23. Mai 2010

Zitat des Tages: "Die größten Apokalyptiker sitzen im Garten und trinken Tee". Harald Schmidt im Interview

Die größten Apokalyptiker sind bestens gelaunt, werden alle neunzig, sitzen im Garten, trinken Tee. Neulich habe ich wieder ein super Foto gesehen von Beckett in kurzen Höschen in Casablanca am Strand. Die armen Irren, die sich all das Negative reinziehen und dran glauben, die tun mir leid. Der geistige Mittelstand.

Harald Schmidt im Gespräch mit Volker Corsten und Claudius Seidl von der FAZ. Anlaß für das Interview war die bevorstehende Premiere von "Volpone" von Ben Johnson im Staatstheater Stuttgart, wo Schmidt die Titelrolle spielen wird.


Kommentar: Das Gespräch ist angenehm zu lesen, weil Schmidt nicht bei jeder Antwort mindestens eine Pointe zu setzen versucht, wie es sonst seine Art ist.

In diesem Dauerwitzbeschuß geht unter, daß Schmidt ja manchmal Kluges sagt, und daß er es auch trefflich auszudrücken weiß. Wie das Zitat es illustriert.

Ja, die großen Pessimisten sind nicht selten zugleich Freunde des angenehmen Lebens gewesen. Schopenhauer wird oft genannt, der es als gelernter Kaufmann geschafft hatte, sein Erbe so geschickt anzulegen, daß er sorgenfrei und in gediegenem Luxus leben konnte. Autoren wie E.T.A. Hoffmann und Gottfried Keller, in deren Werk das Düstere überwiegt, waren im richtige Leben nachgerade Bonvivants.

Derlei ist gewissermaßen Lieschen Müller, spiegelverkehrt.

Wer bescheiden leben muß, der imaginiert sich hinein in die Welt der Hedwig Courths-Mahler und der Lore-Romane, heute auch der Daily Soaps und Telenovelas. Und wer als Künstler oder Philosoph - oder, wie Samuel Beckett, als beides - eine beklemmende, deprimierende Welt gestaltet, der hat halt als seine Gegenwelt das reale Leben, in dem er sich's gut gehen läßt.



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