklore. Die Souveränität Deutschlands wird ebenso betroffen sein; denn auch der Geber geht Abhängigkeiten ein.
Zettel
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