11. Mai 2010

Marginalie: Die Briten machen Nägel mit Köpfen. Nebst eine Anmerkung über Koalitionsverträge

Man rechnet, so meldet CNN soeben, jetzt stündlich damit, daß der Hubschrauber der Königin einschweben wird. Das ist das Signal dafür, daß sie sich bereit macht, Gordon Brown im Buckingham Palace zu empfangen, um huldvoll seinen Rücktritt entgegenzunehmen.

Diesen wird Brown anbieten, sobald die Tories und die Liberaldemokraten mitteilen, daß sie sich auf eine Regierung geeinigt haben.

Finden Sie das nicht bemerkenswert? Die Briten haben kaum Erfahrungen mit Koalitionsverhandlungen; jedenfalls nicht auf der nationalen Ebene. Die jetzige Konstellation war so, daß die Lib Dems sowohl mit den Tories als auch mit Labour koalieren konnten; es gab keine vorherige Koalitionsaussage, und beide Koalitionen hätten eine solide Mehrheit gehabt.

Und in dieser, wie man aus deutscher Sicht meinen sollte, doch ausgesprochen schwierigen Situation bringt man es fertig, innerhalb von nicht einmal einer Woche - die Wahlen fanden bekanntlich am vergangenen Donnerstag statt - zu Potte zu kommen.

Ohne langwierige Verhandlungen, ohne die Beteiligung aller möglicher Gremien, und vor allem ohne das Monstrum namens "Koalitionsvertrag", mit dem in Deutschland heutzutage versucht wird, die freien Entscheidungen frei gewählter Abgeordneter in die Zwangsjacke von Vereinbarungen zu stecken.

In die Zwangsjacke von Vereinbarungen, die getroffen werden, bevor das Parlament überhaupt seine Arbeit aufgenommen hat. Von hinter verschlossenen Türen ausgehandelten Vereinbarungen zwischen Kommissionen, die ebensowenig demokratisch gewählt sind, wie das ganze Institut des "Koalitionsvertrags" irgendeine Basis im Grundgesetz hätte.

Die Briten machen uns jetzt vor, daß es auch anders geht. Ob es so anders auch gutgeht, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen.



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