16. Februar 2012

Marginalie: Tag der Veteranen, Volkstrauertag und linke Geschichtsklitterei

Auf seiner Reise in die USA, wo der Veterans Day am 11. November ein gesetzlicher Feiertag ist, hat Verteidigungs­minister de Maizière den Vorschlag gemacht, auch in Deutschland einen Tag zu Ehren unserer Veteranen einzuführen.

Einen Vorschlag hat er gemacht, keinen Plan verkündet. Er wollte eine Diskussion anstoßen. Markus Bauer, der dabei war, als der Minister das auf dem Stützpunkt Holloman der US-Luftwaffe in New Mexico sagte, berichtet darüber heute in "Focus-Online":
Zurzeit sammelt das Verteidigungsministerium Informationen und prüft die Modelle anderer Nationen. Der deutsche Verteidigungsminister gab vier Punkte zu bedenken, die er für ausschlaggebend hält:

1. Was ist ein Veteran? Andere Länder, verschiedene Definitionen. (...)

2. Wie sollen Veteranen angesprochen und behandelt werden? Schafft Deutschland einen Veteranen-Tag? Falls ja, wann soll er stattfinden? Oder wird er zusammengelegt mit dem Volkstrauertag? (...)

3. Wie könnte eine Veteranen-Politik aussehen? Gedenkt das Volk nur der Versehrten und Toten? Oder gehören auch die Starken hervorgehoben und geehrt, etwa mit der Tapferkeitsmedaille? (...)

4. Wie hängt der Staat die Veteranen-Politik organisatorisch auf? Mit einem zuständigen Ministerium wie in den USA und in Kanada? (...)
Thomas de Maizière, wie man ihn kennt: Nüchtern, pragmatisch; methodisch die Punkte auflistend, die es zu klären gilt.



Und wie ist die Reaktion in Deutschland? Zustimmendes Gemurmel bei den Regierungsparteien. Und bei der linken Opposition? "Süddeutsche.de" heute vor eineinhalb Stunden:
Der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, kritisierte, unter de Maizière werde die Militarisierung der Gesellschaft vorangetrieben. Das lehne die Linke als "geschmacklos" ab. (...)

"So ein Tag würde nur als künstlich aufgepfropft empfunden", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Freitagsausgabe). Vor allem halte er de Maizières Anregung für "undenkbar, das Veteranengedenken auf den Volkstrauertag zu legen". Dieser Tag sei "in hohem Maße mit unserer unsäglichen Geschichte verknüpft" und habe keinen Bezug zur Bundeswehr.
Was Arnold mit der "unsäglichen Geschichte" meint, kann man "Spiegel-Online" entnehmen:
Die Nationalsozialisten hatten den Volkstrauertag 1934 in Heldengedenktag umbenannt. Arnold sagte: "Die Bundeswehr ist aber kein Teil dieser Tradition und sollte auch an keiner Stelle den Eindruck erwecken."
Was nicht paßt, wird passend gemacht. Der Volkstrauertag wurde eben gerade nicht von den Nazis eingeführt und von ihnen noch nicht einmal beibehalten. Vorgeschlagen wurde er bereits 1919. Im Jahr 1922 fand die erste Gedenkstunde im Reichstag statt; und 1926 wurde entschieden, den Volkstrauertag regelmäßig am fünften Sonntag vor Ostern (dem Sonntag Reminiscere) zu begehen.

Im Jahr 1922 hieß der Reichspräsident bekanntlich Friedrich Ebert (SPD); der Reichskanzler im Jahr 1926 war der Parteilose Hans Luther, der einem Kabinett aus Liberalen (DDP, DVP), dem katholischen Zentrum und der Bayerischen Volkspartei vorstand.

Wie in aller Welt kommt der SPD-Abgeordnete Arnold dann also darauf, daß der Volkstrauertag "in hohem Maße mit unserer unsäglichen Geschichte verknüpft" sei? Er galt seinerzeit dem Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs und gilt jetzt in der Bundesrepublik auch dem Gedenken an die Opfer des Zweiten Weltkriegs; man gedenkt heute der gefallenen Soldaten, aber auch der zivilen Opfer. Mit den Nazis hat das so wenig etwas zu tun, wie Friedrich Ebert ein Nazi war.



Daß die Kommunisten die Überlegungen des Verteidigungs­ministers nutzen, um von einer angeblich "vorangetriebenen" weiteren "Militarisierung der Gesellschaft" zu schwadronieren, ist nicht weiter zu kommentieren; ihre Agitprop funktioniert nach dem Prinzip, daß auch die absurdeste Behauptung die Meinungen beeinflußt, weil sie eine Ankerwirkung hat.

Bemerkenswert ist hier allein, daß "Süddeutsche.de" von allen Äußerungen zu diesem Thema, die in dem Artikel zitiert werden, ausgerechnet die Stellungnahme der Kommunisten in die Titelzeile hebt (Überschrift des Artikels: "Linke wirft de Maizière Militarisierung der Gesellschaft vor"). Ein kleines Indiz dafür, wohin es mit dieser einst linksliberalen Zeitung gekommen ist.

Daß aber ein prominenter Sozialdemokrat - Rainer Arnold ist immerhin verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag - die Geschichte derart verzerrt, daß er den Volkstrauertag mit den Nazis in Zusammenhang bringt, das ist hanebüchen. Kennt der Mann die Geschichte nicht? Oder will er dieses Thema nutzen, sich bei der Linken zu profilieren?­
Zettel



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