Vor einigen Jahren hat das Vorhaben der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), in Köln eine große Moschee zu errichten, einigen Wirbel verursacht. Inzwischen ist der Bau im Gang, vorige Woche feierte man Richtfest.
Reiner aus dem Saarland, dem ich die Anregung zu diesem Feuilleton verdanke, hat das Gebäude mit einem Kernkraftwerk verglichen, durchaus naheliegend, wenn man dieses Foto sieht:
So belanglos die ästhetische Bewertung von Rohbauten auch sein mag, läßt dieser doch die besondere Schönheit des fertigen Baus schon erahnen. Der Vergleich mit einem Kraftwerk ist ja keineswegs despektierlich, und in der Tat hat es schon etliche bemerkenswerte Industriebauten im muslimischen Stil gegeben.
So steht in Dresden diese Zigarettenfabrik aus dem Jahre 1909.
Im Garten von Park Sanssouci findet man ein Dampfmaschinenhaus, das die kgl. Wasserspiele antrieb:
Und in diesem prächtigen Wiener Gebäude
wurde im 19. Jh. Mottenpulver hergestellt.
Wohl die meisten der islamisch "getarnten", jedoch anderen Zwecken dienenden Gebäude des 19. Jh. waren indessen Synagogen, deren Stil an das goldene Zeitalter des Judentums im mittelalterlichen Spanien erinnern sollte.
Neue Synagoge, Berlin 1866.
Der Alte arabische Orden der Edlen vom mystischen Schrein, kurz Shriners genannt, eine in den USA blühende Variante der Freimaurerei, die der Film "Wüstensöhne" von Laurel und Hardy berühmt gemacht hatte, griff naheliegenderweise ebenfalls auf diesen Stil zurück:
Tripoli Shrine Temple, Milwaukee 1926.
Diese Gebäude unterscheiden sich von der Kölner Moschee durch das Prinzip, auf einen geradlinigen Baukörper eine Kuppel aufzusetzen, eine Idee, die vielen berühmten Zeremonialbauten zugrundeliegt:
Einen interessanten Sonderfall stellt die Zentralmoschee der Bunten Republik dar:
Die in den Baukörper eingezogene Kuppel, die unserem unprätentiösen Gemeinwesen so gut entspricht, ist keineswegs eine neue architektonische Idee:
Vakil Moschee in Schiras (Persien), 1773.
Elegant ist dieser Stil sehr wohl, wenn auch die Kuppeln wie in einen Kasten eingesperrt wirken. Man kann sie natürlich auch aus dem Kasten herausnehmen und dann verwandeln sie sich in Kugeln:
Kanzleramt mit Bundeshauptminarett
Claude-Nicolas Ledoux, Ahnherr der Moderne, war wohl der erste:
Haus des Gärtners, 1789.
139 Jahre später...
...das erste Kugelhaus der Welt: Dresden 1928.
Das politisch bedeutendste Kugelbauprojekt ist dieser Halloween-Kürbis, der in Wien steht, jedoch die eigenständige, von Österreich bislang nicht anerkannte Republik "Kugelmugel" darstellt.
Staatspräsident Edwin Lipburger-Kugelmugel erklärt:
Globe of Science and Innovation des CERN bei Genf.
Er bekam 2003 einen Preis "für seine beispielgebende Wirkung zu Gunsten des Nachhaltigkeitsgedankens". (Wikipedia.)
Dem großen Richard Buckminster Fuller hingegen gelang es, dem Ökoglauben eine würdige Kathedrale zu erschaffen.
Biosphère Montréal, 1967.
Daß sich Kugeln auch für nützliche Zwecke eignen, beweist die Sport- und Konzerthalle Ericsson Globe in Stockholm.
Die Kugel ist eine einfache geometrische Form, die wenig Variation gestattet; lediglich das Aussehen der Wand läßt sich gestalten. Von dieser der Kugelbauweise innewohnenden Beschränkung befreit sich der Nurkuppelbau, wie er bei der neuen Kölner Moschee anzutreffen ist. Freiheit der Gestaltung, eine selbstbewußte Aufwärtsgeste, festen Stand auf dem Boden - diese Merkmale zeichnen den Nurkuppelbau aus, und ermöglichen Gebäude von intensiver Schönheit.
KKW Grohnde.
Die Kuppelform ist lt. Wikipedia typisch für die deutschen Druckwasserreaktoren; ob sie die sichersten der Welt sind, wie behauptet wird, sei dahingestellt, die schönsten der Welt sind sie allemal.
Die Bauform hat sich bereits im osmanischen Barock bewährt:
und ebenfalls im deutschen:
Doch niemand hat das Potential des Nurkuppelbaus so klar erkannt wie die Religionsgemeinschaft der Bahá'í.
Bahá'í Tempel der Andacht, Wilmette (Illinois), 1953.
Tempel der Andacht in Frankfurt-Langenhain (1964)
...mit etwas deftiger Erotik. Die dezentere muslimische Variante:
steht in Kandahar (Universitätsmoschee, 2005).
Bahá'í Tempel der Andacht, Tiapapata (Samoa) 1984.
Lotustempel der Bahá'í, Delhi, 1986.
Modell des Bahá'í Tempels der Andacht in Chacabuco (Chile), im Bau.
Welch ein Rokoko aus Glas und Licht, Alabaster und Rankenwerk aus Stahl wird da geträumt; natürlicher und graziöser, femininer, heiliger, leichter, erotischer kann ein Gebäude kaum sein, und beinahe ist es schade, wenn es nun Wirklichkeit wird.
So viel Sex hat der neue Moscheebau in Köln-Ehrenfeld gewiß nicht.
Dennoch: zum kommenden Zeitalter der Schönheit werden die Nurkuppelbauten ihren bedeutenden Beitrag leisten, und dank der Türkisch-Islamischen Union ist Deutschland vorne mit dabei.
Glückwunsch zum Richtfest!
Reiner aus dem Saarland, dem ich die Anregung zu diesem Feuilleton verdanke, hat das Gebäude mit einem Kernkraftwerk verglichen, durchaus naheliegend, wenn man dieses Foto sieht:
So belanglos die ästhetische Bewertung von Rohbauten auch sein mag, läßt dieser doch die besondere Schönheit des fertigen Baus schon erahnen. Der Vergleich mit einem Kraftwerk ist ja keineswegs despektierlich, und in der Tat hat es schon etliche bemerkenswerte Industriebauten im muslimischen Stil gegeben.
So steht in Dresden diese Zigarettenfabrik aus dem Jahre 1909.
Im Garten von Park Sanssouci findet man ein Dampfmaschinenhaus, das die kgl. Wasserspiele antrieb:
Und in diesem prächtigen Wiener Gebäude
wurde im 19. Jh. Mottenpulver hergestellt.
Wohl die meisten der islamisch "getarnten", jedoch anderen Zwecken dienenden Gebäude des 19. Jh. waren indessen Synagogen, deren Stil an das goldene Zeitalter des Judentums im mittelalterlichen Spanien erinnern sollte.
Neue Synagoge, Berlin 1866.
Der Alte arabische Orden der Edlen vom mystischen Schrein, kurz Shriners genannt, eine in den USA blühende Variante der Freimaurerei, die der Film "Wüstensöhne" von Laurel und Hardy berühmt gemacht hatte, griff naheliegenderweise ebenfalls auf diesen Stil zurück:
Tripoli Shrine Temple, Milwaukee 1926.
Diese Gebäude unterscheiden sich von der Kölner Moschee durch das Prinzip, auf einen geradlinigen Baukörper eine Kuppel aufzusetzen, eine Idee, die vielen berühmten Zeremonialbauten zugrundeliegt:
Einen interessanten Sonderfall stellt die Zentralmoschee der Bunten Republik dar:
Die in den Baukörper eingezogene Kuppel, die unserem unprätentiösen Gemeinwesen so gut entspricht, ist keineswegs eine neue architektonische Idee:
Vakil Moschee in Schiras (Persien), 1773.
Elegant ist dieser Stil sehr wohl, wenn auch die Kuppeln wie in einen Kasten eingesperrt wirken. Man kann sie natürlich auch aus dem Kasten herausnehmen und dann verwandeln sie sich in Kugeln:
Kanzleramt mit Bundeshauptminarett
Claude-Nicolas Ledoux, Ahnherr der Moderne, war wohl der erste:
Haus des Gärtners, 1789.
139 Jahre später...
...das erste Kugelhaus der Welt: Dresden 1928.
Das politisch bedeutendste Kugelbauprojekt ist dieser Halloween-Kürbis, der in Wien steht, jedoch die eigenständige, von Österreich bislang nicht anerkannte Republik "Kugelmugel" darstellt.
Staatspräsident Edwin Lipburger-Kugelmugel erklärt:
Das Runde ist frei, es hat weder Anfang noch Ende. Aus der Kugel ein „Haus machen“, nicht, um die Landschaft zu verderben, sondern um sie zu retten, sie so zu lassen wie sie ist, und sich nicht mit ihr anzubiedern.Der Rettung verpflichtet ist auch folgender Bretterklops, der aus dem schweizerischen Staatspavillon der Expo 2000 recycelt wurde:
Globe of Science and Innovation des CERN bei Genf.
Er bekam 2003 einen Preis "für seine beispielgebende Wirkung zu Gunsten des Nachhaltigkeitsgedankens". (Wikipedia.)
Dem großen Richard Buckminster Fuller hingegen gelang es, dem Ökoglauben eine würdige Kathedrale zu erschaffen.
Biosphère Montréal, 1967.
Daß sich Kugeln auch für nützliche Zwecke eignen, beweist die Sport- und Konzerthalle Ericsson Globe in Stockholm.
Die Kugel ist eine einfache geometrische Form, die wenig Variation gestattet; lediglich das Aussehen der Wand läßt sich gestalten. Von dieser der Kugelbauweise innewohnenden Beschränkung befreit sich der Nurkuppelbau, wie er bei der neuen Kölner Moschee anzutreffen ist. Freiheit der Gestaltung, eine selbstbewußte Aufwärtsgeste, festen Stand auf dem Boden - diese Merkmale zeichnen den Nurkuppelbau aus, und ermöglichen Gebäude von intensiver Schönheit.
KKW Grohnde.
Die Kuppelform ist lt. Wikipedia typisch für die deutschen Druckwasserreaktoren; ob sie die sichersten der Welt sind, wie behauptet wird, sei dahingestellt, die schönsten der Welt sind sie allemal.
Die Bauform hat sich bereits im osmanischen Barock bewährt:
und ebenfalls im deutschen:
Doch niemand hat das Potential des Nurkuppelbaus so klar erkannt wie die Religionsgemeinschaft der Bahá'í.
Bahá'í Tempel der Andacht, Wilmette (Illinois), 1953.
Tempel der Andacht in Frankfurt-Langenhain (1964)
...mit etwas deftiger Erotik. Die dezentere muslimische Variante:
steht in Kandahar (Universitätsmoschee, 2005).
Bahá'í Tempel der Andacht, Tiapapata (Samoa) 1984.
Lotustempel der Bahá'í, Delhi, 1986.
Modell des Bahá'í Tempels der Andacht in Chacabuco (Chile), im Bau.
Welch ein Rokoko aus Glas und Licht, Alabaster und Rankenwerk aus Stahl wird da geträumt; natürlicher und graziöser, femininer, heiliger, leichter, erotischer kann ein Gebäude kaum sein, und beinahe ist es schade, wenn es nun Wirklichkeit wird.
So viel Sex hat der neue Moscheebau in Köln-Ehrenfeld gewiß nicht.
Dennoch: zum kommenden Zeitalter der Schönheit werden die Nurkuppelbauten ihren bedeutenden Beitrag leisten, und dank der Türkisch-Islamischen Union ist Deutschland vorne mit dabei.
Glückwunsch zum Richtfest!
„Wenn dieses Haus so lang nur steht,
bis aller Neid und Haß vergeht,
dann bleibt's fürwahr so lange stehen,
bis die Welt wird untergehen.“
© Kallias. Mit Dank an Reiner aus dem Saarland. Für Kommentare bitte hier klicken.
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