17. Mai 2010

Marginalie: Das Ergebnis der Vorstandswahlen bei der Partei "Die Linke". Nebst einer Erinnerung an die Ansichten von Sahra Wagenknecht

Wenn im Sportteil einer Zeitung zu lesen wäre "Die Kickers 09 haben gegen die Sportfreunde 05 gewonnen", ohne Angabe der Zahl der Tore; und wenn gar noch die zugehörige Tabelle fehlte, dann würde man diese Zeitung für nicht besonders informativ halten.

Sollte man Parteien nicht ebenso ernst nehmen wie Kicker? Die Partei "Die Linke" hat gestern in Rostock ihren Vorstand neu gewählt. Kaum irgendwo in den Medien habe ich bisher die Ergebnisse im einzelnen erfahren.

Ihnen, lieber Leser, möchte ich sie gern als kleinen Service bieten, und zwar durch diesen Link zur einschlägigen Seite der Partei "Die Linke".

Ich fand einiges recht interessant. Zum Beispiel, daß der Vorsitzende der Partei "Die Linke" in NRW, Wolfgang Zimmermann, Mitglied der kommunistischen "Internationalen sozialistischen Linken" (siehe Auf dem Weg in die Volksfront? Über die Mitglieder der Fraktion von "Die Linke"; ZR vom 13. 5. 2010), von allen Kandidaten für den Beisitz im Vorstand die höchste Stimmenzahl (251 Stimmen) erhielt, gleichauf mit einem zweiten Kandidaten.



Oder nehmen wir die Wahl von Sahra Wagenknecht. Sie wurde stellvertretende Vorsitzende dieser Partei, ohne daß dieser Umstand es in viele Schlagzeilen geschafft hätte.

Daß sie bekennende Kommunistin ist (ihre Mitgliedschaft bei der "Kommunistischen Plattform" ruht, seit sie für den stellvertretenden Vorsitz ins Gespräch gebracht wurde), weiß jeder halbwegs interessierte Zeitungsleser. Aber welche Ansichten sie vertritt, daran sollte man anläßlich ihrer Wahl an die Parteispitze vielleicht doch wieder einmal erinnern.

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" sagte Wagenknecht am 17. Juni 2001, also mehr ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung, unter anderem dies:
  • "Der Bau der Mauer war nicht nur eine Entscheidung der DDR, sondern eine, an der vor allem die UdSSR und die USA beteiligt waren. Es war eine Maßnahme, die in der konkreten Situation friedenssichernd war".

  • "Ganz einfach, weil wir uns als Kommunisten verstehen und die kommunistische Tradition ein Bestandteil der PDS ist". (Auf eine Frage nach dem Namen "Kommunistische Plattform").

  • "Sie war jedenfalls nicht undemokratischer". (Auf die Frage, ob die DDR demokratischer war als die Bundesrepublik).

  • Begründet hatte Sahra Wagenknecht ihren Ruhm als führende deutsche Kommunistin durch einen Aufsatz, der im April 1992 in "Glasnost" erschienen war.

    Aus diesem Artikel mit dem Titel "Marxismus und Opportunismus - Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute" ist seither oft zitiert worden. Aber da die Autorin nun die Partei "Die Linke" in herausgehobener Position repräsentiert, die es noch immer nicht gern laut sagt, daß sie eine kommunistische Partei ist, möchte ich doch einige Passagen in Erinnerung rufen:
  • Vor allem die Ereignisse zwischen Februar und Herbst 1917 zeigten sehr deutlich, auf wessen Seite Konsequenz, Zielstrebigkeit und letztlich Erfolg zu finden waren und wer nach der erbärmlichsten Politik des Schwankens und Zurückweichens bis hin zum offenen Verrat - letztlich ruhmlos die politische Bühne verlassen mußte. Die Geschehnisse jenes Zeitabschnitts gaben Lenin und den Bolschewiki das unzweifelhafte historische Recht ihr politisches Konzept als das einzig gangbare zu betrachten. Heute nun sollten ihre damaligen Gegner Recht erhalten? Nicht zu leugnen ist, daß Stalins Politik - in ihrer Ausrichtung, ihren Zielen und wohl auch in ihrer Herangehensweise - als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann.

  • Und was immer man - berechtigt oder unberechtigt - gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht während eines weltgeschichtlich einzigartigen Zeitraums; damit die Überwindung von Elend, Hunger, Analphabetismus, halbfeudalen Abhängigkeiten und schärfster kapitalistischer Ausbeutung.

  • Dagegen entstellt keines von jenen Krisensymptomen, an denen der Sozialismus in seiner Endphase krankte, bereits in den zwanziger bis fünfziger Jahren das Bild der sowjetischen Gesellschaft. Wir finden keine wirtschaftliche Stagnation, keine zunehmende Differenz gegenüber dem vom Kapitalismus erreichten technischen Stand, keine produktionshemmenden Leitungsstrukturen, keine Außerkraftsetzung des Leistungsprinzips, keine Vernachlässigung der Wissenschaften und der Kultur; erst recht keine Konzeptions- und Ziellosigkeit des Handelns, kein hilfloses Schwanken und auf allernächste Zwecke beschränktes Lavieren.

  • Bis in die sechziger Jahre stellt sich also die Geschichte des DDR-Sozialismus als einheitlicher, folgerichtiger Prozeß dar. Die wesentlichen Fragen, die beantwortet werden müssen, um den Gründen seines letztlichen Unterganges auf die Spur zu kommen lauten demnach: Wann erfolgte der Abbruch dieser Kontinuität? Was veranlaßte die SED jene hoffnungsvolle, erfolgreiche und viel versprechende Politik zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzugeben? (...) Relativ leicht festzulegen ist der Zeitpunkt des Wandels: die gründlichste Umkrempelung der politischen Linie in der gesamten DDR-Geschichte folgte Ulbrichts Sturz im Jahre 1971. Sämtliche späteren Niedergangserscheinungen lassen sich unschwer auf die in jenem Zeitraum eingeleiteten Veränderungen zurückführen.



  • Gestern wurde Sahra Wagenknecht zur stellvertretenden Vorsitzenden der Partei "Die Linke" gewählt. Alle vier Kandidaten wurden mit großer Mehrheit gewählt. Sahra Wagenknecht erhielt mit 418 von von 558 abgegebenen Stimmen das zweitbeste Ergebnis, nur ganz knapp hinter Heinz Bierbaum mit 421 Stimmen.



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