27. April 2010

Marginalie: Was haben Obamas Kandidaten für das Oberste Gericht gemeinsam? Raten Sie mal ...

In den USA werden die Richter des Supreme Court, des Obersten Bundesgerichts, auf Lebenszeit ernannt. Sie haben aber das Recht, von sich aus ihren Rücktritt zu erklären.

Von dieser Möglichkeit hat jetzt John Paul Stevens Gebrauch gemacht, der am 20. April 90 Jahre wurde und der dem Gericht seit 1975 angehört.

Es obliegt dem Präsidenten, die Nachfolger ausscheidender Richter zu nominieren (nominate); doch hängt die Ernennung (appointment) von der Zustimmung des Kongresses ab.

Bei Präsident Obamas bisher einziger Nominierung, derjenigen der Richterin Sonia Sotomayor, verlief das nicht ganz reibungslos, denn die Kandidatin hatte Äußerungen getan, die in den Augen Vieler nicht gut zur richterlichen Unparteilichkeit passen (siehe "Eine Latina-Frau urteilt häufiger richtig als ein weißer Mann"; ZR vom 28. 5. 2009 und "Gegen Justiz als Empathie"; ZR vom 1. 6. 2009).

Jetzt also steht Obamas zweite Nominierung eines Obersten Richters an. Der Sender ABC hat die Kandidaten unter die Lupe genommen, die bisher bei Obama in der engeren Wahl sind (auf der short list stehen, der "kurzen Liste").

Eigentlich sollten sie ja die Gemeinsamkeit haben, diese Kandidaten, daß sie zu den herausragenden Juristen der USA gehören. Sie haben aber auch eine andere Gemeinsamkeit: Ihr "Lebensweg hat sich mit dem Obamas gekreuzt", wie ABC es formuliert (their "lives have intersected with the orbit of Obama"):
  • Drei der Kandidaten (Elena Kagan, Merrick Garland und Jennifer Granholm) waren Obamas Kommilitonen an der Juristischen Fakultät von Harvard;

  • Zwei (Elena Kagan und Diane Wood) gehörten wie Obama zum Lehrkörper der Universität von Chicago;

  • Zwei (Elena Kagan und Janet Napolitano) wurden von Obama nach seiner Amtsübernahme in hohe Ämter berufen (Generalstaatsanwältin und Ministerin für Heimatschutz)
  • So direkt haben frühere Präsidenten selten ihre Kandidaten für das Oberste Gericht aus dem eigenen Umfeld rekrutiert. ABC meint, das liege vielleicht daran, daß Obama als ehemaliger Jura-Professor nun einmal gute Beziehungen zum Universitätsmilieu hätte.



    Wie man sich denken kann, sieht die Opposition das kritischer. In einem anderen Artikel zitiert ABC heute den republikanischen Senator Jeff Sessions, ranghöchster Republikaner (ranking member) im Justizausschuß des Senats:
    It's pretty clear to me that President Obama sees judges as allies in an effort to promote an agenda he thinks is best for the country.(...)

    And that's not law. That's not law -- that's politics. And it's a poison in our legal system, and the American people are not happy about it. They see it for what it is, and they don't think that courts ought to be there to rubber-stamp President Obama's or anybody's agenda.

    What I'm hearing from my constituents is a cry that Washington is losing all recognition that it is a government of limited, delegated powers, and that it is assuming roles that go far beyond anything the governed ever thought that they would be doing. You have the fundamental question: Is this what the framers [of the Constitution] had in mind when they created a limited government, and created a Commerce Clause?

    Es ist für mich ziemlich offensichtlich, daß Präsident Obama die Richter als Alliierte bei dem Versuch sieht, eine Agenda durchzusetzen, von der er meint, daß sie das Beste für das Land sei. (...)

    Und das entspricht nicht dem Gesetz. Es ist nicht Gesetz - es ist Politik. Und es ist ein Gift in unserem Rechtssystem, und das amerikanische Volk ist damit nicht glücklich. Sie sehen es als das, was es ist, und sie glauben nicht, daß die Gerichte dafür da sind, die Agenda von Präsident Obama oder irgendwem sonst abzusegnen.

    Aus meinem Wahlkreis höre ich einen Aufschrei, daß Washington überhaupt nicht mehr anerkennt, daß es eine Regierung mit begrenzten, ihm übertragenen Vollmachten ist, und daß es sich Rollen anmaßt, die weit über das hinausgehen, wovon die Regierten jemals geglaubt hätten, daß sie es tun würden. Wir stehen vor der fundamentalen Frage: Ist es das, was die Väter [der Verfassung] vor Augen hatten, als sie eine Regierung schufen, der Grenzen gesetzt sind, und als sie eine Commerce Clause [eine Klausel, die die Rechte des Kongresses einschränkt; Zettel] schufen?
    Natürlich ist bei solchen Äußerungen Parteipolitik im Spiel. Aber was Sessions ausspricht, gibt eine weit verbreitete Stimmung in den USA wieder: Daß Präsident Obama dabei ist, die Axt an die amerikanischen Werte zu legen; an die Verantwortlichkeit des Einzelnen für sich selbst ebenso wie an die Begrenzung der Macht der Regierenden.

    Zu dieser Begrenzung gehört seit Bestehen der USA die Gewaltenteilung. Ein Präsident, der versucht, seine eigenen Leute in das Oberste Gericht zu bugsieren, gefährdet sie; ebenso wie ein Präsident die Freiheit des Einzelnen gefährdet, der alle Amerikaner in eine Solidargemeinschaft zwingen will.



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