27. Februar 2011

Zitat des Tages: "Für mich steht außer Frage, daß Herr zu Guttenberg ein Betrüger ist". Das vernichtende Urteil eines Bayreuther Juristen

Wir sind alle entsetzt. Wir sind einem Betrüger aufgesessen, und die Universität hat daraus die Konsequenzen gezogen und ihm den Grad aberkannt. Niemand hätte sich vorstellen können, mit welcher Dreistigkeit hier ein Plagiat eingereicht wurde. (...) Für mich steht außer Frage, daß Herr zu Guttenberg ein Betrüger ist. (...) Es ist einfach ein Ausmaß an Dreistigkeit, das wir noch nicht erlebt haben.

Der Bayreuther Jurist Prof. Dr. Oliver Lepsius, heutiger Inhaber des Lehrstuhls, an dem Guttenberg promoviert hatte, gegenüber dem Bayrischen Rundfunk über Guttenbergs erschlichenen Doktorgrad.


Kommentar: Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich zur Affäre Guttenberg nicht mehr zu äußern. Mir schien, daß alles gesagt ist.

Aber was Lepsius gegenüber dem Reporter des Bayrischen Rundfunks geäußert hat, das ist sensationell. Weitere Kernsätze des Interviews:
Jemand schreibt vierhundert Seiten, und das ist eine Collage. Das ist von Anfang an als Collage geplant. Das ist doch kein Versehen. Hier geht jemand bewußt vor. Der Mann hatte einen bewußten Vorsatz des Plagiierens. Mir ist vollkommen schleierhaft, wie er diesen Vorsatz bestreiten kann.
Lepsius fragt sich deshalb, ob Guttenberg nicht ein Fall für den Psychologen ist:
Mich würde - darf ich ehrlich sein - die Einschätzung eines Psychologen interessieren; was ein Psychologe zu einem solchen Fall von Wirklichkeitsverdrängung meint. (...)

Das politische Berlin muß sich schon die Frage stellen, ob jemand das Amt eines Bundesministers ausüben kann, der X tut, aber in Abrede stellt, daß er X getan hat. Wer solch eine Selbsteinlassung vornimmt, von dem muß man fragen: Wenn er in diesem Fall nicht wußte, was er tut - weiß er's denn in anderen Fällen?
Das Sensationelle ist, daß der Jurist Lepsius den Freiherrn explizit einen Betrüger nennt.

Ich habe mich bisher nicht getraut, das in diesem Blog zu tun, ohne - wie das auch Thomas Oppermann im Bundestag gemacht hat - hinzuzufügen "im umgangssprachlichen Sinn" oder ähnlich. Denn Betrug im juristischen Sinn ist natürlich ein strafbares Delikt.

Wenn der Jurist Lepsius jetzt Guttenberg ausdrücklich Betrug vorwirft, dann bringt er diesen in Zugzwang. Er kann wegen Verleumdung oder übler Nachrede klagen. Dann wird er vor Gericht den Beweis führen müssen, daß er nicht betrogen hat. Oder er kann das auf sich sitzen lassen. Dann wird künftig jeder Bürger, jeder Abgeordnete im Bundestag berechtigt sein, den Freiherrn einen Betrüger zu nennen.

Auch ich werde das dann tun, es freudig tun. Ich habe mir solche Epitheta angewöhnt; zum Beispiel nenne ich Barack Obama gern Barack den Redner (Barack der Redner; ZR vom 4. 6. 2009). "Guttenberg der Betrüger", das scheint mir angemessen zu sein, sobald klar ist, daß Guttenberg nicht gegen Lepsius klagt.



Die Kanzlerin sitzt da, als ginge sie die ganze Affäre nichts an. Dieser Skandal geht sie aber etwas an. Je länger sie dem Unvermeidlichen entgehen will und dem Bundespräsidenten nicht vorschlägt, diesen Minister zu entlassen, umso schlimmer wird es werden.

Guttenberg scheint im Augenblick in einer starken Position zu sein, weil sich, nicht zuletzt dank der seltsamen Linie der "Bild"-Zeitung, die Bevölkerung noch nicht von ihm abgekehrt hat und weil die Union zähneknirschend hinter ihm steht, in diesem Superwahljahr.

Das wird sich ändern; spätestens dann, wenn die offiziellen Berichte der beiden Kommissionen der Universität Bayreuth vorliegen, die jetzt mit dem Fall befaßt sind. Je länger die Kanzlerin Guttenberg, den ich wohl demnächst einen Betrüger nennen darf, zu halten versucht, umso mehr wird sie selbst in diese Affäre hineingezogen werden; eine der unappetitlichsten in der Geschichte der Bundesrepublik.



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