Aus ungefähr fünfzigtausend Seiten Gorleben-Akten verschiedener Behörden haben Greenpeace-Experten 27 Schriftstücke herausgefischt. Eine Woche vor der Konstituierung des Gorleben-Untersuchungsausschusses im Bundestag wurden sie auszugsweise auf der Internetseite von Greenpeace zur Schau gestellt. Präsentiert wird dort unter anderem ein „bis zu eine Million Kubikmeter großes Wasserreservoir“ im Salzstock Gorleben, das angeblich seit 1996 vom Bundesamt für Strahlenschutz vertuscht wird. (...)
Längst aber hat sich herausgestellt, dass der 1996 entdeckte Laugeneinschluss nicht hunderttausende sondern nur einige hundert Kubikmeter groß ist. (...) Die plumpe Manipulation mit Akten hat sich für die Atomkraftgegner wieder einmal gelohnt: Wie immer, haben ihnen fast alle Medien ihre Schauergeschichte abgekauft.
Der Chef des Ressorts Innenpolitik der FAZ, Stefan Dietrich, in FAZ.Net über Greenpeace und das geplante Endlager Gorleben. Titel seines Kommentars: "Ignorante Aufklärer".
Kommentar: Nein, ignorant sind sie nicht, diese selbsternannten "Aufklärer" von Greenpeace. Sie haben nur ein Verhältnis zur Wahrheit, das demjenigen des Barons Münchhausen ähnelt.
Zu den bizarrsten Umfrage-Ergebnissen, die ich jemals gelesen habe, gehört es, daß Greenpeace zu den drei Institutionen gehöre, denen die Deutschen das meiste Vertrauen entgegenbringen - nach dem ADAC und dem Roten Kreuz, vor der Diakonie und der Caritas.
Bis 1995 habe ich Greenpeace zwar nicht besonders vertraut, es aber doch für eine seriöse Organisation gehalten. Mein Bild hat sich grundlegend geändert, als herauskam, wie sich Greenpeace in der "Brent Spar"-Affäre verhalten hatte.
Zur Erinnerung: "Brent Spar" war der Name einer Ölplattform (eines schwimmenden Öltanks), die 1995 ausgedient hatte und die Shell durch Versenken in der Tiefsee entsorgen wollte. Dagegen veranstaltete Greenpeace eine höchst wirkungsvolle Kampagne, inclusive "Besetzung" der Plattform und massiven Vorwürfen gegen Shell. Dieses sah sich so unter Druck, daß der Plan zur Versenkung aufgegeben wurde.
Eine zentrale Rolle in der Kampagne spielte die Behauptung von Greenpeace, daß mit der Brent Spar 5.500 Tonnen Öl versenkt werden sollten, und nicht die von Shell angegebenen 50 Tonnen. Auch wurden erschreckende Zahlen über die Belastung durch Schwermetalle und Chemikalien genannt.
Alles falsch. Eine unabhängige Untersuchung der angesehenen Stiftung Det Norske Veritas bestätigte später die Daten, die Shell vorgelegt hatte.
Greenpeace entschuldigte sich mit einem "Rechenfehler" und damit, daß bei der Messung "eine Sonde in einem Rohr steckengeblieben" sei. Wie es tatsächlich gewesen war, das hat 1996 Reiner Luyken für die "Zeit" penibel recherchiert:
Nachdem ein Greenpeace-Trupp die "Brent Spar" geentert hatte, beauftragte der Leiter dieses Trupps, Jonathan Castle, einen gewissen Frank Kamp, einen gelernten Steuermann, mit Messungen. Luyken:
Nachdem herausgekommen war, daß das die Unwahrheit gewesen war, entschuldigte man sich, aber die Reue hielt sich in Grenzen. Reiner Luyken schreibt:
Sie vertrauen, lieber Leser, Greenpeace, wenn es jetzt behauptet, im Salzstock Gorleben gebe es ein "bis zu eine Million Kubikmeter großes Wasserreservoir"? Lesen Sie den Artikel von Reiner Luyken, und sie werden Greenpeace kein Wort mehr glauben.
Längst aber hat sich herausgestellt, dass der 1996 entdeckte Laugeneinschluss nicht hunderttausende sondern nur einige hundert Kubikmeter groß ist. (...) Die plumpe Manipulation mit Akten hat sich für die Atomkraftgegner wieder einmal gelohnt: Wie immer, haben ihnen fast alle Medien ihre Schauergeschichte abgekauft.
Der Chef des Ressorts Innenpolitik der FAZ, Stefan Dietrich, in FAZ.Net über Greenpeace und das geplante Endlager Gorleben. Titel seines Kommentars: "Ignorante Aufklärer".
Kommentar: Nein, ignorant sind sie nicht, diese selbsternannten "Aufklärer" von Greenpeace. Sie haben nur ein Verhältnis zur Wahrheit, das demjenigen des Barons Münchhausen ähnelt.
Zu den bizarrsten Umfrage-Ergebnissen, die ich jemals gelesen habe, gehört es, daß Greenpeace zu den drei Institutionen gehöre, denen die Deutschen das meiste Vertrauen entgegenbringen - nach dem ADAC und dem Roten Kreuz, vor der Diakonie und der Caritas.
Bis 1995 habe ich Greenpeace zwar nicht besonders vertraut, es aber doch für eine seriöse Organisation gehalten. Mein Bild hat sich grundlegend geändert, als herauskam, wie sich Greenpeace in der "Brent Spar"-Affäre verhalten hatte.
Zur Erinnerung: "Brent Spar" war der Name einer Ölplattform (eines schwimmenden Öltanks), die 1995 ausgedient hatte und die Shell durch Versenken in der Tiefsee entsorgen wollte. Dagegen veranstaltete Greenpeace eine höchst wirkungsvolle Kampagne, inclusive "Besetzung" der Plattform und massiven Vorwürfen gegen Shell. Dieses sah sich so unter Druck, daß der Plan zur Versenkung aufgegeben wurde.
Eine zentrale Rolle in der Kampagne spielte die Behauptung von Greenpeace, daß mit der Brent Spar 5.500 Tonnen Öl versenkt werden sollten, und nicht die von Shell angegebenen 50 Tonnen. Auch wurden erschreckende Zahlen über die Belastung durch Schwermetalle und Chemikalien genannt.
Alles falsch. Eine unabhängige Untersuchung der angesehenen Stiftung Det Norske Veritas bestätigte später die Daten, die Shell vorgelegt hatte.
Greenpeace entschuldigte sich mit einem "Rechenfehler" und damit, daß bei der Messung "eine Sonde in einem Rohr steckengeblieben" sei. Wie es tatsächlich gewesen war, das hat 1996 Reiner Luyken für die "Zeit" penibel recherchiert:
Nachdem ein Greenpeace-Trupp die "Brent Spar" geentert hatte, beauftragte der Leiter dieses Trupps, Jonathan Castle, einen gewissen Frank Kamp, einen gelernten Steuermann, mit Messungen. Luyken:
Ein Peilgerät ist nicht zur Hand. Frank Kamp improvisiert, so gut es geht. Er bindet ein leeres Erdnußbutterglas und zur Beschwerung einen Eisenbolzen an eine auf eine Kabelrolle gezogene Nylonschnur. Im Lüftungsrohr 1 trifft sein Apparat nach 25 Metern auf Öl und sinkt langsam bis auf 50 Meter. Darunter - also bereits sechs Meter über der Tanköffnung - ist Seewasser. Über Tank 2 stehen die Ölreste, die sich in dem Rohr gesammelt haben, 20 Meter hoch. In Rohr 4 bleibt das Gerät bei 45 Metern in einem öligen Wachspfropfen hängen.Das hinderte Greenpeace nicht, just diese Aussage über die Ölmenge zu machen und sie mit Tamtam zu verbreiten.
Frank Kamp heute: "Ich erklärte in einer E-Mail an Paul Johnston genau, wie und wo ich die Proben genommen hatte. Der Brief ist etwa zwei A4-Seiten lang. Daraus ging eindeutig hervor, daß die Proben aus den Lüftungsrohren und nicht aus den Tanks stammten.
Deshalb war es klar, daß sie nichts über die Ölmenge aussagten."
Nachdem herausgekommen war, daß das die Unwahrheit gewesen war, entschuldigte man sich, aber die Reue hielt sich in Grenzen. Reiner Luyken schreibt:
Es dauert noch einmal bis zum 4. September, bevor der britische Greenpeace-Geschäftsführer Peter Melchett sich in einem zunächst an die englische Presse gefaxten und dann erst "Dear Christopher Fay", dem Vorsitzenden der britischen Shell, zugeleiteten Brief für den "Irrtum" entschuldigt: "Wir haben in den letzten Tagen festgestellt, daß die Sonde sich bei der Probenentnahme noch in dem Rohr befand und nicht in den Tank selber eingedrungen war." Die Legende vom Irrtum bei der Probenentnahme ist geboren. Frank Kamp heute: "Ich war zutiefst verletzt, als sie jetzt mir die Schuld zuschoben." Er bekräftigt: "Die Proben waren nie dafür bestimmt, wofür sie verwendet wurden."Macht nichts. Was zählen solche schnöden Details, wenn es doch um die große Sache geht? Luyken:
Der tiefere Grund des unbekümmerten Umgangs mit der Wahrheit liegt nicht nur in individuellem Fehlverhalten, sondern in einer bei Greenpeace vorherrschenden Einstellung zur Wissenschaft, die auf einer Stufe mit den Gottesbeweisen des Mittelalters steht. Ihr gehe es darum, eine "mit unseren Wertvorstellungen konsistente Wissenschaft zu schaffen", erklärt Helen Wallace. Paul Horseman sieht in der Wissenschaft in erster Linie ein "Kampagneninstrument".
Für die altmodische Vorstellung, bei Wissenschaft gehe es um Erkenntnis, haben sie nicht viel übrig. Deshalb spielt es für sie auch keine Rolle, daß es, wie beide einräumen, vom rein wissenschaftlichen Standpunkt kaum Argumente gegen eine Versenkung der Brent Spar gibt. Die Hauptsache sei, "wir stehen moralisch auf der richtigen Seite".
Sie vertrauen, lieber Leser, Greenpeace, wenn es jetzt behauptet, im Salzstock Gorleben gebe es ein "bis zu eine Million Kubikmeter großes Wasserreservoir"? Lesen Sie den Artikel von Reiner Luyken, und sie werden Greenpeace kein Wort mehr glauben.
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