20. Mai 2010

Zettels Meckerecke: Journalistische Wegelagerer. Zwei Minuten und achtundzwanzig Sekunden "Spiegel-Online"

Selten entlarven sie sich so schamlos, die journalistischen Wegelagerer, wie in diesem Video bei "Spiegel-Online".

Es zeigt, wie einer von ihnen sich an einer Treppe oder in einem Gang des Reichstags dort aufbaut, wo Abgeordnete auf ihrem Weg zu Sitzungen oder ins Büro vorbei müssen. Der Wegelagerer tritt auf das Opfer zu, das Mikrofon ihm entgegenstreckt, und spricht es an.

Wenn man jemanden auf der Straße ungefragt anspricht, dann beginnt man das unter zivilisierten Menschen mit einer Höflichkeitsfloskel - "Entschuldigen Sie, darf ich Sie etwas fragen?"; etwas in dieser Art.

Das tut der Wegelagerer nicht. Er fällt verbal über sein Opfer her, rückt ihm buchstäblich zu Leibe, läuft gar neben dem Betreffenden her, wenn dieser auf die unverfrorene Anmache nicht mit Stehenbleiben reagiert.

Dem Opfer wird eine Frage an den Kopf geworfen. Auf dem Video beispielsweise: "Herr Steinbrück, guten Morgen. Sie haben doch Ideen für Sparen und Streichen. Wir brauchen Tips für die Bundesregierung. Welche Steuern kann man denn erhöhen?"

Als der Wegelagerer bis zu diesem Satz gekommen war - er war dabei neben dem Opfer hergelaufen, ihm das Mikro entgegenstreckend -, hatte Steinbrück es schon fast an ihm vorbei geschafft. Über die Schulter rief er noch "Das ist sehr hilfreich von Ihnen, aber erfolglos", und verschwand im Dunkel des Gebäudes.

Andere Opfer reagieren auf dem Video nicht so souverän. Wirtschaftsminister Brüderle antwortete auf die Frage "Ja, was kann man denn noch konkret streichen, in Deutschland?" mit einem "Ja, Sie!".

Brüderle war das letzte Opfer, das in dem Video zu sehen ist. Kommentar aus dem Off: "Freundliche Auskünfte hat die Politik offenbar zuerst eingespart".



Freundliche Auskünfte.

Da überfallen diese Leute von "Spiegel-Online" - und natürlich machen andere es genauso, nur zeigen sie es meist nicht so ungehemmt im Bild - den Politiker, rotzen eine Frage hin und erwarten, während der Betreffende die Treppe emporsteigt oder über den Gang eilt, eine überlegte Antwort; oder vielmehr wohl eher eine, die man dann genüßlich zitieren und damit das Opfer, wenn man Glück hat, in die Pfanne hauen kann.

Und wer sich das nicht gefallen läßt, dem wird mangelnde Freundlichkeit vorgeworfen.

Es stimmt, bei dieser Wegelagerei haben einige der Angesprochenen auch reagiert und ein paar Sätze in die Kamera gesprochen. Man will sich ja mit den Medien gut stellen. Früher hatte man für etwaige Straßenräuber einen zweiten, nur mäßig gefüllten Geldbeutel dabei, den man ihnen leichten Herzens übergeben konnte. Das ist die Strategie derer, die etwas sagen. Sie werfen den Wegelagerern ein paar nichtssagende verbale Brocken hin und hoffen sie damit abzuschütteln.

Am besten gelang das - ob freiwillig, ob unfreiwillig - dem CDU-Abgeordneten Christoph Poland aus Mecklenburg. Er sagte auf die Frage, wo man sparen könne, "bei überzogenen DIN-Normen in Deutschland, bei ... (Pause) ... bei Bildung nicht!" Und ging seines Weges.



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