12. Februar 2012

US-Präsidentschaftswahlen 2012 (17): Warum Maine ganz interessant ist

Für unsere Medien werden die Vorwahlen und Caucuses in den USA allmählich langweilig. Daß gestern bei den Republikanern (der GOP) schon wieder eine Entscheidung stattfand, hat nicht mehr dieselben großen Schlagzeilen gemacht wie die Entscheidungen in den bisherigen Staaten; von Iowa am 3. Januar bis zu der Dreiergruppe Missouri, Minnesota und Colorado am vergangenen Dienstag (Berichte und Analysen zu allen bisherigen Entscheidungen finden sie in den vorausgehenden Folgen dieser Serie).

Aber inzwischen wurde schon wieder gewählt. Genauer gesagt, Caucuses sind am Samstag zu Ende gegangen. Jedenfalls fast zu Ende gegangen. Denn der Bundesstaat Maine, um den es sich handelt, leistet sich sein eigenes Abstimmungsverfahren.

Das ist der erste Grund, warum die Caucuses in Maine ganz interessant sind: Sie zeigen die Lebendigkeit der amerikanischen Demokratie; die bunte Vielfalt, in der sich das politische Engagement von Bürgern äußert. Niemand schreibt den Demokraten oder den Republikanern eines Bundesstaats vor, wie sie da zu verfahren haben. Das ist ganz anders als in deutschen Parteien, wo viele Mitglieder zu jeder örtlichen Mitgliederversammlung die Geschäftsordnung der Bundes­partei mitnehmen, die alles bis ins Kleinste und bis in den kleinsten Ortsverein hinunter regelt.

In Maine nun gibt es zwei Besonderheiten.

Zum einen finden die Caucuses nicht an einem Tag statt, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg; wie die Mitglieder gerade Zeit haben, die sie organisieren und die für die Korrektheit der Auszählung verantwortlich sind. Es ging schon am Dienstag los; und bis gestern fanden weitere örtliche Caucuses statt. Dann wurde ausgezählt.

Aber richtig zu Ende ist die Sache immer noch nicht. Wie man in der Lokalpresse lesen kann, werden einige Ortsgruppen der GOP ihren Caucus erst im Lauf des Monats abhalten; ungefähr zehn Prozent der Stimmen stehen jetzt noch aus. Andere Caucuses wurden wegen Schneefalls erst einmal verschoben.

Man stelle sich die Unruhe vor, wenn es in Deutschland bei politischen Entscheidungen derart individuell und locker zugehen würde!



Eine andere Besonderheit teilt Maine mit anderen Bundesstaaten der USA, in denen nicht Primaries - vom Staat organisierte Vorwahlen -, sondern Caucuses stattfinden, also von den Parteimitgliedern selbst organisierte Wählerversammlungen; und dies ist der zweite Grund, warum die Caucuses in Maine ganz interessant sind: Es wird auf diesen Wählerversammlungen doppelt gewählt.

Zum einen nämlich entscheiden sich die Anwesenden für den Präsidentschafts­kandidaten ihrer Wahl. In einem anderen Wahlgang bestimmten sie Delegierte, die in einem meist zweistufigen Verfahren - zuerst auf Wahlkreis- und dann auf Bundesstaats-Ebene - schließlich die Delegierten für den Wahlparteitag im August wählen.

Das, was in der Wahlnacht als "Ergebnis" über die Nachrichtenticker geht, ist im allgemeinen das Ergebnis der Präferenzentscheidungen für die Kandidaten. Diese haben aber im Grund genommen keine Verbindlichkeit. Sie sind nur ein Stimmungsbild (straw poll).

Zwar wird ein Mitglied, das, sagen wir, Romney favorisiert, auch meist einen Delegierten wählen, der sich für Romney ausgesprochen hat. Aber das ist nicht zwingend; und der Delegierte kann auch noch seine Meinung ändern. Wieviele Delegierte, die für welchen Kandidaten stimmen werden, ein Bundestaat mit Caucuses tatsächlich im August nach Tampa in Florida schickt, wird man erst wissen, wenn diese Delegierten auch wirklich gewählt sind; das ist teilweise erst in Monaten der Fall, in Maine zum Beispiel im Mai.

In Maine nun könnte dieses zweizügige Verfahren kritisch sein. Damit bin ich beim dritten Punkt, dem Ausgang der Wahl.

Das Ergebnis kann man beispielsweise in der Washington Post lesen; und Nate Silver kommentiert es, kenntnisreich wie immer: Romney ging mit 39 Prozent als Sieger durchs Ziel. Ron Paul war ihm mit 36 Prozent dicht auf den Fersen (die Differenz betrug in diesem kleinen Bundesstaat, in dem bisher nur weniger als 5600 Wähler abstimmten, nur 196 Stimmen). Rick Santorum erhielt 18 Prozent; Newt Gingrich landete - wieder einmal, kann man inzwischen sagen - mit 6 Prozent auf dem letzten Platz.

Aber ist Romney wirklich der "Sieger"? Als er in der Wahlnacht des vergangenen Dienstag seine Rede hielt, sagte Ron Paul mit seinem typischen verschmitzten Lächeln etwas, das ich damals nicht ganz verstand: "It's delegates! It's delegates!". Es komme nicht auf Stimmen an, sondern auf Delegierte. Das meinte er offenbar mit Bezug auf Maine.

Und in der Tat: Wenn man die Präferenzstimmen für die Kandidaten in Delegierte umrechnet, dann würden Romney und Paul je 8 und Santorum 4 Delegierte erhalten. Es kann aber durchaus sein, daß wegen des zweizügigen Verfahrens am Ende Ron Paul die Nase bei den Delegierten vorn hat. Sein Lager rechnet jedenfalls mit dieser Möglichkeit.



Für Romney war dieser - wenn auch knappe - Sieg wichtig, um den Eindruck nach den Entscheidungen vom Dienstag zu verscheuchen, er sei auf dem absteigenden Ast. Ron Paul hat wieder einmal unerwartet gut abgeschnitten; aber doch nicht gut genug, um es wahrscheinlicher zu machen, daß er tatsächlich der Kandidat der GOP werden wird.

Maine war, so schreibt es heute die Washington Post, wohl "a final confirmation that Paul can never serve as a threat to the race's front-runners" - eine letzte Bestätigung, daß Paul niemals eine wirkliche Bedrohung für die Spitzenreiter in diesem Rennen darstellen wird.­
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Das Lansdowne-Porträt von George Washington, gemalt von Gilbert Stuart (1796). National Portrait Gallery der Smithsonian Institution. Das Porträt zeigt Washington, wie er auf eine weitere (dritte) Amtszeit verzichtet. Links zu allen Beiträgen dieser Serie finden Sie hier. Siehe auch die Serie Der 44. Präsident der USA von 2008.