16. Februar 2011

Zettels Meckerecke: Es wird wohl nichts werden mit dem künftigen Bundeskanzler Doktor zu Guttenberg

In jeder Schule wird geschummelt. Auf Klassentreffen vergnügt man sich gern damit, sich gegenseitig zu erzählen, wie man es angestellt hat, den Lehrer zu überlisten. Und dieser, so er dabei ist und er Humor hat, wird mitlachen.

Man wird Schülern vernünftigerweise keinen moralischen Vorwurf machen, wenn sie schummeln (pfuschen, mogeln, abschreiben, spicken - die deutsche Sprache ist ja in diesem Punkt bemerkenswert reich). Schüler haben das getan, seit jemand CAIUS ASINUS EST an eine Tempelwand geschrieben hat; nein, natürlich seit der Zeit der Hieroglyphen.

Nur sollten sie sich nicht erwischen lassen, die Schüler, die Studenten. Ich habe Studenten bei Klausuren stets gesagt: Sie dürfen gern zu schummeln versuchen. Ich werde versuchen, das zu verhindern oder aufzudecken. Wenn Sie durchkommen, dann haben Sie gewonnen. Wenn nicht, dann haben Sie die Klausur nicht bestanden. Es ist Ihre freie Entscheidung, ob Sie das Risiko eingehen wollen.

Aber bei wissenschaftlichen Arbeiten ist das anders; während des Studiums, beim Abschluß des Studiums, danach. Denn anders als der Unterricht in der Schule und an der Universität basiert die Wissenschaft auf dem Grundsatz, daß unter keinen Umständen abgeschrieben werden darf.

Das gilt auf der juristischen Ebene: Wer plagiiert, dem kann der durch das Plagiat erworbene akademische Titel aberkannt werden. Es gilt auf der moralischen Ebene; Plagiate und das Fälschen von Daten verstoßen gegen den Geist der Wissenschaft, der auf Offenheit und Ehrlichkeit basiert. Und es hat ja auch einen ökonomischen Aspekt. Akademische Grade befördern die Karriere. Wer sich einen akademischen Grad erschleicht, der verschafft sich widerrechtlich einen wirtschaftlichen Vorteil.



Bei der Beurteilung dessen, was dem nicht unvermögenden Freiherrn zu Guttenberg vorgeworfen wird, spielt dieser wirtschaftliche Aspekt sicherlich keine Rolle. Die anderen schon.

Was heute an Dokumenten zum Vorwurf des Plagiats in der Dissertation Karl-Theodor zu Guttenbergs an die Öffentlichkeit gelangte, das ist haarsträubend.

Ich bezichtige Guttenberg nicht des Plagiats, solange der Sachverhalt nicht durch die zuständigen Stellen - die Juristische Fakultät der Universität Bayreuth, gegebenenfalls ein Gericht - festgestellt wurde. Aber ich sehe nicht, daß angesichts der Belege, die heute veröffentlicht wurden, diesen Gremien ein sehr großer Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum bleibt.

Schauen Sie sich bitte einmal diese Abbildung aus FAZ.Net an. (Sie können die Textstellen auch unten in dem Artikel als Transskripte lesen).

Sehen Sie sich bitte das an, was sueddeutsche.de an Textvergleichen anbietet. Im zugehörigen Artikel von sueddeutsche.de heißt es:
Die jetzt beanstandeten Stellen, die insgesamt mehrere Seiten umfassen, fallen in drei Kategorien. Bei den Fällen, die am schwersten wiegen, finden sich wortgleiche Übereinstimmungen mit Texten, die Guttenberg offenbar weder in einer Fußnote noch im Literaturverzeichnis ausweist. (...)

Die zweite Kategorie von Verdachtsfällen betrifft Stellen mit wortwörtlich oder leicht abgewandelten Passagen anderer Autoren, die zwar im Literaturverzeichnis allgemein aufgeführt, im laufenden Text aber nicht zitiert werden. Und schließlich fallen, drittens, Abschnitte auf, in deren Umfeld zwar eine Fußnote auf den Ursprung hinweist. Aus den Hinweisen geht jedoch nicht hervor, dass Guttenberg die Passagen wörtlich und teilweise über mehrere Sätze hinweg direkt übernommen hat.
Für das Zitieren in wissenschaftlichen Arbeiten gibt es in den einzelnen Disziplinen unterschiedliche Vorschriften. Gemeinsam ist ihnen aber allen dies:
  • Wenn man einer Quelle einen Gedanken, eine Information, wenn man ihr Daten entnommen hat, dann wird das allgemein angegeben. Man schreibt also zum Beispiel: "Wie schon xyz (1999) hervorhob, ist das kritisch zu betrachten".

  • Wenn man etwas wörtlich übernimmt, dann ist es unbedingt und ausnahmslos als wörtliches Zitat zu kennzeichnen. Das bedeutet erstens, daß es in Anführungszeichen gesetzt wird (oder eingerückt dargestellt wird; oder kursiv, oder wie immer Zitate in der betreffenden Arbeit gekennzeichnet werden).

    Zweitens muß bei einem wörtlichen Zitat nicht nur der Autor genannt werden, sondern es muß auch einen eindeutigen Hinweis auf die Fundstelle geben; so eindeutig, daß es dem Leser leicht möglich ist, das Zitat aufzufinden und nachzuprüfen. Also zum Beispiel: "xyz (1999, S. 77) stellte zu Recht fest: 'Das muß kritisch gesehen werden'". Die Zitiervorschriften sind, wie gesagt, im einzelnen verschieden. Statt des Jahrs der Publikation (in den Naturwissenschaften verbreitet) kann man zum Beispiel auch auf die Nummer des Eintrags im Literaturverzeichnis oder die Nummer einer Fußnote verweisen (Also: "xyz (Fußnote 88, S. 77) stellte zu Recht fest ..."; oder "xyz (666, S. 77) stellte zu Recht fest ...").
  • Die heute publizierten Faksimiles lassen kaum einen anderen Schluß zu, als daß zu Guttenberg an den dokumentierten Textstellen so nicht verfahren ist. Es entsteht der schwer abweisbare Eindruck, daß er Textstellen übernommen hat, aber dies für den Leser so aussehen läßt, als handle es sich um seinen eigenen Text.

    Wenn das so ist, dann stellt sich nicht nur die Frage, ob zu Guttenberg den derart erworbenen akademischen Grad noch führen darf. Dann stellt sich auch die Frage, wie es denn mit seiner politischen Tätigkeit, mit seiner politischen Karriere weitergehen soll und überhaupt weitergehen kann.



    Als Karl-Theodor zu Guttenberg, der zuvor Generalsekretär der CSU gewesen war, nach dem Rücktritt des Wirtschaftsministers Glos überraschend ins Bundeskabinett einrückte, hatte ich zunächst eine sehr kritische Meinung zu ihm; siehe Guttenberg hier! Guttenberg da! Guttenberg oben! Guttenberg unten!; ZR vom 18. 3. 2009.

    Mir gefiel damals Guttenbergs Art der Selbstdarstellung nicht. Ich fand auch seinen beruflichen Werdegang nicht sehr überzeugend und habe in diesem Zusammenhang auf seine Promotion hingewiesen:
    Studiert hat der Karl-Theodor zu Guttenberg - so findet man es in der Biografie beim Deutschen Bundestag und auf seiner WebSite - offenbar nur in Deutschland; jedenfalls wird ein Auslandsstudium nirgends erwähnt. Bis zur Promotion hat er mehr als zehn Jahre gebraucht; da war er 35.
    Dann aber hat mich der Minister zu Guttenberg zunehmend überzeugt; wie er ja sehr viele Deutsche mit seinem entschlossenen, kompetenten Auftreten überzeugt hat.

    Jetzt frage ich mich, ob er nicht doch der Blender ist, als den ich ihn damals, vor fast zwei Jahren, gesehen habe.



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