Wo die politische Analyse noch schweigt, mangels genauerer Kenntnis, da kann das Feuilleton bereits munter losschwatzen.
Manches wurde von den Profis schon erklärt: wie Kochs Hoffnung, in das Bundeskabinett einzutreten, als Nachfolger des kranken und - wie man wohl sagen muß, überforderten - Schäuble, an der Kanzlerin gescheitert ist, und wie der Rücktritt gerade jetzt, wo Merkel sich selbst in der Krise befindet, ihr einen herben Schlag verpasst: so argumentieren eben Journalisten, immer an der Oberfläche nach Animositäten suchend, durch die vermeintlich das Verhalten der Politiker gesteuert wird.
Das war es sicher nicht. So kleinkariert denkt ein Kopf wie Koch auf keinen Fall.
Man mag an Persönliches denken: so wie manche Wissenschaftler alle zehn Jahre das Arbeitsgebiet wechseln - oder Eheleute den Partner - um noch einmal frisch von vorne anzufangen, so könnte auch Koch die Welt außerhalb der Politik gelockt haben, die er kaum kennengelernt hat, als eine terra incognita, die er sich noch erobern kann. Etwas in dieser Art hat er auf der Pressekonferenz selber angedeutet.
Doch das ist nicht sehr wahrscheinlich bei einem Politiker. Das Beispiel Genschers, auf das Zettel verweist, ist schon ebenfalls mißdeutet, wenn man die Gesundheitsgründe, die er damals anführte, für bare Münze nimmt. In Wirklichkeit hatte Genscher, der mit den Verhältnissen des Kalten Krieges in der Phase der Entspannungspolitik intim vertraut war, keine Vorstellung davon, wie deutsche Außenpolitik nach dem Ende der Sowjetunion aussehen könnte. Che farò? Dove andrò? fragte er sich ratlos wie Orpheus und wurde Rentner.
Ein vergleichbarer Fall liegt heute vor beim Rücktritt Roland Kochs. Wir erleben gerade einen ebenso tiefen Einschnitt wie es der Mauerfall gewesen ist, vielleicht sogar noch einen tieferen: das Ende einer Ära des Aufbaus, der Prosperität und des Friedens, der großen Zeit Europas zwischen dem achten und dem neunten Mai. Was jetzt kommt? Hauen und Stechen unter dem Druck einer harten Sparpolitik, Auflösung der staatlichen Strukturen zugunsten einer Serie von Kriseninterventionen in immer neuen Notlagen, oder auch die fortgesetzte Abfederung von allerlei Risiken mit folgendem umso lauterem Knall? So oder so Krise, Zerfall, Niedergang.
Der Niedergang ist aber keine Zeit, wo ein kluger Mensch sich in der Politik aufhält. Lass die anderen scheitern! wird sich Koch gedacht haben. Mir scheint, er spekuliert auf Baisse; in zehn Jahren, wenn der Karren im Dreck steckt, wird er vielleicht wieder gebraucht - wer weiß, womöglich als Europakanzler - und würde dann vergleichsweise mühelos als Held in Erscheinung treten können.
Umgekehrt ist das Risiko des Rücktritts freilich ebenso klar: wenn es den Merkel, Schäuble und Westerwelles gelingt, die Krise zu meistern, dann hätte Koch seine besten Jahre mit irgendeiner Form von Werktätigkeit vergeudet, zu der tausend andere ebenso begabt sind wie er, und aller Ruhm käme anderen zu, während er vergessen sein würde.
Das meiste, was die Politik jetzt macht, dient dem Zeitgewinn. Kochs Rücktritt, auf seine Weise, ebenfalls.
Manches wurde von den Profis schon erklärt: wie Kochs Hoffnung, in das Bundeskabinett einzutreten, als Nachfolger des kranken und - wie man wohl sagen muß, überforderten - Schäuble, an der Kanzlerin gescheitert ist, und wie der Rücktritt gerade jetzt, wo Merkel sich selbst in der Krise befindet, ihr einen herben Schlag verpasst: so argumentieren eben Journalisten, immer an der Oberfläche nach Animositäten suchend, durch die vermeintlich das Verhalten der Politiker gesteuert wird.
Das war es sicher nicht. So kleinkariert denkt ein Kopf wie Koch auf keinen Fall.
Man mag an Persönliches denken: so wie manche Wissenschaftler alle zehn Jahre das Arbeitsgebiet wechseln - oder Eheleute den Partner - um noch einmal frisch von vorne anzufangen, so könnte auch Koch die Welt außerhalb der Politik gelockt haben, die er kaum kennengelernt hat, als eine terra incognita, die er sich noch erobern kann. Etwas in dieser Art hat er auf der Pressekonferenz selber angedeutet.
Doch das ist nicht sehr wahrscheinlich bei einem Politiker. Das Beispiel Genschers, auf das Zettel verweist, ist schon ebenfalls mißdeutet, wenn man die Gesundheitsgründe, die er damals anführte, für bare Münze nimmt. In Wirklichkeit hatte Genscher, der mit den Verhältnissen des Kalten Krieges in der Phase der Entspannungspolitik intim vertraut war, keine Vorstellung davon, wie deutsche Außenpolitik nach dem Ende der Sowjetunion aussehen könnte. Che farò? Dove andrò? fragte er sich ratlos wie Orpheus und wurde Rentner.
Ein vergleichbarer Fall liegt heute vor beim Rücktritt Roland Kochs. Wir erleben gerade einen ebenso tiefen Einschnitt wie es der Mauerfall gewesen ist, vielleicht sogar noch einen tieferen: das Ende einer Ära des Aufbaus, der Prosperität und des Friedens, der großen Zeit Europas zwischen dem achten und dem neunten Mai. Was jetzt kommt? Hauen und Stechen unter dem Druck einer harten Sparpolitik, Auflösung der staatlichen Strukturen zugunsten einer Serie von Kriseninterventionen in immer neuen Notlagen, oder auch die fortgesetzte Abfederung von allerlei Risiken mit folgendem umso lauterem Knall? So oder so Krise, Zerfall, Niedergang.
Der Niedergang ist aber keine Zeit, wo ein kluger Mensch sich in der Politik aufhält. Lass die anderen scheitern! wird sich Koch gedacht haben. Mir scheint, er spekuliert auf Baisse; in zehn Jahren, wenn der Karren im Dreck steckt, wird er vielleicht wieder gebraucht - wer weiß, womöglich als Europakanzler - und würde dann vergleichsweise mühelos als Held in Erscheinung treten können.
Umgekehrt ist das Risiko des Rücktritts freilich ebenso klar: wenn es den Merkel, Schäuble und Westerwelles gelingt, die Krise zu meistern, dann hätte Koch seine besten Jahre mit irgendeiner Form von Werktätigkeit vergeudet, zu der tausend andere ebenso begabt sind wie er, und aller Ruhm käme anderen zu, während er vergessen sein würde.
Das meiste, was die Politik jetzt macht, dient dem Zeitgewinn. Kochs Rücktritt, auf seine Weise, ebenfalls.
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