2. Oktober 2011

Marginalie: Wir waren ja nicht blöd, als wir bei Media Markt gekauft haben. Aber jetzt ...

Nein, nicht wegen der aggressiven Werbung habe ich bis vor wenigen Jahren Elektronik fast nur bei Media Markt gekauft.

Diese Werbung war mal lustig, mal nervig. Sie hätte mich, für sich genommen, aber eher abgeschreckt. Es lag ja auf der Hand, daß alle diese phantasiereichen Aktionen durch erhöhte Preise beim Standardangebot finanziert werden mußten. Aber es gab zwei andere Gründe, bei Media Markt zu kaufen:

Erstens war das - in den meisten Bereichen große - Angebot vorbildlich informativ gekennzeichnet. Neben jedem Gerät gab es eine Schild, das umfassend Auskunft über die Leistung und die Features gab. Man konnte also herumsuchen, bis man dasjenige Gerät gefunden hatte, das genau das hatte, was man haben wollte. Und welches dasjenige an Ausstattung und Leistung nicht hatte, wofür man nur mehr bezahlt hätte, ohne einen Nutzen daraus zu ziehen.

Zweitens konnte man handeln. Man mußte dazu möglichst mit dem Abteilungsleiter sprechen, und der Kauf mußte einen gewissen Umfang haben. Dann ging das aber gut; und am Ende hatte man einen "Paketpreis", der für den Käufer günstig war, und an dem Media Markt vermutlich genug verdiente. Es war eben wirklich ein Markt.



Wenn man diese beiden großen traditionellen Vorteile von Media Markt versteht - die mehr oder weniger auch für Saturn galten, den anderen Teil der Gruppe Media Saturn - , dann hat man auch verstanden, warum es der Gruppe mittlerweile gar nicht mehr so gut geht: Denn das sind just die beiden Vorteile, die auch das Internet bietet.

Dort herrscht wirklich ein Markt; mit einer tagtäglichen Anpassung der Preise an die Marktlage. Und dort kann man zu jedem Gerät, das man zu kaufen erwägt, alle relevanten Informationen jederzeit bekommen; zusammen mit der Bewertung durch Käufer. Informationen einer Vollständigkeit also, die dasjenige weit übertrifft, was das Schild bei Media Markt bieten konnte. Vergleichbar ist das nur dem oft wochenlangen Studium von spezialisierten Hifi-, Foto- usw. Zeitschriften, das ich vor Jahrzehnten anstellte, bevor ich ein solches Produkt kaufte.

Der momentane Niedergang von Media Markt - er begann bereits vor Monaten - gehört, mit anderen Worten, zu dem, was ich die Amazon-Revolution genannt habe (Die Amazon-Revolution. Kindle und das Einkaufserlebnis im einundzwanzigsten Jahrhundert; ZR vom 26. 8. 2011). Sie trifft die Händler außerhalb des Internet umso stärker, je mehr sie bisher, wie eben Media Markt und Saturn, just jene Vorteile für sich hatten, die das Internet inzwischen noch viel besser bietet.



Media Saturn reagiert jetzt. Heute kann man in der FAZ ein ausführliches Interview mit dem Geschäftsführer der Gruppe, Horst Norberg, lesen. Dort geht es hauptsächlich um die manchmal skurrilen (Preissenkungen bei Toren der Fußball-Nationalmannschaft!) Aktionen. Damit soll es vorbei sein. Norberg:
Wir, das heißt Media Markt, macht Schluss mit diesem Preisirrsinn, das ist wahr: Schluss mit den Preisschlachten, den Schleuderpreisen, den Geizhalsangeboten.
Ja schön. Aber das entscheidende Problem - was hat Media-Saturn, was das Internet nicht besser hat? - ist damit ja nicht gelöst.

Man will, sagt Norberg, die Preise lokal fortlaufend dem Angebot der Konkurrenz anpassen; jetzt nicht mehr mehrfach in der Woche, sondern sogar täglich. Eben wie auf dem Markt. Aber das macht das Internet ja ohnehin.

Was bleibt also? Norberg sagt es am Ende des Gesprächs: Auch Media-Saturn wird online gehen. Amazon mit seiner perfekten Logistik wird man dort freilich nicht so schnell übertreffen können.

Seltsamerweise steht in dem Interview kein Wort über das, was doch als Einziges der stationäre Händler dem Internet noch voraus hat: Service und Reparatur. Daß also Geräte nicht nur geliefert werden, sondern auch aufgestellt, dem Kunden erklärt, vielleicht in dessen Wohnung vernetzt werden. Und daß er weiß, daß ein defektes Gerät abgeholt und repariert, ihm für die Zeit der Reparatur unter Umständen auch ein Leihgerät zur Verfügung gestellt wird.

Dort würde nach meinem Dafürhalten die Marktnische des stationären Handels liegen. Da kann der Online-Handel auf absehbare Zeit nicht mithalten. Aber mit dem Service tut man sich in Deutschland halt immer noch schwer.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken.