13. Mai 2010

Nach der Wahl in NRW (3): Auf dem Weg in die Volksfront? Über die Mitglieder der Fraktion von "Die Linke"

Dieser dritte und letzte Teil der kleinen Serie zur Wahl in NRW befaßt sich mit der - jedenfalls aus meiner Sicht - wahrscheinlichsten Regierungsbildung: der einer Regierung der Volksfront.

Vorab zwei Bemerkungen. Die eine betrifft den Terminus "Volksfront" für eine Regierung aus Sozialdemokraten, Grünen und Kommunisten. Er ist in diesem Zusammenhang ungebräuchlich. Ich benutze ihn jedoch seit Jahren; siehe zum Beispiel Erhard Eppler und die Volksfront; ZR vom 19. 1. 2007. Warum, das habe ich in diesem Artikel erläutert; und ich zitiere es der Einfachheit halber:
Noch eine Bemerkung zur Terminologie: Ich weiche vom üblichen Sprachgebrauch ab, wenn ich die Partei, die im Augenblick "Die Linke" heißt, als die Kommunisten bezeichne und wenn ich von der Volksfront dort spreche, wo es meist Rot- Rot- Grün heißt, oder Dunkelrot- Rosa- Grün oder dergleichen.

Daß "Die Linke" eine kommunistische Partei ist, geht nicht nur daraus hervor, daß sie von ihrer ersten Umbenennung in SED/PDS an bis heute niemals erklärt hat, keine kommunistische Partei mehr zu sein. Ein noch eindeutigerer Beleg ist es, daß der Vorsitzende von "Die Linke", Lothar Bisky, in Personalunion der Vorsitzende von fast allen europäischen Kommunisten ist; siehe Lothar Bisky, Vorsitzender von zwei Parteien; ZR vom 1.9.2008.

Was die "Volksfront" angeht - das ist nun einmal die historisch korrekte Bezeichnung für ein Bündnis zwischen Sozialdemokraten, Kommunisten und weiteren linken Parteien.

Die bekannteste Volksfront war der 1935 in Frankreich geschlossene Front Populaire, der es ein Jahr später an die Regierung schaffte; ebenfalls 1936 wurde in Spanien eine Volksfront gebildet. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Volksfront- Regierungen; zum Beispiel in Chile unter Allende und in Frankreich, wo die Sozialisten, die linksbürgerlichen Radikalen und die Kommunisten 1972 ein gemeinsames Regierungs-Programm beschlossen, das ab 1981 realisiert wurde. Es scheiterte freilich innerhalb von zwei Jahren; so wie alle Volksfront- Experimente bisher gescheitert sind.
Die zweite Vorbemerkung betrifft meine Zitierpraxis in dem jetzigen Artikel.

Ich habe in den letzten Tagen Material über die Mitglieder der kommunistischen Fraktion im neuen Landtag von NRW gesammelt und bin dabei auf einen Artikel des Südwest-Rundfunks (SWR) gestoßen, der das bereits weitgehend geleistet hat und der ohne Einschränkung zum Zitieren freigegeben ist: Die Presseinformation REPORT MAINZ, Montag, 10. Mai 2010, 22:00 Uhr im ERSTEN mit dem Titel "Linke-Abgeordnete in NRW: 'DDR war ein legitimer Versuch'. Sieben der elf Fraktionsmitglieder in Organisationen, die als extremistisch gelten".

Ich werde deshalb, anders als sonst in ZR üblich, große Abschnitte dieser Pressemitteilung übernehmen und sie durch eigene Kommentare und Informationen ergänzen.



Mit wem also wollen die Sozialdemokraten und die Grünen Sondierungsgespräche über eine mögliche gemeinsame Regierung führen?

Die Liste der Mitglieder der Fraktion von "Die Linke" findet man gegenwärtig, samt Porträts, auf der WebSite der Partei "Die Linke" in NRW. Zu ihnen schreibt der SWR:
Sieben der elf Linken-Abgeordneten im nordrhein-westfälischen Landtag sind in Organisationen aktiv, die vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft wurden. Außerdem waren weitere drei Fraktionsmitglieder in extremistischen Organisationen bzw. deren Umfeld aktiv. Das ergeben Recherchen des ARD-Politikmagazins REPORT MAINZ.

Unter den Linken-Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag finden sich zahlreiche Vertreter der "Sozialistischen Linken", der "Antikapitalistischen Linken", ein Mitglied der "Roten Hilfe" sowie eine Abgeordnete mit DKP-Vergangenheit. Im Gespräch mit REPORT MAINZ bezeichnen mehrere Landtagsabgeordnete der Linken die DDR als einen "legitimen Versuch".
"Die Sozialistische Linke" ist eine kommunistische Organisation, die laut Wikipedia die italienische Partito della Rifondazione Comunista (Partei der kommunistischen Neugründung) als eines ihrer Vorbilder ansieht. Diese hat sich 1991 als Organisation der orthodoxen Kommunisten von der PCI, der italienischen Kommunistischen Partei, abgespalten, als die diese unter Umbenennung in PDS einen Reformkurs einschlug.

Wes Geistes Kind diese "Sozialistische Linke" ist, die laut Wikipedia vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wird, zeigt ein Blick in ihre WebSite, auf der zum Beispiel von der "menschenverachtenden Politik Israels" die Rede ist.

Die "Antikapitalistische Linke" wird vom Verfassungsschutz des Landes Baden-Württemberg ebenfalls als linksextremistisch eingestuft. Ihre WebSite finden Sie hier, wo zu lesen ist: "Wir müssen auch klar sagen, dass wir alle marktdominierenden großen Betriebe vergesellschaften wollen. In privater Hand sollen nur kleine und mittlere Unternehmen bleiben. (...) Wir wollen die Auflösung der Bundeswehr und der NATO."

Nicht erwähnt ist in dem Text des SWR, daß ein weiterer frischgebackener Abgeordneter der Partei "Die Linke", deren Landesvorsitzender Wolfgang Zimmermann, Mitglied der "Internationalen Sozialistischen Linken" ist, einer kommunistischen Organisation trotzkistischer Ausrichtung; so jedenfalls die Wikipedia zu Zimmermann. Weiter der SWR:
Die Spitzenkandidatin und künftige Fraktionschefin der Linken, Bärbel Beuermann, zählt nach Recherchen von REPORT MAINZ zu den Unterzeichnern des Gründungsaufrufs der Gruppierung "Sozialistische Linke", in dem die DDR als ein "legitimer Versuch" bezeichnet wird. Auf die Frage von REPORT MAINZ, ob die "Stasi" legitim gewesen sei, antwortet Beuermann mit der Gegenfrage: "Ist denn der Verfassungsschutz legitim?".

Die Linken-Landtagsabgeordnete Gunhild Böth verneint gegenüber REPORT MAINZ die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Wörtlich sagt sie: "Insgesamt, in toto, kann man das, glaube ich, so nicht sagen. Wenn man sich anguckt, aus welchen Trümmern sozusagen die DDR und mit welchen Reparationszahlungen die auch sehr demokratisch und auch sehr antifaschistisch eine neue Republik aufgebaut haben, dann muss man sagen, finde ich das sehr beeindruckend." Wie sie bezeichnet auch die Linken-Landtagsabgeordnete Carolin Butterwegge die DDR im Interview mit REPORT MAINZ als einen "legitimen Versuch".

Die Linken-Landtagsabgeordnete Anna Conrads ist Mitglied der "Roten Hilfe e.V.". Aus einer aktuellen Einschätzung der Bundesregierung, die dem ARD-Politikmagazin vorliegt, heißt es, Ziel dieser Organisation sei, "gewaltbereite 'Linke' in ihrem Kampf gegen die bestehende Ordnung zu stützen und zu stärken". Die "Rote Hilfe" verfolge "linksextremistische, d.h. verfassungsfeindliche Bestrebungen" und schrecke "selbst vor Solidarität mit inhaftierten terroristischen Gewalttätern, insbesondere aus der 'Roten Armee Fraktion' (RAF) nicht zurück und relativiert die von diesen begangenen Gewalttaten".
Zur "Roten Hilfe" siehe auch Warum war Juso-Chefin Franziska Drohsel Mitglied der "Roten Hilfe"?; ZR vom 1. 12. 2007. Ergänzend dazu kann man hier lesen, wie diese Organisation ihre Schutzbefohlenen aussucht: Unterstützt wird nur, wer nicht mit Polizei und Staatsanwaltschaft zusammenarbeitet. Der SWR:
Gegenüber REPORT MAINZ meint die Linken-Landtagsabgeordnete Anna Conrads dagegen auf die Frage, wie sie ihr politisches Mandat und ihre Mitgliedschaft in der "Roten Hilfe" vereinbaren könne: "Die Rote Hilfe ist eine Organisation, die sich für Menschen einsetzt, die bestimmten Repressionen ausgesetzt sind, und ich kann das sehr gut vereinbaren."



Soweit der Bericht des SWR. Laut "Welt-Online" gehören mindestens zwei weitere Fraktionsmitglieder der "Sozialistischen Linken" oder der "Antikapitalistischen Linken" an, nämlich Carolin Butterwegge und Ralf Michalowsky.

Damit wissen Sie jetzt etwas über alle Abgeordneten auf den vorderen sieben Listenplätzen; außer Rüdiger Sagel, der für die Grünen in den letzten Landtag gewählt worden war und im Lauf der Legislaturperiode in die Partei "Die Linke" wechselte.

Und wer sind die Abgeordneten, die über die letzten vier Listenplätze in den Landtag gelangt sind? Es sind, in dieser Reihenfolge, Ali Atalan, Özlem Alev Demirel, Michael Aggelidis und Hamide Akbayir. Dazu die moslemische WebSite Islam.de gestern:
Im neuen nordrhein-westfälischen Landtag sitzen künftig sechs türkischstämmige Abgeordnete. Gleich drei von ihnen gehören der Linken an, wie die Türkische Gemeinde in NRW am Montag mitteilte. (...) Neue Linke-Abgeordnete sind der Sozialwissenschaftler Ali Atalan, die Studentin Özlem Alev Demirel und die chemisch-technische Assistentin Hamide Akbayir. (...) Die Linke hat der SPD vermutlich einen großen Anteil muslimischer Wähler weggeschnappt, die der SPD gefehlt hätten um klare Verhältnisse zu schaffen. Zwar wählen Muslime und türkischstämmige Wähler traditionell die SPD, doch der Einzug der türkischstämmigen Abgeordneten von der Linken verdeutlicht die Abwanderung von der SPD zur Linken und zeigt, dass die muslimischen und türkischstämmigen Wählern wahlentscheidend sein können.
In der Tat, so wird es vermutlich sein. Die erste Volksfront-Regierung im Westen der Bundesrepublik würde dann auch die erste sein, die ihre Mehrheit türkischstämmigen Abgeordneten und ihren Wählern verdankt.



Nachtrag: Zu Michael Aggelidis lagen mir beim Schreiben des Artikels keine einschlägigen Informationen vor. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß auch er Verbindungen zur "Antikapitalistischen Linken" hat und zu den Unterzeichnern von deren Gründungsaufruf gehört.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen drei Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Bundesarchiv; unter Creative Commons Attribution ShareAlike 3.0 Germany License (CC-BY-SA) freigegeben; bearbeitet.