29. Februar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (19): "Als der Dampf sich nun erhob, sieht man Romney, der gottlob ...

... lebend auf dem Rücken liegt; doch er hat was abgekriegt". So könnte man in Anlehnung an Wilhelm Busch das Ergebnis der gestrigen Vorwahlen in Arizona und Michigan zusammenfassen.

Hätte Romney in seinem Heimatstaat Michigan verloren, in dem er 2008 souverän gesiegt hatte, dann wäre das Prädikat "lebend" in Frage zu stellen gewesen; dann wäre die Bahn frei gewesen für einen weiteren Aufstieg Rick Santorums (siehe Rick Santorum - der Anti-Obama, ein zweiter Obama? Die Lage vor den heutigen Vorwahlen in Michigan und Arizona; ZR vom 28. 2. 2012). Das ist nicht eingetreten. Aber als strahlender Sieger ist Romney trotzdem nicht aus diesen Vorwahlen hervorgegangen.

Im Augenblick sind in beiden Staaten 99 Prozent der Stimmen ausgezählt. In Arizona hat Romney mit 43,7 Prozent klar gewonnen; gefolgt von Santorum (26,6), Gingrich (16,2) und Paul (8,4). In Michigan erreichte Romney 41,1 Prozent. Santorum kam auf 37,9 Prozent, Paul auf 11,6 und Gingrich auf klägliche 6,5 Prozent. (Falls Sie vergleichen möchten: Hier habe ich in Zettels kleinem Zimmer gestern Abend die letzten Prognosen von Nate Silver mitgeteilt).

Bei seiner Siegesrede wirkte Romney erleichtert. Santorum aber "beamed when he took the stage before a cheering crowd" - er strahlte, als er vor einer jubelnden Menge auf die Bühne trat, schreibt die New York Times.

Kein Wunder, denn in Romneys Heimat Michigan nur etwas mehr als drei Prozentpunkte hinter diesem durchs Ziel zu gehen, bedeutet für Santorum einen großen Erfolg; zumal aufgrund des Delegierten­schlüssels bei diesem knappen Abstand auf beide annähernd gleich viele Delegierte entfallen werden. Und andererseits war es für Romney, der in Michigan mit Einsatz sehr großer finanzieller Mittel gekämpft hatte, ein eher kümmerlicher Erfolg, am Ende des Tages um gerade einmal drei Prozentpunkte vorn zu liegen.



Was die beiden Spitzenreiter angeht, ist also weiter alles offen. Romney ist noch einmal davongekommen und kann sich freuen, daß er die letzten Umfragen sogar etwas übertroffen hat. Santorum hat die für ihn ausgezeichneten Umfragewerte in etwa erreicht und kann sich erst recht freuen. Noch einmal hinter den Erwartungen zurück blieb Newt Gingrich.

Das Rennen findet jetzt also zwischen den beiden ungefähr gleichstarken Kandidaten Romney und Santorum statt; mindestens bis zum kommenden Dienstag, dem Super Tuesday, an dem die Entscheidungen in zehn Staaten fallen (in Klammern die Zahl der Delegierten): Alaska (27), Georgia (76), Idaho (32), Massachusetts (41), North Dakota (28), Ohio (66), Oklahoma (43), Tennessee (58), Vermont (17) und Virginia (49).

Dieser Super Tuesday dürfte auch die letzte Chance für Newt Gingrich sein, von dessen bevorstehendem Ausscheiden schon die Rede ist. Im konservativen Süden hofft er einen erneuten surge zu schaffen; freilich sehen die Umfragen ihn nur in Georgia in Führung, während er zum Beispiel in Tennessee nur auf Platz vier rangiert.

Wie sind die Chancen für Santorum und Romney in dem sich mehr und mehr abzeichnenden Duell zwischen diesen beiden? Selten war ein Rennen zwischen zwei Kandidaten in einem Vorwahlkampf so schwer auszurechnen; vergleichbar ist vielleicht der zähe Kampf zwischen Barack Obama und Hillary Clinton vor vier Jahren.

Was sich aber immerhin abschätzen läßt - und die exit polls haben das gestern wieder bestätigt -, das sind die Stärken und Schwächen der beiden Kandidaten:
  • Romney ist der Kandidat der Mittelschicht und der Oberschicht. Er schneidet besonders gut bei Wählern mit College-Abschluß und bei den Besserverdienenden ab. Auch ältere Wähler bevorzugen ihn. Sogar bei Konservativen und bei Sympathisanten der Tea Party liegt er vorn - aber nur bei denen, die nicht angeben, dies "ausgeprägt" (strong) zu sein. Weiterhin hat Romney seine Unterstützer unter denjenigen Wählern, bei denen die Wirtschaftslage ein besonders wichtiges Kriterium für ihre Wahlentscheidung ist.

  • Bei den ausgeprägt Konservativen liegt Santorum vorn; ebenso bei Jüngeren, in der Unterschicht und unteren Mittelschicht, bei den weniger Gebildeten und bei Evangelikalen. Er ist der Kandidat der, sagen wir, grundkonservativen einfachen Leute; während Romney der Favorit der bürgerlichen aufgeklärten Konservativen ist.
  • Dieses Muster der jeweiligen Wählergruppen macht es extrem schwer, vorherzusagen, wer der stärkere Kandidat gegen Obama wäre:

    Romney spricht besonders die traditionelle weiße Mittelschicht an, die aber ohnehin jeden republikanischen Kandidaten wählen dürfte. Er ist auch attraktiv für die Gebildeten und Wohlhabenden, von denen ein Teil zu Obama tendiert. Bei dem aufgeklärten Bürgertum hätte Santorum hingegen so gut wie keine Chance.

    Andererseits hat der Präsident seine Wählerbasis aber auch gerade in der Unterschicht und bei den schlecht Ausgebildeten. Hier könnte ihm Santorum eindeutig gefährlicher werden als Romney. Ihn würden auch die Evangelikalen wählen, die bei einer Konfrontation Obama-Romney möglicherweise gar nicht zur Wahl gingen, weil ihnen beide Kandidaten zu liberal sind.

    Wie sich diese komplexe Lage am Ende in Stimmen umsetzen wird, kann derzeit niemand prognostizieren. John King hat auf CNN in der vergangenen Nacht gesagt, mit Zuversicht (with confidence) könne man in diesem vertrackten Wahljahr überhaupt keine Vorhersage machen, und - fügte er grinsend hinzu - ohne Zuversicht auch nicht.­
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.