Die Finanzlage von Bund, Ländern und Kommunen hat sich dramatisch zugespitzt. Die Dimension des Problems ist viel größer, als viele selbst in meiner Partei wahrhaben wollen. Deshalb ist jetzt der Moment gekommen, wo wir den Menschen in aller Offenheit sagen müssen: Wir leben in dramatischer Weise über unsere Verhältnisse. Die Zeit der Behutsamkeit ist vorbei.
Ministerpräsident Roland Koch in einem "Spiegel"-Gespräch, das in der Ausgabe der kommenden Woche (20/2010 vom 17. 5. 2010) erscheint.
La question n'est donc déjà plus de savoir s'il faut ou non faire une politique d'austérité mais bien de concevoir à quelles conditions l'austérité ne débouchera pas sur une catastrophe majeure.
(Die Frage ist also schon nicht mehr, zu wissen, ob eine Sparpolitik verfolgt werden muß oder nicht, sondern vielmehr ein Konzept davon zu entwickeln, unter welchen Bedingungen die Sparpolitik nicht in einer umfassenden Katastrophe endet).
Jacques Julliard, stellvertretender Chefredakteur des Nouvel Observateur, in einem Kommentar in dessen aktueller Ausgabe (Nr. 2375 vom 12. Mai 2010).
Kommentar: Ich halte Roland Koch für einen der klügsten deutschen Politiker und finde damit vermutlich nicht die Zustimmung vieler meiner liberalen Freunde, denen Koch zu rechts ist. Ich halte Jacques Julliard für den - nach seinem Confrère Jean Daniel - klügsten französischen Publizisten. Auch da kann ich nicht mit der Zustimmung vieler Liberaler rechnen, denen der bekennende Anhänger des Parti Socialiste zu weit links sein dürfte.
Beide schätze ich, weil sie ungewöhnlich intelligent und ungewöhnlich mutig sind, jeder in seiner Profession. Koch wie Julliard sprechen das aus, was bis vor kurzem gewissermaßen als Staatsgeheimnis behandelt wurde, in Frankreich wie in Deutschland: Mit den Ausgaben kann es so nicht weitergehen. Vom Staat wird mehr an Leistungen erwartet, als er leisten kann. Auch die Kanzlerin spricht das jetzt, nach den Wahlen in NRW, mit bemerkenswerter Härte aus.
Mit Schlagworten: Wir müssen den Gürtel enger schnallen. Mit dem Nanny-Staat muß Schluß sein. Wenn man es so formuliert, dann wird man vermutlich wieder die Zustimmung vieler Liberaler haben.
Ministerpräsident Roland Koch in einem "Spiegel"-Gespräch, das in der Ausgabe der kommenden Woche (20/2010 vom 17. 5. 2010) erscheint.
La question n'est donc déjà plus de savoir s'il faut ou non faire une politique d'austérité mais bien de concevoir à quelles conditions l'austérité ne débouchera pas sur une catastrophe majeure.
(Die Frage ist also schon nicht mehr, zu wissen, ob eine Sparpolitik verfolgt werden muß oder nicht, sondern vielmehr ein Konzept davon zu entwickeln, unter welchen Bedingungen die Sparpolitik nicht in einer umfassenden Katastrophe endet).
Jacques Julliard, stellvertretender Chefredakteur des Nouvel Observateur, in einem Kommentar in dessen aktueller Ausgabe (Nr. 2375 vom 12. Mai 2010).
Kommentar: Ich halte Roland Koch für einen der klügsten deutschen Politiker und finde damit vermutlich nicht die Zustimmung vieler meiner liberalen Freunde, denen Koch zu rechts ist. Ich halte Jacques Julliard für den - nach seinem Confrère Jean Daniel - klügsten französischen Publizisten. Auch da kann ich nicht mit der Zustimmung vieler Liberaler rechnen, denen der bekennende Anhänger des Parti Socialiste zu weit links sein dürfte.
Beide schätze ich, weil sie ungewöhnlich intelligent und ungewöhnlich mutig sind, jeder in seiner Profession. Koch wie Julliard sprechen das aus, was bis vor kurzem gewissermaßen als Staatsgeheimnis behandelt wurde, in Frankreich wie in Deutschland: Mit den Ausgaben kann es so nicht weitergehen. Vom Staat wird mehr an Leistungen erwartet, als er leisten kann. Auch die Kanzlerin spricht das jetzt, nach den Wahlen in NRW, mit bemerkenswerter Härte aus.
Mit Schlagworten: Wir müssen den Gürtel enger schnallen. Mit dem Nanny-Staat muß Schluß sein. Wenn man es so formuliert, dann wird man vermutlich wieder die Zustimmung vieler Liberaler haben.
Was Julliard als Publizist von Koch und Merkel, den Politikern, unterscheidet, daß ist seine analytische Kraft. Ihm, der seit langem in einem Staat mit starken kommunistischen Strömungen lebt, ist klar, daß die unausweichliche Sparpolitik zu sozialen - also, aus meiner Sicht, zu von den Kommunisten geschürten und von ihnen ausgeschlachteten - Konflikten führen wird, im Vergleich zu denen die Krawalle in Griechenland nur ein mildes Frühlingslüftlein gewesen sind.
Um das zu verhindern, hält Julliard dreierlei für unausweichlich: Erstens dürften keine der erforderlichen Sparmaßnahmen Investitionen behindern. Denn diese seien das einzige Mittel, um aus der Krise zu herauszukommen. Zweitens könne ein Minimum an sozialem Zusammenhalt nur dadurch erhalten werden, daß die Lasten "gerecht" verteilt würden. Die Anführungszeichen sind meine; aber es ist aus klar, daß es Julliard allein um die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit geht.
Drittens bedürfe es eines Minimalkonsenses der politischen Parteien. In diesem Punkt ist Julliard, was Frankreich angeht, pessimistisch. Zu tief seien die Gräben seit dem Amtsantritt von Nicolas Sarkozy geworden.
Solange in Deutschland nur demokratische Parteien in den Parlamenten waren, stand es bei uns in Bezug auf diesen dritten Punkt besser als in Frankreich. Keine Partei - und auch, nebenbei, nicht die große Mehrheit der Gewerkschafter - wollte eine Krise als Hebel verwenden, um unsere staatliche und gesellschaftliche Ordnung zu unterminieren. Es gab einen Konsens der Bejahung unseres Systems, der wesentlich zum Erfolg des "Modells Deutschland" beigetragen hat.
Das ist vorbei. Es gibt heute in Deutschland die Partei "Die Linke", die im Bundestag und in Landesparlamenten, demnächst vielleicht in NRW in der Regierung sitzt und die im Entwurf ihres Parteiprogramms offen einen "großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts" fordert.
Weiter heißt es in dem Programmentwurf: "Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein"; siehe DDR Reloaded: "Die Linke" stellt morgen den Entwurf ihres Programms vor; ZR vom 19. 3. 2010.
Auf die revolutionäre Tiefe warten sie, die Kommunisten. Sie haben längst die beiden demokratischen linken Parteien, die SPD und die Grünen, bezirzt. Statt mit uns anderen Demokraten Schulter an Schulter gegen die Feinde unseres Staats und unserer Gesellschaft zu kämpfen, paktieren sie mit ihnen.
Ein gesellschaftlicher Konsens, der den erforderlichen harten Sparkurs möglich machen würde, ist damit in Deutschland in so weiter Ferne wie in Frankreich. Es gibt Anlaß zum Pessimismus.
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