10. Februar 2012

Wenn es dunkel wird

Diese Woche war E-world in Essen, die zentrale Messe der Energiebranche in Europa. Hier treffen sich Energieerzeuger, Kraftwerksbauer, Netzbetreiber, Stadtwerke, Zulieferer und viele andere, und in einem parallelen Konferenzprogramm werden aktuelle Themen diskutiert.

Das offizielle Thema der Messe war die Energiewende. Alles wird schöner, CO2-neutraler, umweltfreundlicher. Lächelnde Messehostessen präsentieren niedliche Vögelshredder-Modelle und Elektrofahrräder. Auf allen möglichen Graphiken zeigen die Kurven freundlich nach oben: Sowohl für die installierten Kapazitäten in diversen "alternativen" Erzeugungsarten wie für die Gewinnprognosen.

Das inoffizielle Thema der Messe war der Blackout.

Eigentlich darf darüber natürlich nicht geredet werden. Kein Versorger läßt sich zitieren mit Äußerungen, wonach eine Einschränkung der Versorgungssicherheit auch nur möglich wäre. Nur vorsichtig wird in den Vorträgen angedeutet, daß es "Herausforderungen" gäbe. Daß man dabei wäre, einige noch offene Fragen zu adressieren.

Aber schon bevor es im "Spiegel" stand, war die Nervosität bei den Fachleuten spürbar: Die deutsche Stromversorgung balancierte diese Woche hart am Rande des Blackouts. Konnte noch zu Wochenbeginn Windstrom nach Frankreich exportiert werden (was Bundesoberöko Röttgen prompt zu überall abgedruckten Jubelarien veranlaßte), deuteten die Wettervorhersagen auf einen deutlichen Rückgang zum Wochenende hin. Durch den Rückgriff auf alle Reserven konnte (jedenfalls bis eben, also Freitag nachmittag) die seit Jahrzehnten gewohnte Versorgungssicherheit noch aufrechterhalten werden.

Das ist eben der Knackpunkt bei der neuen, "alternativen" Energieversorgung: Der wesentliche Teil der Produktion beruht auf Windkraft. Die Wasserkraft ist in Deutschland schon lange ausgereizt, für die Biomasse gibt es Kapazitätsgrenzen (ganz abgesehen von den ethischen Bedenken gegen die Vernichtung von Lebensmitteln), und Photovoltaik ist überteuerte Folklore. Den Löwenanteil beim angestrebten AKW-Ersatz müssen die Windmühlen bringen. Und der Wind ist eben sehr unstetig.

Statistisch ist jedes Jahr in Deutschland mit mindestens einer Woche durchgehender Flaute zu rechnen; Flaute definiert als eine Großwetterlage, in der die Windkraft durchgängig maximal 10% ihrer Leistung bringt.
Dieser Ausfall kann durch Speicher nicht kompensiert werden. De facto gibt es überhaupt nur eine effektive Möglichkeit der "Stromspeicherung", nämlich die Pumpspeicherkraftwerke. Diese haben in Deutschland eine Gesamtkapazität von 0,04 TWh. An einem kalten Wintertag werden aber um die 2 TWh gebraucht.

Noch haben wir diverse Kernkraftwerke am Netz, dazu natürlich grundlastfähige Stein- und Braunkohlekraftwerke. Ein Blackout ist derzeit zwar zunehmend möglich, aber noch unwahrscheinlich.
Sobald der "Atomausstieg" aber vollzogen sein wird - mit entsprechendem Ersatz vornehmlich durch Windkraft - werden Blackouts in Deutschland unvermeidbar werden. Davon im Schnitt ein großer, mehrtägiger pro Jahr.



Auf einen längerdauernden Stromausfall ist in Deutschland niemand vorbereitet. Der vorgesehene Störfall ist auf den Ausfall einzelner Komponenten ausgerichtet: Eine durch Bauarbeiten beschädigte Leitung, ein Brand im Ortsverteiler. Wo es überhaupt Notstromversorgung gibt, wird von einer Wiederherstellung der defekten Stromversorgung innerhalb einiger Stunden, maximal eines Tages ausgegangen.
Nun ist aber eine mehrtägige Flaute kein technischer Defekt. Da muß schlicht abgewartet werden, bis wieder ausreichend Wind weht, um die Versorgung langsam wieder flächendeckend aufzubauen.

In einem Konferenzvortrag wurden diverse Aspekte eines solchen langen Blackouts diskutiert:

Die Wasserversorgung ist für einige Tage gewährleistet, weil die Verteilung über den normalen Wasserdruck aus den hochgelegenen Speichern erfolgt.
Die Abwasserentsorgung dagegen wird schnell problematisch, weil sie fast immer auf Pumpen angewiesen ist. Je nach Lage des eigenen Hauses ist daher zu empfehlen, sich durch einen handbedienbaren Schieber vom allgemeinen Abwassernetz abkoppeln zu können - sonst kann man böse Überraschungen im Keller erleben.

Die überregionale Gasversorgung ist notfallgesichert und wird funktionieren. Nicht aber die Verteilung an die Haushalte, die dafür nötigen Zwischenpumpen hängen am normalen Stromnetz. Wobei es die Besitzer von Öl-, Holzpellet­heizungen oder Wärmepumpen nicht besser haben, ohne Strom geht da nichts mehr.

Schwierig wird auch die Kommunikation. Telephon-Festnetz und Internet sind in kürzester Zeit tot, das Fernsehen sendet zwar, kann aber von fast keinem Bürger mehr empfangen werden. Auch das Mobilnetz wird maximal eine Stunde halten: Das Backbone hat zwar eine Notstromversorgung, die Handies einige Tage lang Akku - aber die Verteiler machen ohne Stromnetz schnell schlapp. Damit können wir uns auch diverse Überlegungen sparen, mit Solarzellen aufgeladene Smartphones könnten uns eine Internetverbindung verschaffen ...
Übrig bleibt eigentlich nur das gute alte Radio, die meisten Haushalte verfügen noch über mit Batterien versorgte Empfänger.

Neu zu planen ist die Versorgung von kritischen Einrichtungen wie z. B. Krankenhäusern. Dort gibt es zwar überall eine Notstromversorgung - aber die Dieseltanks sind derzeit meist für 24 Stunden ausgelegt. Und ein Nachfüllen beim Blackout ist kaum möglich: Weder kann man die Tankwagen verständigen, noch funktionieren die Pumpen an den Tankstellen.

Wie schon gesagt: Wenn die "Energieplanung" der Bundesregierung so bleibt, wie derzeit beschlossen, wird es große Blackouts dieser Art geben. Die Frage ist nur noch, wie man mit diesen umgeht. Denkbar wäre z. B. die Trennung des Versorgungsnetzes in einen prioritären Bereich (z. B. für Krankenhäuser und Infrastruktur) und den dummen Rest.



Ungeachtet der großen Krisen der Welt: Das wahre Thema der E-World war - "wie komme ich an ein iPad". Da alle PR-Zentralen der beteiligten Firmen offenbar ähnlich kreativ waren, gab es an gefühlt jedem dritten Stand ein solches Gerät zu gewinnen, in allen denkbaren Variationen von Verlosungen und Gewinnspielen. Und der wesentliche Zeitvertreib von Besuchern und Standbesatzungen war es, sich an den übrigen Ständen an der iPad-Jagd zu beteiligen.
Bleibt ein Problem: Auch ein iPad hält beim Blackout nur 10 Stunden.­
R.A.



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