Mit großer Rhetorik ist Barack Obama an die Macht gelangt; Rhetorik blieb auch das zentrale Mittel seiner Politik als Präsident. Manchmal verbirgt sich dahinter das blanke Nichts, wie bei seiner Vision von einem bevorstehenden Frieden im Nahen Osten. Manchmal dient die Rhetorik auch dazu, Obamas Politik zu verschleiern.
Am Montag dieser Woche hat der Präsident den Redakteuren der New York Times David E. Sanger und Peter Baker ein Interview gegeben, über dessen Inhalt das Blatt in der Druckausgabe vom Dienstag berichtete. In einem getrennten Artikel wurden wörtliche Auszüge aus dem Interview dokumentiert. Die zentrale Aussage Obamas faßte die NYT so zusammen:
In dem Interview nämlich sagte Obama auch dies (Hervorhebung in der Übersetzung von mir):
Wie aber will Obama denn Schurkenstaaten davor abschrecken, die USA mit chemischen oder biologischen Waffen anzugreifen, wenn er einen nuklearen Gegenschlag ausschließt? Welches sind die in dem Interview genannten "Instrumente"?
Dazu sagt Obama in dem Interview nichts. Die Antwort findet man in der heutigen Washington Post unter der Überschrift "U.S. looks to nonnuclear weapons to use as deterrent" - "Für die Abschreckung wenden die USA sich nichtnuklearen Waffen zu".
Es handelt sich um das Prompt Global Strike-Programm. Entwickelt werden Raketen, die wie die jetzigen ICBMs (interkontinentale Raketen mit Nuklearsprengköpfen) innerhalb einer Stunde jeden beliebigen Punkt auf der Erde erreichen können, die aber mit konventionellen Sprengköpfen mit hoher Zerstörungskraft bestückt sind.
Sie sind aus der Sicht des Pentagon erforderlich. Die Washington Post:
Das Prompt Global Strike-Programm begann schon unter Präsident Bush, wird aber von Obama forciert. Gegenüber dem laufenden Budget will Obama die Mittel für das Projekt um 45 Prozent auf dann 240 Millionen Dollar aufstocken; insgesamt sind bis zum Abschluß der Entwicklung im Jahr 2015 Kosten in Höhe von 2 Milliarden Dollar veranschlagt.
Es geht also um ein strategisches Problem, das aus der Nuklearstrategie-Debatte zur Zeit des Kalten Kriegs bekannt ist: Abschreckung verliert ihre Wirkung, wenn sie nicht glaubhaft ist.
Damals betraf das eine nukleare Antwort der USA, falls die UdSSR Westeuropa konventionell angreift. Es wurde argumentiert, ein nuklearer amerikanischer Angriff auf die UdSSR als Antwort werde ausbleiben, weil er einen sowjetischen Gegenschlag gegen die USA selbst und damit deren Zerstörung auslösen würde. Deshalb sei die Drohung und also die Abschreckung wirkungslos. Die Folge war die Nato-Strategie der Flexible Response, der abgestuften Antwort unterhalb der Schwelle eines nuklearen Erstschlags.
Ähnlich argumentieren jetzt die US-Militärs, die Drohung mit einem nuklearen Erstschlag sei unglaubhaft, weil die USA damit alle Reputation in der Welt verlieren würden. Also verzichtet man in der neuen Nukleardoktrin darauf und setzt stattdessen auf die Abschreckung durch ähnlich wirkungsstarke konventionelle Waffen.
Alles strategisch vernünftig, alles schon unter Bush auf den Weg gebracht. Aber Obama wäre nicht Obama, wenn er daraus nicht in seiner Rhetorik ein Stück Erlösung der Welt von der Geißel der Atomwaffen machen würde.
Am Montag dieser Woche hat der Präsident den Redakteuren der New York Times David E. Sanger und Peter Baker ein Interview gegeben, über dessen Inhalt das Blatt in der Druckausgabe vom Dienstag berichtete. In einem getrennten Artikel wurden wörtliche Auszüge aus dem Interview dokumentiert. Die zentrale Aussage Obamas faßte die NYT so zusammen:
President Obama said Monday that he was revamping American nuclear strategy to substantially narrow the conditions under which the United States would use nuclear weapons. (...) ... Mr. Obama described his policy as part of a broader effort to edge the world toward making nuclear weapons obsolete, and to create incentives for countries to give up any nuclear ambitions.Das klingt gut, nicht wahr? Und es hat das zu erwartende positive Echo gefunden; auch in Deutschland. Die Deutsche Presse-Agentur berichtete gestern (hier zitiert nach "Zeit-Online"):
Präsident Obama sagte am Montag, daß er die Nuklearstrategie der USA so umgestalten werde, daß die Bedingungen, unter denen die USA nukleare Waffen einsetzen würden, beträchtlich eingeschränkt werden. (...) ... Obama kennzeichnete seine Politik als Bestandteil eines umfassenderen Bemühens, die Welt allmählich dahin zu bringen, daß Nuklearwaffen der Vergangenheit angehören, und Anreize zu schaffen, daß Länder alle nuklearen Zielsetzungen aufgeben.
Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich die neue Nuklearstrategie von US-Präsident Barack Obama. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sprach von einem "großen Schritt in Richtung Abrüstung".Die Experten im Auswärtigen Amt werden das gesamte Interview analysiert haben. Aber lag ihre Analyse auch dem Außenminister Westerwelle vor, als er das sagte?
"Wenn eine führende Nuklearmacht auf die Entwicklung neuer nuklearer Sprengköpfe verzichtet und auch die Nutzung der eigenen Atomwaffen schon konzeptionell einschränkt, dann ist das etwas, was man historisch nennen darf", sagte Westerwelle am Mittwoch in Berlin.
In dem Interview nämlich sagte Obama auch dies (Hervorhebung in der Übersetzung von mir):
Now, the Nuclear Posture Review states very clearly, if you are a nonnuclear weapons state that is compliant with the NPT, you have a negative assurance we will not be using nuclear weapons against you. That doesn’t mean that you might not engage in some actions that are profoundly detrimental to U.S. national security, which require action on our part. And I’m going to preserve all the tools that are necessary in order to make sure that the American people are safe and secure.Die Botschaft ist klar: Der Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag unter der genannten Einschränkung wird nicht auf Kosten der Sicherheit der USA gehen.
Nun besagt die Nuclear Posture Review [die neue Nuklearstrategie; Anmerkung von Zettel] sehr klar, daß ein Staat ohne Nuklearwaffen, der sich an den NPT [den Vertrag zur Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen] hält, die negative Zusicherung hat, daß wir keine Nuklearwaffen gegen ihn einsetzen werden. Das heißt aber nicht, daß sie nicht Handlungen unternehmen könnten, welche die nationale Sicherheit der USA zutiefst beeinträchtigen, so daß Aktionen von unserer Seite erforderlich werden. Und ich werde alle Instrumente zur Verfügung halten, die notwendig sind, um sicherzustellen, daß das amerikanische Volk geschützt und in Sicherheit bleibt.
Wie aber will Obama denn Schurkenstaaten davor abschrecken, die USA mit chemischen oder biologischen Waffen anzugreifen, wenn er einen nuklearen Gegenschlag ausschließt? Welches sind die in dem Interview genannten "Instrumente"?
Dazu sagt Obama in dem Interview nichts. Die Antwort findet man in der heutigen Washington Post unter der Überschrift "U.S. looks to nonnuclear weapons to use as deterrent" - "Für die Abschreckung wenden die USA sich nichtnuklearen Waffen zu".
Es handelt sich um das Prompt Global Strike-Programm. Entwickelt werden Raketen, die wie die jetzigen ICBMs (interkontinentale Raketen mit Nuklearsprengköpfen) innerhalb einer Stunde jeden beliebigen Punkt auf der Erde erreichen können, die aber mit konventionellen Sprengköpfen mit hoher Zerstörungskraft bestückt sind.
Sie sind aus der Sicht des Pentagon erforderlich. Die Washington Post:
Nuclear arms have formed the backbone of U.S. deterrence strategy for six decades. Although the strategy worked during the Cold War, military leaders say they need other powerful weapons in their arsenal to deter adversaries who assume that the United States would refrain from taking the extreme step of ordering a nuclear strike.Warum muß man ein solches System nichtnuklearer Abschreckung neu entwickeln und kann nicht einfach auf eine vorhandene Nuklearrakete einen konventionellen Sprengkopf setzen? Weil der Abschuß einer solchen Rakete von anderen Staaten nicht von dem einer Nuklearrakete unterschieden werden könnte und damit unter Umständen zu deren nuklearem Gegenschlag führen würde. Es wird deshalb an neuartigen Raketen gearbeitet, die sich in ihrem Flugverhalten eindeutig von Nuklearraketen unterscheiden lassen.
Seit sechs Jahrzehnten bilden Nuklearwaffen das Rückgrat der Abschreckung durch die USA. Während des Kalten Kriegs funktionierte diese Strategie. Aber jetzt benötigen die Führer des Militärs nach ihrer Aussage andere wirkungsstarke Waffen in ihrem Arsenal, und zwar zur Abschreckung von Gegnern, die davon ausgehen, daß die USA nicht den extremen Schritt tun würden, einen Nuklearangriff zu befehlen.
Das Prompt Global Strike-Programm begann schon unter Präsident Bush, wird aber von Obama forciert. Gegenüber dem laufenden Budget will Obama die Mittel für das Projekt um 45 Prozent auf dann 240 Millionen Dollar aufstocken; insgesamt sind bis zum Abschluß der Entwicklung im Jahr 2015 Kosten in Höhe von 2 Milliarden Dollar veranschlagt.
Es geht also um ein strategisches Problem, das aus der Nuklearstrategie-Debatte zur Zeit des Kalten Kriegs bekannt ist: Abschreckung verliert ihre Wirkung, wenn sie nicht glaubhaft ist.
Damals betraf das eine nukleare Antwort der USA, falls die UdSSR Westeuropa konventionell angreift. Es wurde argumentiert, ein nuklearer amerikanischer Angriff auf die UdSSR als Antwort werde ausbleiben, weil er einen sowjetischen Gegenschlag gegen die USA selbst und damit deren Zerstörung auslösen würde. Deshalb sei die Drohung und also die Abschreckung wirkungslos. Die Folge war die Nato-Strategie der Flexible Response, der abgestuften Antwort unterhalb der Schwelle eines nuklearen Erstschlags.
Ähnlich argumentieren jetzt die US-Militärs, die Drohung mit einem nuklearen Erstschlag sei unglaubhaft, weil die USA damit alle Reputation in der Welt verlieren würden. Also verzichtet man in der neuen Nukleardoktrin darauf und setzt stattdessen auf die Abschreckung durch ähnlich wirkungsstarke konventionelle Waffen.
Alles strategisch vernünftig, alles schon unter Bush auf den Weg gebracht. Aber Obama wäre nicht Obama, wenn er daraus nicht in seiner Rhetorik ein Stück Erlösung der Welt von der Geißel der Atomwaffen machen würde.
© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Titelvignette zeigt das offizielle Foto von Präsident Obama. Es wurde wenige Stunden vor seinem Amtsantritt von Peter Souza aufgenommen und ist unter Creative Commons Attribution 3.0 Unported License freigegeben. Mit Dank an FAB., der mich auf einen Irrtum in meiner Übersetzung aufmerksam gemacht hat.