"Bild" hat (exklusiv, wie es heißt) bereits einen Blick in die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität 2011 tun können. In dem für "Bild"-Verhältnisse ungewöhnlich faktenorientierten Bericht heißt es:
Nicht anders sahen die Meldungen im Frühjahr 2011 aus:
Soviel zu den Fakten. Es stellen sich zwei Fragen: Erstens die Frage nach den Ursachen für diese unterschiedlichen Trends bei links- und bei rechtsextremistischen Gewalttaten. Zweitens ist zu fragen, warum die Trends so irrig wahrgenommen werden, daß "Bild" den erneuten Rückgang der rechtsextremen Gewaltkriminalität als "überraschend" bezeichnet.
Zu beiden Fragen kann ich nur meine Vermutung nennen.
Die Fehlwahrnehmung, was die Entwicklung der Statistiken angeht, dürfte daran liegen, daß die Gefahr rechtsextremer Gewalt in den Medien und von Politikern immer wieder (zu Recht) betont wird; während eine ähnlich intensive und extensive Kommentierung linker Gewalt fehlt.
Die in erheblichen Teilen selbst linksextreme Partei "Die Linke" wird zum Beispiel nicht müde, auf die Gefahr des Rechtsextremismus hinzuweisen. Rechtsextreme Kräfte, die mit einer ähnlichen Resonanz - und Akzeptanz - in der Öffentlichkeit unermüdlich die Gefahr des Linksextremismus beschwören würden, fehlen hingegen.
Warum steigt zweitens in der Tendenz die linksextreme Gewaltkriminalität an und nimmt die rechtsextreme ab?
Man sollte sich dazu klarmachen, daß der deutsche militante Rechtsextremismus weitgehend seine Wurzeln in den Verhältnissen in der DDR hat (siehe Marginalie: Der Rechtsextremismus ist das Erbe der DDR; ZR vom 22. 11. 2011). In dem Maß, in dem jetzt eine Generation heranwächst, die nicht mehr von der DDR geprägt ist (weder durch eigenes Erleben noch indirekt durch das Milieu, in dem sie aufwächst), dürfte also die rechtsextreme Gewalt, wie überhaupt der Rechtsextremismus, an Bedeutung verlieren.
Warum andererseits die Gewaltbereitschaft im linksextremen Milieu wächst, ist schwerer zu sagen. Einen derartigen Trend gibt es jedenfalls seit Jahren; beispielsweise ist in Bayern die Zahl der linksextremen Gewaltdelikte von 2006 bis 2010 Jahr für Jahr gestiegen und hat sich in diesem Zeitraum von 71 auf 172 mehr als verdoppelt.
Die Ursachen können somit jedenfalls nicht erst in den letzten Jahren liegen, also beispielsweise mit der Wirtschaftskrise zusammenhängen. Es handelt sich offenbar um einen langfristigen Trend. Vielleicht steht er im Zusammenhang mit dem ebenfalls langfristigen Trend, daß die grundsätzliche Ablehnung des Linksextremismus immer mehr schwindet. Ein Symptom ist die kürzliche Diskussion zur Beobachtung der Partei "Die Linke" durch den Verfassungsschutz (siehe "Der Verfassungsschutz darf die Arbeit frei gewählter Abgeordneter nicht beeinträchtigen"; ZR vom 24. 1. 2012, sowie Gregor Gysi, der Kalte Krieg und "Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe"; ZR vom 25. 1. 2012).
2011 wurden insgesamt 1160 Fälle linksmotivierter Gewalt registriert – gut ein Viertel (26,64%) mehr als im Vorjahr (916 Fälle). Dabei wurden 783 Personen verletzt. Das sind 43,14% mehr als noch im Jahr 2010 (547 Verletzte). (...)Überraschend ist, daß die Redaktion von "Bild" das überraschend findet. Denn dieser Trend - die linksextreme Gewaltkriminalität nimmt in Relation zur rechtsextremen zu, diese stagniert oder nimmt ab - war auch schon in den vergangenen Jahren zu beobachten. Meist im Frühjahr gehen die entsprechenden Berichte durch die Presse. Beispiele:
Überraschendes Ergebnis: Im Gegensatz zu den Fällen linker Gewalt, ist die Zahl rechtsmotivierter Gewalttaten in 2011 leicht gesunken – auf insgesamt 579 Fälle (2010: 597 Fälle).
Der stärkste Anstieg ist im Bereich der politisch motivierten Kriminalität-links zu verzeichnen. Hier haben vor allem die Gewaltdelikte enorm zugenommen. So wurden erstmals mehr Körperverletzungen aus politisch linker als politisch rechter Motivation begangen. (Aus einer Presseerklärung des damaligen Bundesinnenministers Thomas de Maiziere vom 23. 3. 2010; siehe dazu "Die politische Gewalt von Linksextremisten wurde unterschätzt". Ein "Weckruf" von Innenminister de Maizière; ZR vom 24. 3. 2010).Von 2008 auf 2009 stieg, wie aus dieser Pressemitteilung hervorgeht, die Zahl der linksextremen Gewalttaten um 53,4 Prozent, während die der rechtsextremen Gewalttaten um 13,8 Prozent zurückgingen.
Nicht anders sahen die Meldungen im Frühjahr 2011 aus:
Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat auf die Gefahr durch politisch links motivierte Kriminalität hingewiesen. Er betonte am Freitag: "Erstmals sind sogar mehr Personen durch linke als durch rechte Gewalt verletzt worden." ("Die Presse", 15. 4. 2011).
Die Bereitschaft zur Gewaltanwendung ist im Jahr 2010 erneut auffallend gestiegen. (...) Mit 172 Delikten – und damit einer Steigerung um etwa 35 % im Vergleich zum Vorjahr – hat die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten erneut einen Höchststand erreicht. Ein Vergleich mit den 58 (2009: 53) rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten in Bayern zeigt, dass die linksextremistisch motivierten Gewaltdelikte abermals deutlich den größten Teil der politisch motivierten Gewalttaten ausmachen (Mitteilung auf der WebSite "Bayern gegen Linksextremismus" der Bayerischen Staatsregierung).
Soviel zu den Fakten. Es stellen sich zwei Fragen: Erstens die Frage nach den Ursachen für diese unterschiedlichen Trends bei links- und bei rechtsextremistischen Gewalttaten. Zweitens ist zu fragen, warum die Trends so irrig wahrgenommen werden, daß "Bild" den erneuten Rückgang der rechtsextremen Gewaltkriminalität als "überraschend" bezeichnet.
Zu beiden Fragen kann ich nur meine Vermutung nennen.
Die Fehlwahrnehmung, was die Entwicklung der Statistiken angeht, dürfte daran liegen, daß die Gefahr rechtsextremer Gewalt in den Medien und von Politikern immer wieder (zu Recht) betont wird; während eine ähnlich intensive und extensive Kommentierung linker Gewalt fehlt.
Die in erheblichen Teilen selbst linksextreme Partei "Die Linke" wird zum Beispiel nicht müde, auf die Gefahr des Rechtsextremismus hinzuweisen. Rechtsextreme Kräfte, die mit einer ähnlichen Resonanz - und Akzeptanz - in der Öffentlichkeit unermüdlich die Gefahr des Linksextremismus beschwören würden, fehlen hingegen.
Warum steigt zweitens in der Tendenz die linksextreme Gewaltkriminalität an und nimmt die rechtsextreme ab?
Man sollte sich dazu klarmachen, daß der deutsche militante Rechtsextremismus weitgehend seine Wurzeln in den Verhältnissen in der DDR hat (siehe Marginalie: Der Rechtsextremismus ist das Erbe der DDR; ZR vom 22. 11. 2011). In dem Maß, in dem jetzt eine Generation heranwächst, die nicht mehr von der DDR geprägt ist (weder durch eigenes Erleben noch indirekt durch das Milieu, in dem sie aufwächst), dürfte also die rechtsextreme Gewalt, wie überhaupt der Rechtsextremismus, an Bedeutung verlieren.
Warum andererseits die Gewaltbereitschaft im linksextremen Milieu wächst, ist schwerer zu sagen. Einen derartigen Trend gibt es jedenfalls seit Jahren; beispielsweise ist in Bayern die Zahl der linksextremen Gewaltdelikte von 2006 bis 2010 Jahr für Jahr gestiegen und hat sich in diesem Zeitraum von 71 auf 172 mehr als verdoppelt.
Die Ursachen können somit jedenfalls nicht erst in den letzten Jahren liegen, also beispielsweise mit der Wirtschaftskrise zusammenhängen. Es handelt sich offenbar um einen langfristigen Trend. Vielleicht steht er im Zusammenhang mit dem ebenfalls langfristigen Trend, daß die grundsätzliche Ablehnung des Linksextremismus immer mehr schwindet. Ein Symptom ist die kürzliche Diskussion zur Beobachtung der Partei "Die Linke" durch den Verfassungsschutz (siehe "Der Verfassungsschutz darf die Arbeit frei gewählter Abgeordneter nicht beeinträchtigen"; ZR vom 24. 1. 2012, sowie Gregor Gysi, der Kalte Krieg und "Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe"; ZR vom 25. 1. 2012).
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