Wer als Mitglied der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (WBG) in den letzten Wochen sein Buchpaket auspackte, dem konnte es geschehen, daß er darin nicht nur das Bestellte fand, sondern auch einen Brief. Einen Brief vom Chefredakteur der "Zeit" Giovanni di Lorenzo.
Überschrieben ist das Schreiben mit "Die Chefredaktion der ZEIT bittet Sie als Mitglied der WBG um Ihre Meinung". Ja, warum auch nicht.
Eine - vom Chefredakteur so bezeichnete - "große Umfrage" folgt sodann. Naja, groß. Es sind genau fünf Fragen.
Gefragt wird zuerst, welche der 9 Hauptressorts besonders interessieren, beispielsweise Wirtschaft, Wissenschaft, Feuilleton. So weit, so gut. Aber dann kommt's.
Dann kommt's knüppeldicke; oder sagen wir: strohdumm.
Frage zwei:
Aber gemach, Giovanni di Lorenzo läuft sich erst warm. Weiter geht es. Frage drei:
Diejenigen, die das Veräppeltwerden immer noch nicht gemerkt haben, werden erbarmungslos weiter auf ihren IQ getestet. Frage vier:
Nein, lieber Leser, ich meinerseits will Sie nicht veräppeln. Natürlich hat sich nicht Giovanni di Lorenzo diese "Umfrage" ausgedacht, sondern irgendwelche Werbefritzen. Leute, die vielleicht zuvor für Bettwäsche oder Tiernahrung geworben hatten.
Diese mögen gute Erfahrungen damit gemacht haben, in einer Scheinbefragung den Lesern Scheinfragen zu stellen, die ihnen in Wahrheit Werbebotschaften vermitteln sollen. Vielleicht hat auch einer dieser Werbemenschen mal ein paar Semester Sozialpsychologie studiert und aufgeschnappt, daß man die Meinung von Menschen beeinflussen kann, indem man sie veranlaßt, bestimmten Aussagen zuzustimmen.
Aber egal, wer sich dieses Werklein versuchter suggestiver Beeinflussung aus den Fingern gesogen hat - gezückt hat seinen Füller der Spitzenjournalist Giovanni di Lorenzo, um es zu unterschreiben und mit seiner Unterschrift dafür geradezustehen.
Vor zwei Jahr war das noch anders gewesen.
Da gab es schon einmal eine ähnliche "Umfrage" der "Zeit"; damals im Web und zum Thema Literatur. Auch dort wurden die Befragten behandelt, als entstammten sie allesamt den bildungsfernen Schichten. Ich habe das seinerzeit kommentiert (Zettels Meckerecke: Faszination Literatur? Für wie schwachsinnig die "Zeit" potentielle Leser hält; ZR vom 23. 9. 2008).
Damals hat sich aber wenigstens nicht die Redaktion zu dieser Anmache auf Primitivniveau bekannt. Unterschrieben hat nicht der Chefredakteur, sondern der Geschäftsführer Dr. Rainer Esser.
Damit wurde immerhin noch erkennbar, daß es nicht um Redaktionelles ging, sondern um Verkauf. Diese Schamschwelle ist jetzt auch noch gefallen. Der Chefredakteur betätigt sich als Klinkenputzer.
Sie finden, daß ich zu streng urteile? Sie wollen entgegnen, so seien nun einmal die Sitten in unserer Konsumwelt?
Aber es geht mir ja überhaupt nicht um diese Sitten, gegen die ich nichts habe. Es geht mir darum, wie die Redaktion der "Zeit", wie ihr Chef di Lorenzo die Intelligenz derer einschätzen, die sie gern als Leser gewinnen möchten.
Und an deren Auffassungsgabe sich das Blatt ja irgendwie auch anpassen muß, wenn es sie nicht wieder als Leser verlieren möchte. Achten Sie einmal darauf.
Überschrieben ist das Schreiben mit "Die Chefredaktion der ZEIT bittet Sie als Mitglied der WBG um Ihre Meinung". Ja, warum auch nicht.
Eine - vom Chefredakteur so bezeichnete - "große Umfrage" folgt sodann. Naja, groß. Es sind genau fünf Fragen.
Gefragt wird zuerst, welche der 9 Hauptressorts besonders interessieren, beispielsweise Wirtschaft, Wissenschaft, Feuilleton. So weit, so gut. Aber dann kommt's.
Dann kommt's knüppeldicke; oder sagen wir: strohdumm.
Frage zwei:
Aus vielen Leserbriefen weiß die Redaktion, dass die Hintergrundinformationen der ZEIT sehr geschätzt werden. Haben erklärende Artikel in unserer schnelllebigen Zeit eine Berechtigung?Wie bescheuert muß jemand sein, wenn er die zweite Alternative ankreuzt, nachdem er zuvor schon belehrt wurde, daß "die Hintergrundinformationen der ZEIT sehr geschätzt werden"? Wie bar jeder Kenntnis muß wohl das Mitglied der WBG sein, das die "Zeit" für eine Art Newsticker hält?Ja, denn eine Nachricht allein sagt nicht viel aus. Man muss den Zusammenhang verstehen. Nein, kurze Meldungen reichen für die Allgemeinbildung.
Aber gemach, Giovanni di Lorenzo läuft sich erst warm. Weiter geht es. Frage drei:
Bei kontroversen Themen druckt die ZEIT im Gegensatz zu anderen Zeitungen unterschiedliche Meinungen ab. Wie beurteilen Sie diese journalistische Herangehensweise?Von wem der Befragten erwartet Giovanni di Lorenzo wohl, daß er die zweite Alternative ankreuzt; außer von denen, die spätestens jetzt merken, daß sie veräppelt werden? Und die das dann aus Daffke tun, die zweite Alternative ankreuzen?Finde ich sehr gut, da ich mir so ein eigenes Urteil bilden kann. Finde ich nicht so gut, die ZEIT sollte immer einen einheitlichen Standpunkt vertreten.
Diejenigen, die das Veräppeltwerden immer noch nicht gemerkt haben, werden erbarmungslos weiter auf ihren IQ getestet. Frage vier:
Als besonderes Extra liegt der ZEIT jede Woche das ZEITmagazin mit unterhaltenden und emotionalen Inhalten bei. Spricht sie das an?Und schließlich als krönender Abschluß der "großen Umfrage" noch eine Frage, so richtig zum Nachdenken:Packende Reportagen, spannende Rätsel und humorvolle Kolumnen sind eine ideale Ergänzung zu den übrigen Ressorts der ZEIT. Der unterhaltsame Stil des Magazins passt nicht zum eher ernsthaften Anspruch der ZEIT.
Welche Eigenschaften verbinden Sie mit der ZEIT heute? (Mehrfachnennungen möglich):Na, wie gut, daß da Mehrfachnennungen möglich sind. Sonst wäre es echt schwer geworden, der "Zeit" alle bis auf eine dieser Tugenden absprechen zu müssen. Die sie doch alle hat; oder zweifelt jemand daran?Unabhängig Glaubwürdig Unterhaltsam Bildend Überraschend Aufklärend
Nein, lieber Leser, ich meinerseits will Sie nicht veräppeln. Natürlich hat sich nicht Giovanni di Lorenzo diese "Umfrage" ausgedacht, sondern irgendwelche Werbefritzen. Leute, die vielleicht zuvor für Bettwäsche oder Tiernahrung geworben hatten.
Diese mögen gute Erfahrungen damit gemacht haben, in einer Scheinbefragung den Lesern Scheinfragen zu stellen, die ihnen in Wahrheit Werbebotschaften vermitteln sollen. Vielleicht hat auch einer dieser Werbemenschen mal ein paar Semester Sozialpsychologie studiert und aufgeschnappt, daß man die Meinung von Menschen beeinflussen kann, indem man sie veranlaßt, bestimmten Aussagen zuzustimmen.
Aber egal, wer sich dieses Werklein versuchter suggestiver Beeinflussung aus den Fingern gesogen hat - gezückt hat seinen Füller der Spitzenjournalist Giovanni di Lorenzo, um es zu unterschreiben und mit seiner Unterschrift dafür geradezustehen.
Vor zwei Jahr war das noch anders gewesen.
Da gab es schon einmal eine ähnliche "Umfrage" der "Zeit"; damals im Web und zum Thema Literatur. Auch dort wurden die Befragten behandelt, als entstammten sie allesamt den bildungsfernen Schichten. Ich habe das seinerzeit kommentiert (Zettels Meckerecke: Faszination Literatur? Für wie schwachsinnig die "Zeit" potentielle Leser hält; ZR vom 23. 9. 2008).
Damals hat sich aber wenigstens nicht die Redaktion zu dieser Anmache auf Primitivniveau bekannt. Unterschrieben hat nicht der Chefredakteur, sondern der Geschäftsführer Dr. Rainer Esser.
Damit wurde immerhin noch erkennbar, daß es nicht um Redaktionelles ging, sondern um Verkauf. Diese Schamschwelle ist jetzt auch noch gefallen. Der Chefredakteur betätigt sich als Klinkenputzer.
Sie finden, daß ich zu streng urteile? Sie wollen entgegnen, so seien nun einmal die Sitten in unserer Konsumwelt?
Aber es geht mir ja überhaupt nicht um diese Sitten, gegen die ich nichts habe. Es geht mir darum, wie die Redaktion der "Zeit", wie ihr Chef di Lorenzo die Intelligenz derer einschätzen, die sie gern als Leser gewinnen möchten.
Und an deren Auffassungsgabe sich das Blatt ja irgendwie auch anpassen muß, wenn es sie nicht wieder als Leser verlieren möchte. Achten Sie einmal darauf.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Lois Jane, der ich die Anregung zu diesem Artikel und eine Kopie des Fragebogens verdanke; sowie an tekstballonnetje für die Erinnerung an den Beitrag von 2008, dessen Erwähnung ich nachträglich in diesen Artikel aufgenommen habe.