29. September 2010

Kurioses, kurz kommentiert: "Monogamie ist ein eigenes Perversionsgenre". Wann ist Sex politisch gut? Und welchen Auftrag hat das Goethe-Institut?

Politisch guter Sex ist streng genommen nicht mit Monogamie verträglich. Monogamie ist ein eigenes Perversionsgenre, da es die hegemoniale Form der Partnerschaft als patriarchale Besitzkonstellation affirmiert, die auch noch Sex an Reproduktion koppelt. Entzerrt also Sex von Liebe und etabliert den Seitensprung, bindet Dritte ein oder organisiert gemeinsame Orgien.

Margarita Tsomou in "Jungle World" 38/2010 vom 23. September 2010.


Kommentar: Ob das ernst gemeint sei oder Satire, fragt in Zettels kleinem Zimmer Dirk, dem ich den Hinweis auf dieses Kleinod verdanke.

Ich habe mich das auch gefragt. Die Antwort lautet: Es ist ernst gemeint. Ernst gemeint ist nicht nur das obige Zitat, sondern beispielsweise auch diese Passage am Anfang des Artikels:
Die weniger Glücklichen unter uns sind als (linke) heterosexuelle Biomänner geboren. (...) Etwas besser steht es um die Bio frauen. Die wurden wenigstens durch den Feminismus für Sexualitätsfragen sensibilisiert. Das meiste Potential haben Queers, denn die kommen nicht umhin, Sex jenseits der Hegemonie zu erfinden. (...) Sogenannter normaler Sex ist politisch unreflektierter Sex, ist schlechter Sex (...).
Woher ich weiß, daß das keine Satire ist, die sich ein übermütiger Parodist linksalternativen Geschwafels ausgedacht hat?

Weil es die Autorin Margarita Tsomou wirklich gibt, und weil sie öffentliche Auftritte veranstaltet, in denen sie just das dem Publikum nahezubringen versucht, was in dem Text steht. Am vergangenen Samstag zum Beispiel in Berlin. Auszug aus der Ankündigung:
In "Nackte Agitation: Eine Nummernfolge" reflektiert Tsomou feminine Körperpraktiken als Gleichungen zwischen Arbeit und Konsum, Blickregime, Pro-Sex-Feminismus und der Normalisierung des Obszönen.
Noch schöner ist das, was auf der WebSite eines Senders des ORF-Hörfunks zu lesen ist. Berichtet wird dort über ein "dreitägige[s] Performance-Festival Gender Pop Athens" in Athen:
So gibt es im weitläufigen Areal des Veranstaltungsorts Bios eine große Bandbreite dessen zu sehen, was im Rahmen von Popkultur zeigt, dass Geschlecht nur eine soziale und keine natürliche Kategorie ist. Ob das nun eine musikalische Drag-King-Show von Eszter Salomon & Arantxa Martinez ist, die etwas ehrgeizige Sexiness der drei Newtonesken Frauen von Company, die performative Beschäftigung mit Celebrity-Culture von Who's Who?, die Thematisierung von Brustkrebs durch einen Mann (!) oder Konzerte des quirligen Namosh oder der Diskurs-Elektropopperinnen Rhythm King and her Friends - die anwesenden AthenerInnen nehmen es begeistert bis andächtig schweigend auf.
Als "Kuratorin" dieses Ereignisses fungierte Margarita Tsomou.

Und wer hat es gesponsert? Laut ORF wurde das Festival "gemeinsam mit dem Goethe-Institut auf die Beine gestellt".

Was ist der Auftrag des Goethe-Instituts? Es beschreibt ihn selbst so:
Wir fördern die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland und pflegen die internationale kulturelle Zusammenarbeit. Darüber hinaus vermitteln wir ein umfassendes Deutschlandbild durch Information über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben.
Kurios, finden Sie nicht, wie man diesen Auftrag interpretieren kann?



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Dirk und Meister Petz.