10. April 2010

Kleines Klima-Kaleidoskop (12): Fünf Gründe für die Klima-Hysterie (Teil 2)

Im ersten Teil habe ich argumentiert, daß der überaus große Zulauf, den die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung weithin gefunden hat, nicht allein innerwissenschaftliche, sondern auch ideologische und politische Gründe hat.

Als James E. Hansen, wie im ersten Teil geschildert, seine Zusammenstellung von Meßdaten publizierte und den dort dargestellten Anstieg der globalen Temperatur mit einem menschengemachten (nämlich vor allem durch den Ausstoß von CO2 verursachten) Treibhauseffekt erklärte, da war das eine interessante Hypothese.

Sie ist es auch heute noch. Eine Hypothese, um die es im Augenblick nicht sehr gut steht, denn der von ihr vorhergesagte Anstieg der globalen Temperatur ist im vergangenen Jahrzehnt ausgeblieben (siehe Es ist vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung; ZR vom 17. 11. 2010). Aber widerlegt ist diese Hypothese damit nicht; es kann sich um ein vorübergehendes Plateau innerhalb eines langfristigen Anstiegs handeln.

Das kommende Jahrzehnt wird das zeigen; und zwar im Zusammenwirken der beiden innerwissenschaftlichen Aspekte des Klimaproblems, nämlich des empirischen und des theoretischen (dem 1. und dem 2. Aspekt in Teil 1). Wie jede Theorie mit hypothetischem Charakter wird die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung am Ende an den Daten scheitern oder durch sie bestätigt werden.

Diese Theorie mit dem Charakter einer unbewiesenen Hypothese wird von der Öffentlichkeit, von den meisten Politikern und auch von einem Teil der Forschung aber nicht als eine solche betrachtet, sondern als gesichertes Wissen.

Hierbei spielen die außerwissenschaftlichen Aspekte des Themas eine Rolle, die ich im ersten Teil genannt habe. In diesem zweiten Teil geht es um den spirituell-ideologischen Aspekt: Umweltideologie als Ersatzreligion.



3. Der spirituell-ideologische Aspekt. Spiegelbildlich zum Niedergang der Religiosität in den westlichen Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundert haben die Neigungen zu Ideologie und Spiritualität zugenommen. Politische Ideologien mit quasi-religiösen Zügen wie der Marxismus und der Nationalsozialismus erhielten Zulauf. Wer sich mit der tradierten christlichen Religion nicht mehr identifizieren konnte, der fand dort eine Welterklärung, eine Ethik, ein Wertesystem; der fand dort auch Rituale und Pseudo-Götter samt ihren Priestern.

Andere orientierten sich nicht politisch, sondern, wie man so sagt, spirituell. Östliche Religionen und esoterischer Schnickschnack jeder Art fanden ihre Anhänger.

Und die Umweltbewegung fand sie. Ihren quasireligiösen Charakter hat in einem Gastbeitrag zu diesem Blog der evangelische Theologe Herr im vergangenen Dezember dargelegt (Klimaschutz als Religionsersatz. Und die Kirchen machen mit; ZR vom 8. 12. 2009): Das unbedingte Anliegen einer Rettung der Menschheit. Der Glaube an den Sündenfall der Bedrohung und Zerstörung der Umwelt durch "den Menschen". Die Befürchtung einer Apokalypse, die nur durch Buße und Umkehr abgewandt werden kann. Bis in die Details gibt es, wie Herr zeigt, Parallelen - das Lehramt des IPCC, die Wallfahrten zu Klimakonferenzen, den Ablaßhandel mit Klimazertifikaten.

Diese Öko-Variante der Spiritualität ist nun allerdings älter als die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung. Man könnte sagen, daß es ein diffuses quasireligiöses Öko-Bedürfnis gibt, das sich immer wieder neu mit Konkretem füllt. Anfangs waren es andere Inhalte gewesen; jetzt hat dieses Bedürfnis mit der Angst vor der Klimakatastrophe einen ultimativen, umfassenden Inhalt gefunden.

In der ersten Phase - in den USA ab den späten fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in Deutschland ungefähr ein Jahrzehnt später - machte sich dieses Bedürfnis an dem Wunsch nach einer "sauberen" Natur fest. Der Sündenfall von damals war die Verschmutzung der Natur. Gekämpft wurde von nun an gegen "Dreckschleudern". Das Ziel war die Wiederherstellung einer möglichst unberührten Natur - saubere Luft, reine Seen, Flüsse, in denen man wieder baden kann. Im Bundestagswahlkampf 1961 forderte der Kanzlerkandidat Willy Brandt, daß "der Himmel über der Ruhr wieder blau werden" müsse.

In der zweiten Phase kam als Sündenfall die "Ausplünderung des Planeten" hinzu, die in eine globale Katastrophe führen werde. Von außerordentlich großem Einfluß war hier im Jahr 1972 "Die Grenzen des Wachstums", der Bericht des "Club of Rome". Er sagte für den Fall, daß es keine radikale Umkehr geben werde, einen "Zusammenbruch des Weltsystems" bis ungefähr 2100 vorher.

Das Klima spielte damals allerdings noch kaum eine Rolle; als die entscheidenden Faktoren wurden Übervölkerung, Nahrungsmittelmangel, die Umweltbelastung, die Erschöpfung von Bodenschätzen und die Entwicklung der Industrie angesehen.

Das Weltmodell W3 des "Club of Rome" war eine der ersten großangelegten Simulationen unter Einsatz von Computern und insofern bahnbrechend. Rezepiert wurde es aber überwiegend als eine apokalyptische Vision. Es entstand der von nun an charakteristische asketische Zug der sich formierenden Umweltbewegung: Nur Verzicht kann uns noch retten. "Nullwachstum" wurde zum Schlüsselbegriff.

Zur Verschmutzung und zur Ausplünderung der Natur gesellte sich in einer dritten Phase - ab den achtziger Jahren - deren Zerstörung. In Deutschland spielte das sogenannte "Waldsterben" eine zentrale Rolle. Der "Spiegel" brachte dazu im November 1981 eine Titelgeschichte, in der es hieß:
In Westdeutschlands Wäldern, warnen Forstexperten, "tickt eine Zeitbombe": Ein großflächiges Tannen- und Fichtensterben ist, wie Fachleute befürchten, erstes Vorzeichen einer weltweiten "Umweltkatastrophe von unvorstellbarem Ausmaß".
Und im dritten Teil der Serie, die mit dieser Titelgeschichte eröffnet wurde, hieß es:
Für den Göttinger Professor Bernhard Ulrich besteht schon kein Zweifel mehr, was die kahlen Tannen in den Forsten und die dahinkümmernden Alleen in den Städten ankündigen. Europa und womöglich die gesamte nördliche Hemisphäre, meint der Wissenschaftler, stünden am Anfang "einer sich über mehrere menschliche Generationen dahinziehenden Waldvernichtung" durch industriell erzeugten Luftschmutz wie Schwefeldioxid. Wenn Ulrich recht hat, droht, so sein Münchner Kollege Peter Schütt, "die gigantischste Umweltkatastrophe, die es je gab".
Das war vor knapp dreißig Jahren. Der Schuldige war damals noch nicht CO2, sondern SO2; das Schwefeldioxid, das vor allem als Bestandteil von "schwefelsaurem Regen" gefürchtet wurde. Denn dieser bewirke - so der "Spiegel" im zweiten Teil der Serie - nicht nur das Waldsterben, sondern er führe auch zu "Milliardenschäden in der Landwirtschaft wie an Bauwerken, fördert Lungenkrebs und löst zehntausendfach Nierenleiden und wahrscheinlich Erbkrankheiten aus".



Wenn man sich diese Vorgeschichte vergegenwärtigt, dann versteht man, wieso Hansens Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung auf so gewaltigen Widerhall stieß: Sie setzte, Ende der achtziger Jahre, sozusagen den Schlußstein. In sie hinein konnte man alle die Ängste projizieren, die in den vorangegangenen Jahrzehnten entstanden waren:
  • Die Verschmutzung der Umwelt nahm nun die Gestalt des CO2-Ausstoßes an; das lebenswichtige Gas CO2 wurde gar zum "gefährlichen Umweltgift" erklärt.

  • Das Weltuntergangs-Szenario des "Club of Rome" wurde um eine besonders sinnfällige Komponente erweitert: Eine Serie von Naturkatastrophen, mit Überflutungen, Stürmen, Dürren und dergleichen. Uralte Ängste also im kollektiven Gedächtnis einer Menschheit, die in ihrer ganzen Geschichte in der Furcht vor solchen Katastrophen lebte.

  • Das Motiv der Zerstörung fand neue Inhalte. Mit dem Waldsterben war es nichts geworden. An die Stelle entnadelter Wälder trat nun das Sinnbild des Eisbären, der auf seiner Scholle durch die sich erwärmende Arktis treibt. Wir zerstören nicht nur unsere eigene Lebensgrundlage, so lautete die Botschaft, sondern wir versündigen uns auch an der Schöpfung.
  • Kein Wunder also, daß die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung auf fruchtbaren Boden fiel.

    Nein, das ist zu schwach formuliert. Sie wurde mit offenen Armen empfangen; sie wurde entgegengenommen wie eine Offenbarung. Ja, das war es! Verschmutzung, Zerstörung, Untergang - alles zusammengefaßt im Bild einer Welt, die wir mit unserer Sündhaftigkeit immer mehr aufheizen, bis sie in einem globalen Inferno untergeht:

    Was für eine eindringliche, was für eine archaische, welch eine höllische Vorstellung! Hier sehen Sie sie visualisiert:




    Tatsächlich wirksam wird eine solche spirituell-ideologische Bewegung allerdings erst, wenn sie politisch wird. Die Theorie der menschengemachten globalen Erwärmung wurde das, und zwar auf zwei Ebenen: Gesellschaftspolitisch, insofern sie Bestrebungen nach einer totalen Kontrolle der Gesellschaft eine neue Grundlage lieferte; weltpolitisch dadurch, daß diese Theorie den Interessen der Länder der einstigen "Dritten Welt" entgegenkam. Damit befaßt sich der dritte Teil.

    Teil 1; Teil 3




    © Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc. Abbildung: The global warming icon for the ubx. Vom Autor Jackl unter GNU Free Documentation License, Version 1.2 oder später, freigegeben.