27. Oktober 2006

Überraschung beim Feinkosthändler

Als ich gestern im Feinkostgeschäft war, erlebte ich eine Überraschung. Ich fragte den Händler, woher denn der Schafskäse komme, auf den mein Blick gefallen war und der mir sehr lecker aussah. Der Händler antwortete, das werde er mir nicht sagen. Er biete seine diversen Schafskäse ohne Kennzeichnung an. Aber ich sei gern eingeladen, jeden zu probieren und mich dann für den zu entscheiden, der mir am meisten munde. Mehr sage er nicht.

Ebenso halte er es, so erfuhr ich, neuerdings mit dem Schinken, den Oliven, der Salami. Sofern er sie lose anbiete, sei das ja kein Problem. Sie lägen einfach, ohne Bezeichnungen, nebeneinander in seiner Auslage, und alles dürfe man vor dem Kauf gern probieren. Bei abgepackter Ware habe er die Herkunft, den Namen usw. geschwärzt. Wo das schwierig sei, habe er die Ware in eine neutrale Verpackung aus grauem Papier eingewickelt, bedruckt mit dem Namen seines Geschäfts.



Als er meine Verwunderung bemerkte, zeigte mein Feinkosthändler sich seinerseits erstaunt. Ob ich denn in den letzten Monaten im Ausland gewesen sei oder etwa gar krank, von der Welt abgeschlossen, auf einer Intensivstation gelegen hätte? Sei mir denn entgangen, fuhr er fort, daß in Deutschland ein Gesetz über Allgemeine Gleichbehandlung in Kraft getreten sei, das jede Diskriminierung von Waren aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Herstellungsart usw. verbiete?

Würde auf dem Schafskäse stehen, daß er aus Korsika stamme, dann könnte das Franzosenhasser daran hindern, ihn zu kaufen, erklärte mir mein Feinkosthändler. Schinken, durch "Serrano" als spanisch gebrandmarkt - wer wolle den wohl noch kaufen, dem die sozialistische Regierung Spaniens nicht gefalle? Und wo kämen wir hin, wenn Olivenöl als italienisches gekennzeichnet werde, wo doch jeder seine Vorurteile gegen die Sauberkeit der Italiener habe? Neinein. Dieses Gesetz - in Exekution einer EU-Direktive in Deutschland verabschiedet - mache endlich Schluß mit jeder Waren-Diskriminierung.



Gewiß, diese Geschichte ist erfunden. Aber unrealistisch ist sie nicht. Sie projiziert nur das in einen anderen Bereich des Wirtschaftslebens, was seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für große Bereiche bereits Realität ist.

Dieses bizarre, nachgerade unglaubliche Gesetz wurde im Juni dieses Jahres, in der Euphorie der Fußball-WM von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, beraten und verabschiedet und trat am 19. August in Kraft. Über seine verheerenden Folgen bestand schon damals keine Unklarheit.



Was damals von denjenigen, die sich mit der Materie befaßt hatten, vorhergesagt wurde, tritt jetzt ein. Gestern war in der FAZ ein instruktiver Bericht zu lesen. Über Bewerbungsverfahren heißt es da:
Lichtbild, Alter, Nationalität und Familienstand - all dies wird geschwärzt, bevor die Bewerbung auf dem Tisch des Chefs landet. Anders, so sagt Heike Stintzing aus der Rechtsabteilung [der Süwag], gehe es in Zeiten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gar nicht. (...)

Beim Flughafenbetreiber Fraport (...) muß bei Bewerbungen übers Internet nicht einmal mehr angekreuzt werden, ob jemand Frau oder Mann ist, wie Jürgen Jäckel, Leiter Personalservice, berichtet. Beim Steigenberger-Konzern bietet man Bewerbern nach einer Absage nicht mehr die Möglichkeit zu einem Telefongespräch an, bei dem bisher etwas mehr über die Gründe für die Entscheidung verraten wurde, wie Andreas Elvers, "Direktor Human Resources", sagt.



Was für Menschen gilt, das sollte doch erst Recht für Käse und Schinken gelten, nicht wahr?

Es gibt es leider noch nicht, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz für Schafskäse und Salami, für geräucherten Schinken und Oliven.

Aber ich fordere es!