5. Oktober 2011

Zitat des Tages: Wowereits Realsatire. Die Berliner Grünen, die FDP im Bund

Da wird keine Realpolitik gemacht, sondern Realsatire.
Der Chefredakteur des Berliner "Tagesspiegel", Lorenz Maroldt, vor genau einer Woche, am 28. 9., zu den Gesprächen zwischen der Berliner SPD und den Grünen über eine Regierungsbildung. Überschrift: "Einer muß verlieren"

Kommentar: In seiner hellsichtigen Analyse hat Maroldt vor einer Woche bereits das jetzt eingetretene Scheitern der Gespräche erwartet:
Man könnte fast meinen, Wowereit lege es auf ein Scheitern an. Jedenfalls treibt er die Demütigung seines künftigen Partners munter voran, und das bei nur einer Stimme über der Mehrheit.
Die Satire - für die Grünen freilich eher eine Tragödie - begann bereits in der letzten Phase des Wahlkampfs. Damals sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann:
Wir werden keinen Koalitionsvertrag unterzeichnen, der den Weiterbau der Stadtautobahn A 100 zum Inhalt hat.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Mitte August 2009, also kurz vor den Bundestagswahlen, sagte Guido Westerwelle:
Ich werde keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht ein neues, faires Steuersystem verankert ist.
Man kann argumentieren, daß mit diesem Satz der Niedergang der FDP begann. Westerwelle legte seine Partei auf etwas fest, das diese dann in der Koalition nicht durchsetzen konnte. Die Steuersenkungspartei konnte die Steuern nicht senken und droht jetzt in der Versenkung zu verschwinden.

Die Berliner Grünen haben, um (so Maroldt) im Wahlkampf in letzter Minute noch Wähler zu mobilisieren, denselben Fehler gemacht wie damals Westerwelle: Versprochen, als der kleinere Partner den größeren zu dominieren; in einer für beide zentralen Frage. So etwas gelingt selten.

Das ist die eine Lektion, die jetzt die Berliner Grünen lernen mußten; wie die FDP im Bund. Die zweite ist, daß man in einer schwachen Verhandlungsposition ist, wenn der Verhandlungspartner eine Alternative hat, man selbst aber keine. Wowereit kann auch mit der CDU regieren, die ihrerseits auch gern endlich wieder mitregieren möchte. Die Grünen konnten und können das nur mit der SPD.

Und noch ein dritter Punkt. Die beiden Berliner Parteien waren jetzt im Begriff, in dieselbe Falle zu tappen wie CDU und FDP im Herbst 2009: Eine sachliche Differenz in Koalitionsverhandlungen nicht auszutragen, sondern durch einen Formelkompromiß, durch schwammige Formulierungen zu übertünchen.

So war es damals bei den Steuersenkungen. So sollte jetzt in Berlin ein fauler Kompromiß geschlossen werden; derart, daß man versuchen werde, die Bundeszuschüsse für den Weiterbau der A 100 zu bekommen, die Autobahn aber dennoch nicht weiterzubauen. Sie sollten "umgewidmet" werden, diese Zuschüsse, wie das im Beamtendeutsch heißt; d.h. für andere Baumaßnahmen im Vekehrsbereich verwendet.

Daß der Bund nicht im Traum daran denken würde, darauf einzugehen, lag auf der Hand. Und "... eine Autobahn zu bauen, ohne eine Autobahn zu bauen, das geht eben nicht", bemerkt Maroldt dazu sarkastisch. Man kann auch nicht Steuern senken, ohne Steuern zu senken.
Zettel



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