7. Februar 2012

Wie sehen die Franzosen Deutschland? Gestern wurde eine neue Umfrage publiziert. Merkels Glanz für Sarkozy


"Was wird aus dem Euro?" hieß die gestrige Sondersendung des ZDF, in der sich die Kanzlerin und Staatspräsident Sarkozy von ZDF-Chefredakteur Peter Frey und seinem Kollegen David Pujadas, Nachrichtenmoderator beim französischen Programm France 2, interviewen ließen; parallel gesendet im deutschen und im französischen TV.

Die Sendung hätte auch "Was wird aus Nicolas Sarkozy?" heißen können.

Gleich die erste Frage Pujadas zielte auf Merkels angekündigte Wahlkampfhilfe, sollte Sarkozy wieder kandidieren (bisher hat er das offiziell nicht erklärt). Merkel antwortete knapp, und für den Rest der Sendung redete man vor allem über Europa. Aber für die meisten Franzosen, die diese Sendung sahen, dürfte doch im Vordergrund gestanden haben, daß Sarkozy sozusagen die Kanzlerin mitgebracht hatte, damit sie ein wenig von ihrem Glanz auf ihn fallen lasse.



Ja, Glanz. Denn selten wurde Deutschland von den Franzosen so bewundert wie heute; vielleicht noch nie. Und nie in der Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen war ein deutscher Regierungschef in Frankreich so beliebt wie Angela Merkel.

Im Juli 2011 veröffentlichte das amerikanische Institut Pew Research die Ergebnisse einer umfangreichen, weltweiten Befragung, in der unter anderem nach dem Vertrauen gefragt wurde, das den eigenen Regierungschefs und denjenigen anderer Länder entgegengebracht wurde.

Daß sie Angela Merkel vertrauten, sagten 80 Prozent der befragten Franzosen - ein nachgerade unglaublicher Wert; der höchste, den die Kanzlerin in irgendeinem Land erhielt. Zum Vergleich: In den USA erreichte Merkel 46 Prozent und in Rußland 47 Prozent Vertrauen; in Israel 57 und in der Türkei 4 Prozent (dort schenken ihr 77 Prozent kein Vertrauen). In Großbritannien lag der Wert bei 64 und in Deutschland selbst bei 69 Prozent.

So, wie mehr Franzosen als Deutsche der Kanzlerin vertrauen, lag die Zustimmung zu ihr in Frankreich auch weit über derjenigen für Sarkozy, dem in der Untersuchung nur 48 Prozent vertrauten.

Das ist der persönliche Erfolg der Kanzlerin; aber politisch wichtiger ist das Bild, das die Franzosen von ihrem Nachbarn Deutschland haben. Dazu ist gestern eine Umfrage veröffentlicht wurde, die das Institut Harris vom 31. Januar bis zum 2. Februar 2012 durchgeführt hat.

Mit bemerkenswerten Resultaten. Hier die Gebiete, auf denen die Franzosen die Verhältnisse in Deutschland besser finden als die in Frankreich (erster Wert Deutschland / zweiter Frankreich in Prozent. Der Rest der Antworten war "gleich" oder "weiß nicht"):
  • Wirtschaftswachstum: 76 / 2
  • Exporte: 73 / 4
  • Defizit der öffentlichen Haushalte: 62 / 8
  • Sozialpartnerschaft: 60 / 12
  • Steuern: 46 / 12
  • Höhe der Einkommen: 50 /16
  • Lebensstandard: 33 / 27
  • Nur bei zwei Punkten gaben die Franzosen ihrem eigenen Land den Vorzug: Sozialleistungen (8 / 67) und Recht auf Arbeit (21 / 44).

    Einige dieser Ergebnisse mögen verwundern - daß beispielsweise die Franzosen mehrheitlich bei sich das Recht auf Arbeit besser verwirklicht sehen als in Deutschland (Arbeitslosigkeit laut Eurostat in Deutschland 5,5 Prozent und in Frankreich 9,9 Prozent; jeweils saisonbereinigt, Dezember 2011). Offenbar verstehen viele Franzosen das Recht auf Arbeit eher in einem formalen Sinn - was zum Beispiel den Kündigungsschutz angeht - als unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Aussicht auf einen Arbeitsplatz.

    Insgesamt also viel Positives in Bezug auf Deutschland. Kein Wunder, daß genau 50 Prozent der Befragten meinten, daß Frankreich sich vom deutschen Vorbild inspirieren lassen solle; nur 42 Prozent verneinten das.

    Und doch ist diese Anerkennung nur, wie die Autoren der Untersuchung es formulieren, ein oui mais, ein "ja aber".

    Denn bei aller Wertschätzung der Verhältnisse in Deutschland - 49 Prozent meinen, in Frankreich sei das Leben angenehmer (plus agréable) als in Deutschland; nur 9 Prozent votierten bei dieser Frage für Deutschland. In Frankreich zu arbeiten halten 34 Prozent für angenehmer, in Deutschland zu arbeiten 25 Prozent.

    Und als man schließlich von den Befragten wissen wollte, ob sie sich vorstellen könnten, in Deutschland zu leben, bejahten das nur 31 Prozent. 64 Prozent konnten sich das nicht vorstellen.



    Immerhin - Unterstützung durch die überaus beliebte Angela Merkel kann Sarkozy im Wahlkampf nur nützen; und seine kürzliche Ankündigung, in etlichen Bereichen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik dem deutschen Vorbild zu folgen, dürfte durch diese Umfrageergebnisse als strategisch richtig bestätigt worden sein (siehe Sarkozy gestern Abend im französischen TV. Was er gesagt hat, nebst einem Kommentar; ZR vom 30. 1. 2012. Ich hatte nicht mitgezählt, wie oft Sarkozy "Allemagne" sagte, aber jetzt kann man es im "Spiegel" - 6/2012, S. 23 - lesen: Es war 15mal).

    Erstaunlicher ist es vielleicht, daß die Kanzlerin so eindeutig für Sarkozy Partei ergreift, obwohl dessen Chancen auf eine Wiederwahl derzeit miserabel stehen (siehe Sarkozy am Ende? Frankreich steht vor einem beispiellosen Linksrutsch; ZR vom 2. 1. 2012).

    Warum wagt das die Kanzlerin? Sie dürfte keine Illusionen haben in Bezug auf das, was im Fall der Wahl des Sozialisten Hollande (mit Unterstützung der Kommunisten) auf Europa und auf die deutsch-französischen Beziehungen zukäme (siehe "Mein wahrer Gegner ist die Finanzwelt". Der sozialistische Kandidat François Hollande, trefflich kommentiert von Gero von Randow; ZR vom 3. 2. 2012). Die Vorstellungen sind so gegensätzlich, daß eine Zusammenarbeit mit Hollande in jedem Fall mühsam sein würde.

    Da macht es - so könnte die Kanzlerin kalkuliert haben - auch nicht viel aus, wenn das Verhältnis zu einem Präsidenten François Hollande am Anfang zusätzlich durch eine Wahlkampfhilfe Merkels für Sarkozy abgekühlt sein würde. Man wird dann eben geschäftsmäßig-professionell verhandeln. Und andererseits weiß die erfahrene Wahlkämpferin Angela Merkel, daß sich in der Zeitspanne von zehn Wochen bis zur Wahl noch manches bewegen kann.

    Vielleicht wirklich auch mit ihrer Hilfe. Denn die Franzosen wissen ja auch, daß sie ganz persönlich profitieren, wenn Deutschland und Frankreich gut kooperieren. Und daß das unter "Merkozy" der Fall ist, daran ließen die beiden gestern keinen Zweifel.

    Sarkozy über Merkel: "Wenn Sie fragen, ob ich Frau Merkel bewundere, ob ich Freundschaft empfinde, dann sage ich: Ja, ich bewundere die Frau, die achtzig Millionen Deutsche so durch die Krise geführt hat".

    Merkel über Sarkozy: "Wir beide sind in eine ganz spezielle historische Situation gestellt, und es war uns nicht in die Wiege gelegt, daß wir nun uns gut verstehen, daß wir freundschaftlich zusammenarbeiten, daß wir uns aufeinander verlassen können. Aber wir haben es aus historischer Verantwortung und auch aus persönlicher Zuneigung getan".­
    Zettel



    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelbild: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2009. Vom Autor Sebastian Zwez unter Creative Commons Attribution 3.0 Germany-Lizenz freigegeben.