20. Februar 2012

Zitat des Tages. Heute, wie anders, von Joachim Gauck

Ich habe vor anderthalb Jahren mein Erinnerungsbuch gemacht, das heißt "Winter im Sommer, Frühling im Herbst". Und da gibt es ein Schlußkapitel über die Freiheit. Und das fange ich so an:

Ich begegne einem Professor, eigentlich einem Alt-Achtundsechziger, aber sehr nett und sehr gebildet, also, und ...

(Lachen im Saal, Zuruf)

... ja, ja, ja. Schon, schon "aber". Ja, ja. Weil ... ts ts naja, das ist ein breites Thema.
Joachim Gauck am 23.03.2011 am Beginn eines Vortrags in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Thema lautete: "Freiheit, Verantwortung, Gemeinsinn – Herausforderungen an Bürger, Staat und Politik". Die Aufzeichnung dieses in freier Rede gehaltenen Vortrags können Sie hier ansehen. Eine (leicht redigierte) schriftliche Fassung gibt es hier.

Kommentar: Ein hörenswerter Vortrag; wie das meiste von Joachim Gauck. Ein Lob unserer freiheitlichen Gesellschaft, eine Kritik ihrer Schwächen. Zum Beispiel mit diesen Sätzen über die breite Zustimmung, die seine Kandidatur 2010 in der Bevölkerung erfahren hat:
Ich habe mich gefragt: Wenn so große Teile in der Bevölkerung in mir dies sehen - mit diesen Begrifflichkeiten - was wollen sie eigentlich? Was suchen sie eigentlich? Und meine Antwort war: Sie möchten eigentlich, daß die Menschen, die wir mit unserer Stimme auf die führenden Positionen gebracht haben, vertrauenswürdig und glaubwürdig sind.

Und was wollen sie, wenn sie sich das wünschen und danach sehnen? Sie wollen eben keine "andere Gesellschaft", sondern sie wollen sich beheimaten. Sie wollen dort, wo sie sind, glauben können, daß sie richtig sind, wo sie sind.
Einfache Sätze des Mannes, der es als Pfarrer versteht, einfach und eingängig zu formulieren. Aber in dieser vielleicht auch ein wenig pathetischen Einfachheit doch etwas, das zu diskutieren sich lohnt:

Es ist Mode geworden, die Menschen in Deutschland, auch in anderen Ländern, als "politikverdrossen", wenn nicht gar "demokratieverdrossen" zu bezeichnen; und hinter einer solchen Diagnose steckt oft genug die Hoffnung, sie seien damit reif für die Therapie einer "anderen" (gemeint: einer sozialistischen) Gesellschaft.

Viele - vielleicht die meisten - der Verdrossenen wollen aber nur (die Tea-Party-Bewegung in den USA zeigt das sehr deutlich) die jetzige Gesellschaft so, wie sie eigentlich sein sollte; so, wie die Väter der Verfassung sie beabsichtigt hatten.

In den USA ist das im jetzigen Vorwahlkampf bei den Republikanern ein zentrales Thema - die Rückkehr zu den Werten der amerikanischen Verfassung. Ich könnte mir vorstellen, daß der künftige Bundespräsident manche Diskussion über die Werte unseres Grundgesetzes anstoßen wird.



Zu den gestrigen Ereignissen, die zur Nominierung Gaucks führten, siehe auch:
  • Huber oder Gauck als Kandidat der Koalition - das wäre eine Richtungsentscheidung. Die Wahl des Präsidenten und die Chance der FDP (veröffentlicht vor der Entscheidung für Gauck)

  • Joachim Gaucks Nominierung: Sieg für die Freiheit, Erfolg der FDP. Eine List der Vernunft (eine erste Bewertung nach dieser Entscheidung)
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    Zettel



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