15. September 2010

Marginalie: Nicht nur "Spiegel-Online" verschwieg die Zustimmung zu Sarrazin. Ein Blick in unsere Leitmedien

In der gestrigen Meckerecke habe ich meine Verwunderung darüber geäußert, das mir das sensationelle Umfrageergebnis im "Politbarometer" vom vergangenen Freitag entgangen war: 56 Prozent der Befragten sagten, daß Sarrazin Recht habe; nur 28 Prozent verneinten das.

Ich hatte mich dann in dem Artikel auf die Berichterstattung in "Spiegel"-Online konzentriert, das einerseits dieses Ergebnis der renommierten Forschungsgruppe Wahlen verschwiegen hatte, andererseits aber Daten eines in Antalya in der Türkei ansässigen Instituts ausführlich berichtete; Zahlen, die von denen der Forschungsgruppe Wahlen massiv abwichen. Danach war die Zustimmung zu Sarrazin geringer als die Ablehnung.

Was "Spiegel-Online" angeht, war mir das Umfrageergebnis der Forschungsgruppe Wahlen entgangen, weil "Spiegel-Online" es schlicht verschwiegen hatte. Wie sieht es aber bei den anderen Leitmedien aus?

Man kann in Google gezielt nach den Inhalten eines Mediums suchen, indem man den "site:"-Befehl verwendet. Das habe ich jetzt für die wichtigsten Printmedien gemacht und nach Sarrazin Politbarometer site:[Adresse des Mediums] gesucht.

Mit einem wahrlich bemerkenswerten Ergebnis:
  • "Welt-Online" berichtete am 10. September über das Politbarometer, und zwar unter der Überschrift "ZDF-Politbarometer - Neues Rekordhoch für Grüne in der Sonntagsfrage". Die Frage zu Sarrazin kam in dem Artikel nicht vor.

  • Für FAZ.Net, die Internetausgabe der "Frankfurter Allgemeinen", lieferte die Suche 8 Treffer. Der aktuellste stammte vom 11. Oktober 2009.

  • Mehr Treffer gab es für die Internetausgabe der "Süddeutschen Zeitung", sueddeutsche.de, nämlich gleich 2.740. Zum Glück brauchte ich mich durch sie nicht hindurchzuarbeiten oder die Suche einzugrenzen, denn sueddeutsche.de bietet als Service eine Zusammenstellung sämtlicher bisher erschienener Artikel zum Politbarometer an. Dasjenige vom vergangenen Freitag kommt dort nicht vor.

  • Bei der Internetausgabe des "Tagesspiegel" gab es 40 Treffer; es war kein Bericht über das Politbarometer vom vergangenen Freitag dabei. Auch die interne Suchfunktion liefert für den Suchbegriff "Sarrazin" zwar zahlreiche Artikel seit dem 10. September, aber keinen über das Politbarometer.

  • Sie werden sich jetzt schon nicht mehr wundern, daß auch die Suche in der Internetausgabe der "Frankfurter Rundschau" ins Leere ging. 12 Suchergebnisse; keines zu dem Politbarometer vom vergangenen Samstag.

  • Nun zu den Internet-Ausgaben bzw. Portalen der Wochenzeitschriften. Daß "Spiegel-Online" die Umfrage verschwiegen hat, wissen Sie schon. Wie steht es beim Konkurrenten "Focus"?.

    Für "Focus" lieferte Google bei der Suche nach "Politbarometer Sarrazin" 2.020 Treffer. Ich habe mir die ersten 100 angesehen: Die Sendung vom Freitag kommt nicht vor. Dann habe ich die Suche eingegrenzt; einmal auf "Politbarometer 2010 Sarrazin", dann auf "Politbarometer September Sarrazin" und schließlich noch auf "Politbarometer 'September 2010' Sarrazin". Es fand sich kein Bericht über die Sendung vom Freitag.

    Auch die interne Suchfunktion von "Focus" liefert zum Suchbegriff "Sarrazin" zwar 35 Fundstellen für den Zeitraum vom 10. September bis heute; aber ein Bericht über das Politbarometer ist nicht dabei.

  • Und nun die große Überraschung: "Zeit-Online" hat berichtet!

    Unter der Überschrift "Medien-Umfrage: Überwiegend Beifall für Sarrazin" ist mit Datum vom 10.9.2010, 16.26 Uhr, die dpa-Meldung zu lesen, die korrekt und detailliert über das Ergebnis bei der Frage zu Sarrazin informiert. Und sogar an einen längeren Artikel im Wirtschaftsteil hat man diese Meldung in verkürzter Form am Freitag noch angehängt, wenn auch nur in Form eines unscheinbaren Absatzes.
  • Eine dpa-Meldung also. Eine Meldung, die somit sämtlichen Printmedien am Freitag vorlag. sueddeutsche.de ließ sie beispielsweise über den Newsticker laufen. Einen Artikel dazu zu verfassen hielt man offenbar für unnötig.



    Vielleicht haben ja aber alle die anderen Medien, die ich geprüft habe, auch korrekt über die Umfrage zu Sarrazin berichtet, jedoch nur in ihren Print-Ausgaben? Ich kann das nicht ausschließen. Aber ein wenig seltsam wäre es schon.

    Möglicherweise, lieber Leser, beziehen Sie ja die eine oder andere dieser Zeitungen und Zeitschriften. Sollten Sie dort einen Artikel zu der Sarrazin-Umfrage gefunden haben, dann wäre ich Ihnen für einen Hinweis dankbar. Ich werde diese Informationen dann hier nachtragen. Sie finden meine Mailadresse, wenn Sie oben rechts "Zettel" anklicken.


    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Mit Dank an Florian, dessen Beitrag mich zu diesem Artikel angeregt hat; sowie an C. für Funde, die ich ergänzend in diesen Artikel eingebaut habe.