18. Mai 2010

Marginalie: Vorschlag für ein Revirement des Bundeskabinetts

Als die Regierungsarbeit noch nicht in der Zwangsjacke von "Koalitionsverträgen" steckte und als der Kanzler seine Kompetenz noch dazu nutzen konnte, sein Kabinett umzubilden, wann immer es ihm geboten erschien - in diesen Zeiten eines klassischen Parlamentarismus in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik waren sogenannte Revirements nichts Unübliches:

Der Kanzler entließ Minister, berief andere neu ins Kabinett, vor allem aber änderte er die Besetzung der Ressorts. Im April 1989 beispielsweise bildete Helmut Kohl sein Kabinett gründlich um:

Der Finanzminister Stoltenberg wurde durch Theo Waigel ersetzt, der Innenminister Friedrich Zimmermann durch Wolfgang Schäuble. Zimmermann wechselte ins Verkehrs-Ressort, wo er den wenig erfolgreichen Jürgen Warnke ablöste. Stoltenberg übernahm das Verteidigungsministerium von Rupert Scholz, dessen Amtszeit von ermüdenden Kontroversen begleitet gewesen war. Etliche weitere Kabinettsposten wurden umbesetzt; andere Minister wechselten in neue Ämter, wie der Minister für Wirtschaftliche Zusammenarbeit Hans Klein, der Chef des Bundespresseamts im Ministerrang wurde.

Diese Kabinettsumbildung ist damals kritisch, im "Spiegel" von Erich Böhme sogar sehr gallig kommentiert worden. Ob sie erfolgreich war, ist schwer zu beurteilen, denn ein halbes Jahr später begann sich die politische Landschaft durch die heraufziehende Wiedervereinigung radikal zu ändern.



Mir ging das durch den Kopf, als ich gestern in der ARD die Sendung "Beckmann" sah. Der Freiherr zu Guttenberg war zum Thema Afghanistan eingeladen worden, aber zu großer Form lief er auf, als es um Wirtschafts- und Finanzpolitik ging. Vor meinem geistigen Auge erhob sich die Gestalt von Rainer Brüderle, und ich schauderte leicht.

Nehmen wir einmal an, es wäre auch heute noch das möglich, was noch 1989 eine Selbstverständlichkeit war: So, wie es das Grundgesetz vorsieht, ernennt und entläßt der Bundespräsident die Bundesminister auf Vorschlag des Kanzlers. Nehmen wir einmal an, die Kanzlerin hätte trotz "Koalitionsvertrag" und "Koalitionsausschuß" noch die Kompetenzen, die ihr das Grundgesetz zuweist.

Dann läge es auf der Hand, daß Rainer Brüderle, der als Minister im schönen Weinland Rheinland-Pfalz den Gipfel seiner Fähigkeiten erreicht hatte, ersetzt werden muß. Keiner bietet sich dafür mehr an als der Freiherr zu Guttenberg, der sich in seiner kurzen Amtszeit am Ende der Großen Koalition den Ruf eines exzellenten Wirtschaftsministers erworben hat.

Finanzminister Schäuble ist seinem im Zeichen der EU mit ständigem Reisen verbundenen Amt gesundheitlich nicht mehr gewachsen. Er sollte aus dem Kabinett ausscheiden; man kann als ein großer Staatsmann, der Schäuble ist, auf andere Weise als in der aktiven Politik gestaltend wirken. Helmut Schmidt beweist das seit Jahrzehnten.

Guido Westerwelle ist im Auswärtigen Amt fehl am Platz, wird aber dringend in der Finanzpolitik benötigt. Keine Partei hat das Sparen so auf ihre Fahnen geschrieben wie die FDP. Jetzt, wo Austerität unumgänglich geworden ist (siehe Sparpolitik und eine drohende Katastrophe; ZR vom 16. 5. 2010), gehört Guido Westerwelle ins Amt des Finanzministers. Mit der Autorität eines Parteivorsitzenden kann er notwendige Streichungen durchsetzen.

Ein Duo Westerwelle - Guttenberg könnte es mit den großen Finanz- und Wirtschaftsproblemem aufnehmen, die auf uns zukommen; eine Neuauflage von "Plisch und Plum", dem Wirtschaftsminister Karl Schiller und dem Finanzminister Franz-Josef Strauß, die gemeinsam die Probleme Ende der sechziger Jahre meisterten.

Nachfolger von Guttenberg im Verteidigungsministerium könnte der Hauptmann d.R. Dirk Niebel werden, der dazu das Zeug hat. Und ins Entwicklungsministerium könnte einer der ausgezeichneten jüngeren Abgeordneten nachrücken, die es in der FDP-Fraktion gibt; beispielsweise Otto Fricke.

Die FDP hätte dann weiter fünf Ministerien, davon drei klassische (Finanzen, Verteidigung und Justiz); dazu wie bisher Gesundheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Der Besitzstand der CSU wäre nicht tangiert. Für den ausscheidenden Wolfgang Schäuble könnte Eckart von Klaeden, ein ausgezeichneter Außenpolitiker und jetzt Staatsminister im Bundeskanzleramt, ins Kabinett einrücken und das Auswärtige Amt übernehmen.



Eine Gedankenspielerei, gewiß. Natürlich gibt es viele Gründe, die gegen ein solches Revirement sprechen. Aber warum soll man in einem Blog nicht einmal ein wenig in Gedanken spielen, mit den Gedanken spielen?



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