3. Februar 2012

Zitat des Tages: "Mein wahrer Gegner ist die Finanzwelt". Der sozialistische Kandidat François Hollande, trefflich kommentiert von Gero von Randow

Ich werde euch sagen, wer mein wahrer Gegner ist. Er hat keinen Namen, kein Gesicht, keine Partei, er wird nie kandidieren und deshalb nie gewählt werden, und doch regiert er: Dieser Gegner, das ist die Finanzwelt. Vor unseren Augen, innerhalb von 20 Jahren, hat sie die Kontrolle über die Wirtschaft, die Gesellschaft und sogar über unser Leben an sich gerissen.
Der Kandidat der französischen Sozialisten für die Präsidentschaft François Hollande in einer Wahlkampfrede am 22. Januar in Le Bourget, heute vom Pariser Korrespondenten der "Zeit", Gero von Randow, zitiert. Ein Video dieser Rede findet man hier (Teil 1) und hier (Teil 2).

Den Kommentar dazu überlasse ich Gero von Randow:
Man muss sich ... fragen, was man den Franzosen alles so erzählen kann. Die Finanzwelt hätte die Macht usurpiert? Mit anderen Worten, sie hat in den vergangenen Jahrzehnten den Finanzministern gegen deren Willen die Schuldscheine aus der Hand gerissen?
Gero von Randow ist einer der vielseitigsten deutschen Journalisten. Ein exzellenter Wissenschaftspublizist (auch mit zahlreichen Buchpublikationen), aber auch ein nicht minder brillanter politischer Journalist; einer von denen, die sorgfältig recherchieren und analyseren, statt dem Leser ihre Meinung aufzudrängen (siehe zum Beispiel seine Berichterstattung vor einem Jahr aus Tunesien; Gero von Randow in Tunis; ZR vom 9. 1. 2011).

Sein Artikel - Titel: "Gefahr in Europa" - gibt einen informativen Überblick über die Lage im französischen Wahlkampf und deutet das an, was bei einem Sieg Hollandes auf Frankreich und Europa zukommen würde.

In einem Punkt allerdings irrt der sonst so kundige Gero von Randow. Er schreibt:
Die Abneigung gegen Sarkozy frisst sich durch alle Lager. Sie geht so weit, dass die Mehrheit der Wähler von Marine Le Pen, sollte sie den zweiten Wahlgang nicht erreichen, im Zweifel eher für Hollande als für Sarkozy stimmen dürfte.
Ich hatte das zwar bisher auch für wahrscheinlich gehalten - Vater Jean-Marie Le Pen war stolz darauf gewesen, daß seine Partei mehr Arbeiter unter ihren Wählern hat als jede andere; und Links- und Rechtspopulisten sind ja nah beieinander -, aber ich habe es vor meinem beabsichtigten Kommentar doch erst einmal nachgesehen.

Und es ist falsch.

Einige demoskopische Institute fragen u.a., für wen sich die Wähler im zweiten Wahlgang entscheiden würden, falls ihr Favorit es nicht in diesen schafft. Die Ergebnisse kann man sich bei Sondages en France ansehen: Laut Ifop (Umfrage vom 30. 1. 2012) würden von den Wählern Marine Le Pens 25 Prozent Hollande und 44 Prozent Sarkozy wählen; die anderen wollten sich nicht äußern (werden also wahrscheinlich dann gar nicht wählen). Die Daten von TNS Sofres (ebenfalls vom 30. 1.) sind ähnlich: 29 Prozent Hollande, 40 Prozent Sarkozy. Die anderen Institute haben diese Frage in den aktuellen Umfragen nicht gestellt.



Falls von Randows Artikel Sie vielleicht dazu anregt, sich weiter mit dem Wahlkampf in Frankreich beschäftigen zu wollen, hier die aktuellsten Artikel dazu in ZR:
  • Sarkozy am Ende? Frankreich steht vor einem beispiellosen Linksrutsch; ZR vom 2. 1. 2012

  • Marine Le Pen - die große Unbekannte. Schon stärker als Sarkozy? Oder darf sie am Ende gar nicht antreten?; ZR vom 17. 1. 2012

  • Sarkozy gestern Abend im französischen TV. Was er gesagt hat, nebst einem Kommentar; ZR vom 30. 1. 2012 ­
  • Zettel



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