11. Februar 2011

Aufruhr in Arabien (10): Der alte Haudegen und der hilflose Präsident. Obamas Niederlage in Ägypten. Nebst einem aktuellen Nachtrag

Hätte es noch schlimmer kommen können für die USA? Der Träger des Nobelpreises für Frieden hat es fertiggebracht, die immer noch einzige Supermacht zur Lachnummer zu machen.

Er hat ohne Not und gegen jede Vernunft auf Mubaraks Rücktritt gedrängt und damit den Kredit der USA bei Verbündeten verspielt, die ja vielleicht auch einmal auf den Beistand ihres amerikanischen Partners angewiesen sein könnten (siehe "Die USA sind ein sehr ernstes, sehr gefährliches Riskio eingegangen". Wie man in Israel den Präsidenten Obama sieht; ZR vom 9. 2. 2010).

Aber wenn er denn schon derart rücksichtslos einen Verbündeten fallengelassen hat, dann hätte Obama alles tun müssen, um zum Erfolg zu kommen. Er wollte Mubarak zur Strecke bringen. Gut, dann hätte er alle Hebel in Bewegung setzen müssen, damit das gelingt; prestissimo. Nichts ist für eine Weltmacht tödlicher, als vollmundig ein Ziel zu verkünden und sich dann als unfähig zu erweisen, es zu erreichen. Wieder einmal hat Barack der Redner genau dies geschafft.

Mubarak ist nicht zur Strecke gebracht. Obama hat im Gegenteil mit seiner Intervention den Stolz der Ägypter tief verletzt; aus der US-Administration war ja sogar schon lanciert worden, daß man dort nach Kolonialherren-Art konkrete Pläne für die Zukunft nach Mubarak ausgearbeitet hatte. So, als handle es sich um eine Dependance der USA.

In der arabischen Welt und darüber hinaus weiß man jetzt, wie gefährlich man lebt, wenn man mit den USA des Barack Obama verbündet ist. Man zieht daraus vielleicht die Konsequenz, sich um diesen unzuverlässigen Verbündeten nicht mehr zu scheren. Man weiß auch, daß man nicht nur fallengelassen, sondern auch in seinem nationalen Stolz verletzt wird, wenn man Verbündeter der USA dieses Friedenspräsidenten ist.

Das ist der Kern der Rede, die Hosni Mubarak gestern Abend gehalten hat. Der alte Haudegen hat Statur bewiesen. Er hat Obama eine Lektion erteilt: Wenn die Amerikaner einen Verbündeten runterpurzeln lassen, sobald sie denn glauben, daß es ihren momentanen Interessen dient - dann löst man sich als Verbündeter eben von diesen USA eines flatterhaften Präsidenten.

In seiner gestrigen Rede sagte Mubarak: "Es gab keine Zeit, in der mich Druck aus dem Ausland beeinflußt hätte". Deutlicher hätte er es nicht sagen können, daß ihm schnurz war, was Barack Obama denn alles vor und hinter den Kulissen betrieb, um ihn zu stürzen.

Die Abkehr von diesem treulosen Verbündeten USA ist Mubaraks Chance. Er kann damit nicht nur diejenigen in seinem Land hinter sich bringen, die schon immer antiamerikanisch waren, sondern auch alle, die - wie er selbst - in diesen Tagen erleben, wie dumm, wie kurzsichtig es ist, sich mit den USA zu verbünden.

Wie immer die Revolution in Ägypten ausgeht - der Verlierer sind in jedem Fall die USA. Falls Mubarak der Übergang zu einem freieren, aber nicht vom Islam dominierten System gelingt, wird dort niemand mehr einen Pfifferling auf die USA geben; man hat seine Lektion gelernt. Falls, was wahrscheinlicher ist, die Moslembrüder obsiegen, spielen die USA ohnehin keine bestimmende Rolle mehr im Nahen Osten. Dann wird das dortige Machtspiel zwischen dem Iran, der Türkei, Ägypten und bald China ausgetragen werden.



Noch eines zeigt die gestrige Rede Mubaraks. Eine Revolution kann nicht gelingen, solange zwei Bedingungen erfüllt sind: Die Machthaber sind zum Durchhalten entschlossen, und sie haben das Militär hinter sich.

Deshalb mißlang die Revolution im Juni 2009 im Iran, wo die Mullahs nicht an Aufgeben dachten und wo sich das Militär nicht dem protestierenden Volk anschloß. Dreißig Jahre zuvor hatte der todkranke Schah nicht mehr die Kraft gehabt, sich zu behaupten; so wie im vergangenen Monat Ben Ali in Tunesien nicht.

Nicolae Ceausescu hatte sich 1989 vermutlich behaupten wollen, aber sein Militär lief zum aufständischen Volk über. Ob der alte und kranke Erich Honecker sich hätte behaupten wollen, weiß man nicht; jedenfalls war das kommunistische Regime verloren, als klar wurde, daß es sich weder auf die Betriebskampfgruppen noch auf die Nationale Volksarmee noch verlassen konnte; sogar das Wachregiment Feliks Dzierzynski zeigte Auflösungserscheinungen.

In Ägypten war lange Zeit ungewiß, ob Mubarak sich auf das Militär würde verlassen können (siehe Die Machtsituation in Ägypten; ZR vom 31. 1. 2011). Seit gestern Abend ist es sehr wahrscheinlich, daß er das kann. Daß jedenfalls das Militär nicht zu den Protestierenden überläuft; auch wenn vielleicht in der internen Machtverteilung jetzt andere bestimmend sind als Mubarak selbst.




Nachtrag um 9.50 Uhr: Soeben habe ich eine Red Alert, also eine Art Eilmeldung, von Stratfor erhalten. Dort sieht man das Militär am heutigen Vormittag im Zugzwang: Entweder hält es sich, so Stratfor, weiter zurück wie bisher. Dann besteht die Gefahr, daß eine Menschenmasse heute den Palast des Präsidenten stürmt. Die zweite Option ist, Militär gegen die Demonstranten einzusetzen. Option drei ist ein Militärputsch gegen Mubarak. So Stratfor.

Diese dritte Möglichkeit hält man dort für wahrscheinlich. Begründung: Die erste Option könnte zum Sturz des Regimes führen, was das Militär nicht will. Die zweite könnte das Ansehen des Militärs nachhaltig schädigen und so auf längere Frist das Regime ebenfalls gefährden. Bleibt der Sturz Mubaraks, um das System zu retten, das er repräsentiert.

Bisher hat Stratfor mit seinen Analysen zu Ägypten gut gelegen; offenbar verfügt man dort über zuverlässige Quellen.



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelvignette: Großmoschee von Kairouan, Tunesien. Vom Autor Wotan unter Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0-Lizenz freigegeben. Bearbeitet. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier.