7. Mai 2010

Marginalie: Wahlchaos in Großbritannien

Bei der Berichterstattung in dieser britischen Wahlnacht tritt neben den Ergebnissen immer mehr ein zweites Thema in den Vordergrund: Das - wie es bereits genannt wird - "vote chaos", das Wahlchaos (so der fortlaufend aktualisierte Wahlblog der Times Online um 12.15am, also 1.15 Uhr deutscher Zeit).

Es gibt Wahlbezirke, in denen Hunderte nicht wählen konnten, weil sie nicht ins Wahllokal gelangten, bevor es um Punkt zehn Uhr geschlossen wurde. In Chester seien es, so wird behauptet, 600 Menschen gewesen, denen das Wählen verweigert wurde. Ein unfreiwilliger Nichtwähler aus Hackney berichtet, daß er um viertel vor neun vor dem Wahllokal stand, aber nicht mehr rechtzeitig hineinkam, um zu wählen. Im Innerem drängten sich, so sagte er, mindestens 100 Menschen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewählt hatten; hinter ihm war eine Schlange von weitern 150 Menschen.

Es gab nach Aussagen dieses Mannes vier Wahlkabinen und drei Wahlhelfer. Ihm wurde erklärt, man hätte 1800 Wähler erwartet, aber es seien viel mehr gekommen.

Ähnliches wird - in Times Online gibt es jetzt dazu einen ersten Artikel - aus allen Landesteilen gemeldet. Es scheint sich nicht um isolierte Pannen zu handeln, sondern um ein Versagen in der Fläche. Im Blog von Times Online heißt es:
There are reports of sit-ins in Hackney, protests in Manchester and more protesters preventing ballot boxes from reaching the counting centre in Sheffield. All are protesting over being unable to vote because of queues when polling stations closed at 10pm. (...)

As news filters through it's becoming clear this is a nationwide problem and there are thousands of furious disenfranchised people out there tonight.

Es gibt Berichte über Sit-Ins in Hackney, Proteste in Manchester und noch mehr Protestierende, die in Sheffield verhindern, daß Wahlurnen die Zählstation erreichen. Alle protestieren, weil sie nicht wählen konnten, denn als die Wahllokale um zehn Uhr geschlossen wurden, gab es noch Schlangen. (...)

In dem Maß, in dem die Nachrichten durchsickern, wird deutlich, daß dies ein landesweites Problem ist und daß es in dieser Nacht Tausende von wütenden, ihres Wahlrechts beraubten Menschen gibt.
Und soeben (um 1.40 Uhr deutscher Zeit) ist die Vorsitzende der Wahlkommission, mit einem wahrlich umwerfenden Kommentar an die Öffentlichkeit gegangen:
We’ve been saying for some time that the system we have is at breaking point. (...) Our system is largely a hangover from the Victorian era when you had tiny numbers of people that had the vote.

Wir sagen schon lange, daß das System am Rand des Zusammenbruchs ist. (...) Unser System ist zu großen Teilen ein Überbleibsel der viktorianischen Zeit, als nur einen winzige Zahl von Menschen wahlberechtigt war.
Sagt die Vorsitzende der von Labour eingesetzten Wahlkommission nach dreizehn Jahren ununterbrochener Labour-Regierung.



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