15. April 2010

Zettels Meckerecke: Die Ossis sind nun doch kein Volksstamm, hat heute ein Gericht entschieden. Die Absurdität des Allgemeinen Gleichbehandlungesetzes

Das Arbeitsgericht Stuttgart hat heute eine wahrhaft historische Entscheidung verkündet: Die Ostdeutschen bilden keinen Volksstamm.

Das mußte ja einmal gesagt werden.

Gesagt werden mußte es, weil eine Bewerberin, Gabriela S., die eine Stelle nicht bekommen hatte, für sich das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in Anspruch nehmen wollte, dessen erster Paragraph lautet:
Ziel des Gesetzes ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Die Bewerberin hatte ihre Unterlagen zurückerhalten, versehen mit Randbemerkungen, die man in diesem Artikel der FAZ im Faksimile sehen kann. Einmal stand da beispielsweise "Ossi", daneben ein eingekringeltes Minuszeichen.

Die Frau fühlte sich diskriminiert, nur weil sie aus der DDR stammt.

Und da gibt es doch eben dieses famose Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierung verbietet. (Als es im Jahr 2006 verabschiedet worden war, habe ich ihm eine kleine Satire gewidmet: Überraschung beim Feinkosthändler, ZR vom 27. 10. 2006).

In diesem Gesetz ist so ungefähr jede Benachteiligung von irgendwem ausgeschlossen, den überhaupt eine Benachteiligung treffen kann. Nur die Herkunft aus der DDR ist dummerweise nicht einbezogen.

Die Anwälte der Frau waren aber clever, oder sie kamen sich jedenfalls so vor. Das Gesetz verbietet eine Diskriminierung wegen der "ethnischen Herkunft". Ja, ist es denn nicht eine ethnische Herkunft, wenn man aus der DDR herkommt?

Das ARD-Magazin "Fakt" hatte über den Fall berichtet, und dazu schreibt die FAZ:
Der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler erklärte in der ARD-Sendung, er könne sich durchaus vorstellen, dass die Menschen aus den neuen Bundesländern "eine eigene Ethnie" seien. Sie hätten eine spezifische Geschichte und eigene Standards. Sie seien beispielsweise "typischerweise etwas bescheidener".
Ob man das auch für die Berliner sagen kann, das sei dahingestellt. Aber bilden nach diesem Kriterium nicht auch die Bayern eine eigene Ethnie, die ja, wie man weiß "typischerweise etwas grober" sind? Und die Rheinländer, die "typischerweise etwas fröhlicher" sind, was nun wahrlich niemand bestreiten kann? Und die Frankfurter, die typischerweise so babbeln, daß sie kein Nichtfrankfurter versteht?

Das Gericht mochte den Gedankengängen des Arbeitsrechtlers Däubler nicht folgen und wies die Klage ab. Görlitzer und Rostocker müssen sich nun damit abfinden, daß sie nicht demselben Volksstamm angehören. Jedenfalls vorerst; vielleicht entscheiden höhere Gerichte ja noch anders.



Kurios, nicht wahr? Aber die Absurdität eines solchen Verfahrens vor dem Arbeitsgericht beleuchtet ja nur die Absurdität des AGG selbst.

Unterstellen wir einmal - was nicht der Fall sein muß -, daß der betreffende Arbeitgeber, oder jedenfalls dessen Personalchef, etwas gegen Ostdeutsche hat; daß er entschlossen ist zu deren Diskriminierung. Dann müssen das die Benachteiligten gemäß dem Urteil hinnehmen, weil das Merkmal, Ostdeutscher zu sein, kein rassisches und auch kein ethnisches (zu deutsch also völkisches) Merkmal ist.

Wäre die Betroffene aber nicht die Ostdeutsche Gabriela S., sondern die Türkin Ayse Y. gewesen, dann hätte sie nicht diskriminiert werden dürfen. Wäre Gabriela S. nicht nur eine Ostdeutsche, sondern eine Sorbin, dann würde sie den Schutz des Gesetzes genießen.

Wie steht es mit Hugenotten? Wie mit den Jablonskis und Kowalskis im Ruhrgebiet? Wie mit jemandem, der sich zur dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein rechnet? Wie lange ist man "ethnischer Herkunft"?



Es ist vernünftig, daß Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Rasse geschützt werden. Ob das durch ein solches Gesetz wie das AGG geschehen sollte, ist eine andere Frage; aber grundsätzlich darf es in einem demokratischen Rechtsstaat keinen Rassismus geben.

Aber "ethnische Herkunft" ist erstens, wie der Prozeß und wie die obigen Beispiele zeigen, ein verwaschener Begriff. Zweitens basiert dieser Begriff auf völkischem Denken. Welche Rechte ein Mensch hat, wird von seiner Volkszugehörigkeit abhängig gemacht; ein Unding in einem freiheitlichen Rechtsstaat.

Und drittens hat dieser besondere Schutz aufgrund der "ethnischen Herkunft" die absurde Konsequenz, daß er integrationsfeindlich wirkt. Denn wer diesen Schutz genießen möchte, der tut gut daran, seine völkische Eigenart zu pflegen. Sie muß ja glaubwürdig und erkennbar sein, die ethnische Herkunft.

Assimilation kann da nur von Übel sein. Unser Innenminister Thomas de Maizière wird sich, so steht zu befürchten, im Fall einer Benachteiligung nicht auf das AGG berufen können; allzu assimilationswillig sind die Hugenotten gewesen. Bei Sorben dürfte es, sofern sie ihre völkische Eigenart pflegen, wie gesagt, anders sein.

Und auch die Ostdeutschen sollten vielleicht die Hoffnung nicht aufgeben. Jedenfalls diejenigen, die sich ostentativ zu ihrer ethnischen Herkunft bekennen, indem sie Mitglied bei den Kommunisten sind, weiter ihren Wartburg fahren, nur bei Anbietern wie dem Ostprodukte-Versand einkaufen und dann, wenn die Nationalhymne gespielt wird, trotzig dazu "Auferstanden aus Ruinen ..." singen.



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