Mit dieser Namenlosigkeit soll es jetzt vorbei sein, forderte Klein. Die Deutsche Knigge Gesellschaft ruft darum alle interessierten Bürger auf, Vorschläge einzureichen. "Der beste Vorschlag wird dann Eingang in die modernen Knigge-Regeln finden und damit Geschichte machen." Der Gewinner dürfe ein Wochenende inklusive Knigge-Nachhilfe auf einem Barockschloss verbringen. Vorschläge bitte ausschließlich per Email an: frollein@knigge-akdemie.de.
Aus einer dpa-Meldung, die gestern und vorgestern durch die Medien ging.
Kommentar: Worauf, glauben Sie, bezog sich diese Meldung? Wenn Sie sie in der Zeitung gelesen haben, wissen Sie es logischerweise. Den anderen liefert die Mailadresse vielleicht den erforderlichen Hinweis: Es geht um Kellnerinnen. Genauer: Um die große Frage, wie man sie anredet.
Ich bekenne, daß ich mich auch schon, und zwar ziemlich eingehend, mit dieser Frage befaßt habe, und zwar in einem Artikel aus den Anfangstagen dieses Blogs: Ohne Anrede; ZR vom 25. 7. 2006.
Damals war das Thema die generell mißliche Situation, daß wir einander im Deutschen nicht anreden können, solange wir uns nicht mit Namen kennen. In Frankreich sagt man dann "Madame" und "Monsieur", in England und den USA "Sir" und "Madam", in Italien "Signor" und "Signora" usw. Und in Deutschland? Nichts. Allenfalls versucht man zu witzeln, mit "Meister" oder "Junge Frau" oder dergleichen. Abscheulich; kulturlos.
Das Fehlen einer Anrede für die Kellnerin ist ein Unterproblem dieses allgemeinen Mangels des heutigen Deutsch.
Die Knigge-Gesellschaft empfahl bisher, so steht es in der Meldung, "die Kellnerin mit dezentem Handzeichen herbeizuwinken". Jetzt aber schreitet sie zur Tat und fordert zu Einsendungen von verbalen Lösungen auf; mit eben dem Barockschloß-Wochenende als Anreiz.
Tja, was kann man da vorschlagen? Gäbe es eine gute Lösung, dann hätte sie ja längst jemand gefunden. "Frollein" geht natürlich nicht, weil es erstens unhöflich und zweitens frauenfeindlich ist. "Bedienung" ist noch unhöflicher, ebenso das barsche "Kellnerin!".
Beim männlichen Kollegen behilft sich der Gast mit "Herr Ober", auch wenn es sich nicht um einen Oberkellner, sondern erkennbar um einen jobbenden Studenten handelt. In der dpa-Meldung wird darauf aufmerksam gemacht, daß ein analoges "Frau Oberin" natürlich für die Kellnerin nicht geht, weil dies "die Vorsteherin eines Klosters, also die Äbtissin" sei. Ja so.
Aber was spricht eigentlich gegen "Frau Ober"? Es ist genauso falsch und genauso unverbindlich-höflich wie das "Herr Ober". Oberkellnerinnen gibt es in unserer emanzipierten Zeit natürlich schon lange. Jede Aushilfs-Bedienung kann sich eigentlich nur geehrt und anerkannt fühlen, wenn man sie, endlich ihre Gleichberechtigung mit ihren männlichen Kollegen anerkennend, mit "Frau Ober" anredet oder herbeibittet.
Ich denke, mit diesem Vorschlag habe ich für mich und meine Frau den Anspruch auf das Wochenende auf einem Barockschloß erworben.
Ach nein. Ich habe leider etwas Wichtiges, etwas nachgerade Politisches, etwas lächerlich Kurioses übersehen: "Frau Ober" geht genauso wenig wie "Frau Professor" oder "Frau Minister".
Irgendwann nämlich hat die "feministische Linguistik" uns erfolgreich weisgemacht, es gebe im Deutschen weder den Unterschied zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht noch denjenigen zwischen markierten und unmarkierten Wortformen.
Unmarkierte Wortformen sind solche, die - unter anderem - in vorfeministischen Zeiten für beide Geschlechter galten. Man konnte zum Beispiel sagen, man hätte "eine schwarze Katze" über den Weg laufen sehen, obwohl es vielleicht ein Kater war; denn "Katze" ist die unmarkierte Wortform, die für beiden Geschlechter gilt. Ebenso konnte man auch männliche Exemplare als eine Schlange oder eine Maus bezeichnen, und man konnte sagen, daß man mit "dem Hund" Gassi geht, selbst wenn es eine Hündin war.
Denn die unmarkierte Wortform ließ eben das Geschlecht offen. Das geht, weil - Mark Twain hat es witzig beklagt - im Deutschen das grammatische Geschlecht keineswegs mit dem natürlichen Geschlecht zusammenfallen muß. Also konnte jemand "Frau Doktor" sein, oder eben "Frau Minister", "Frau Professor" oder, warum nicht, "Frau Ober".
Die feministische Linguistik aber sah darin finstere Diskriminierung. Markiert hin, unmarkiert her - für Frauen sollte immer nur die als weiblich markierte Wortform gelten. Der Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht hin oder her - der Titel hatte als sein grammatisches Geschlecht das natürliche Geschlecht der Inhaberin zu haben.
So geschah es, daß seit den siebziger oder achtziger Jahren an den deutschen Universitäten die Briefbögen des Dekanats jedesmal ausgewechselt werden müssen, wenn eine Frau dieses Amt übernimmt. Dann darf da nicht mehr stehen "Der Dekan", sondern es muß für die betreffenden zwei oder vier Jahre "Die Dekanin" heißen.
Und die Inhaberinnen von Lehrstühlen dürfen in den Vorlesungsverzeichnissen und anderen Schriftstücken nicht mehr als "Prof." geführt werden, sondern als "Professorin". Weil die dafür vorgesehenen Spalten manchmal zu schmal sind, steht da dann "Prof'in". Welch ein Fortschritt!
Was in der akademischen Welt von den tapferen Feministinnen erkämpft wurde, das können sie natürlich in der Welt der Kneipen, der Gourmettempel und der Bistrots nicht wieder aufgeben. Also wird es wohl nichts werden mit der "Frau Ober".
Haben Sie eine bessere Idee? Das Wochenende im Barockschloß ist noch nicht vergeben.
Aus einer dpa-Meldung, die gestern und vorgestern durch die Medien ging.
Kommentar: Worauf, glauben Sie, bezog sich diese Meldung? Wenn Sie sie in der Zeitung gelesen haben, wissen Sie es logischerweise. Den anderen liefert die Mailadresse vielleicht den erforderlichen Hinweis: Es geht um Kellnerinnen. Genauer: Um die große Frage, wie man sie anredet.
Ich bekenne, daß ich mich auch schon, und zwar ziemlich eingehend, mit dieser Frage befaßt habe, und zwar in einem Artikel aus den Anfangstagen dieses Blogs: Ohne Anrede; ZR vom 25. 7. 2006.
Damals war das Thema die generell mißliche Situation, daß wir einander im Deutschen nicht anreden können, solange wir uns nicht mit Namen kennen. In Frankreich sagt man dann "Madame" und "Monsieur", in England und den USA "Sir" und "Madam", in Italien "Signor" und "Signora" usw. Und in Deutschland? Nichts. Allenfalls versucht man zu witzeln, mit "Meister" oder "Junge Frau" oder dergleichen. Abscheulich; kulturlos.
Das Fehlen einer Anrede für die Kellnerin ist ein Unterproblem dieses allgemeinen Mangels des heutigen Deutsch.
Die Knigge-Gesellschaft empfahl bisher, so steht es in der Meldung, "die Kellnerin mit dezentem Handzeichen herbeizuwinken". Jetzt aber schreitet sie zur Tat und fordert zu Einsendungen von verbalen Lösungen auf; mit eben dem Barockschloß-Wochenende als Anreiz.
Tja, was kann man da vorschlagen? Gäbe es eine gute Lösung, dann hätte sie ja längst jemand gefunden. "Frollein" geht natürlich nicht, weil es erstens unhöflich und zweitens frauenfeindlich ist. "Bedienung" ist noch unhöflicher, ebenso das barsche "Kellnerin!".
Beim männlichen Kollegen behilft sich der Gast mit "Herr Ober", auch wenn es sich nicht um einen Oberkellner, sondern erkennbar um einen jobbenden Studenten handelt. In der dpa-Meldung wird darauf aufmerksam gemacht, daß ein analoges "Frau Oberin" natürlich für die Kellnerin nicht geht, weil dies "die Vorsteherin eines Klosters, also die Äbtissin" sei. Ja so.
Aber was spricht eigentlich gegen "Frau Ober"? Es ist genauso falsch und genauso unverbindlich-höflich wie das "Herr Ober". Oberkellnerinnen gibt es in unserer emanzipierten Zeit natürlich schon lange. Jede Aushilfs-Bedienung kann sich eigentlich nur geehrt und anerkannt fühlen, wenn man sie, endlich ihre Gleichberechtigung mit ihren männlichen Kollegen anerkennend, mit "Frau Ober" anredet oder herbeibittet.
Ich denke, mit diesem Vorschlag habe ich für mich und meine Frau den Anspruch auf das Wochenende auf einem Barockschloß erworben.
Ach nein. Ich habe leider etwas Wichtiges, etwas nachgerade Politisches, etwas lächerlich Kurioses übersehen: "Frau Ober" geht genauso wenig wie "Frau Professor" oder "Frau Minister".
Irgendwann nämlich hat die "feministische Linguistik" uns erfolgreich weisgemacht, es gebe im Deutschen weder den Unterschied zwischen natürlichem und grammatischem Geschlecht noch denjenigen zwischen markierten und unmarkierten Wortformen.
Unmarkierte Wortformen sind solche, die - unter anderem - in vorfeministischen Zeiten für beide Geschlechter galten. Man konnte zum Beispiel sagen, man hätte "eine schwarze Katze" über den Weg laufen sehen, obwohl es vielleicht ein Kater war; denn "Katze" ist die unmarkierte Wortform, die für beiden Geschlechter gilt. Ebenso konnte man auch männliche Exemplare als eine Schlange oder eine Maus bezeichnen, und man konnte sagen, daß man mit "dem Hund" Gassi geht, selbst wenn es eine Hündin war.
Denn die unmarkierte Wortform ließ eben das Geschlecht offen. Das geht, weil - Mark Twain hat es witzig beklagt - im Deutschen das grammatische Geschlecht keineswegs mit dem natürlichen Geschlecht zusammenfallen muß. Also konnte jemand "Frau Doktor" sein, oder eben "Frau Minister", "Frau Professor" oder, warum nicht, "Frau Ober".
Die feministische Linguistik aber sah darin finstere Diskriminierung. Markiert hin, unmarkiert her - für Frauen sollte immer nur die als weiblich markierte Wortform gelten. Der Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht hin oder her - der Titel hatte als sein grammatisches Geschlecht das natürliche Geschlecht der Inhaberin zu haben.
So geschah es, daß seit den siebziger oder achtziger Jahren an den deutschen Universitäten die Briefbögen des Dekanats jedesmal ausgewechselt werden müssen, wenn eine Frau dieses Amt übernimmt. Dann darf da nicht mehr stehen "Der Dekan", sondern es muß für die betreffenden zwei oder vier Jahre "Die Dekanin" heißen.
Und die Inhaberinnen von Lehrstühlen dürfen in den Vorlesungsverzeichnissen und anderen Schriftstücken nicht mehr als "Prof." geführt werden, sondern als "Professorin". Weil die dafür vorgesehenen Spalten manchmal zu schmal sind, steht da dann "Prof'in". Welch ein Fortschritt!
Was in der akademischen Welt von den tapferen Feministinnen erkämpft wurde, das können sie natürlich in der Welt der Kneipen, der Gourmettempel und der Bistrots nicht wieder aufgeben. Also wird es wohl nichts werden mit der "Frau Ober".
Haben Sie eine bessere Idee? Das Wochenende im Barockschloß ist noch nicht vergeben.
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